Junge Frauen sitzen nachts im Außenbereich eines Lokals
APA/AFP/Pau Barrena
Fallzahlen explodieren

Spanien stemmt sich gegen neue Welle

Nach Monaten des Rückgangs ist die Zahl der Neuinfektionen in Spanien zuletzt förmlich explodiert. Besonders betroffen sind jüngere Menschen, die noch nicht geimpft sind. Einige Regionen wollen die erst unlängst aufgehobenen Restriktionen des Nachtlebens wieder zurücknehmen.

Die 14-Tage-Inzidenz kletterte zu Wochenbeginn landesweit auf über 200 pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern – ein Anstieg um 50 im Vergleich zu den am Freitag gemeldeten Zahlen. Zwischen Jänner und Juli wurden insgesamt bereits mehr Coronavirus-Fälle verzeichnet als im gesamten Jahr 2020, wie das spanische Gesundheitsministerium mitteilte.

Die Fälle verteilen sich höchst ungleich auf die Altersgruppen. Bei den 20- bis 29-Jährigen hat die Inzidenz die 600er-Marke überschritten, bei den Zwölf- bis 19-Jährigen liegt sie über 500. Die Altersgruppen ab 50 dagegen haben Inzidenzwerte unter 100.

Junge Leute stehen vor einem Club in Barcelona Schlange
Reuters/Albert Gea
Das Nachtleben in Katalonien wird wieder stark eingeschränkt

Ein gewichtiger Grund für die Diskrepanz ist – wie in anderen Ländern – die Priorisierung Älterer bei den CoV-Schutzimpfungen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat die Impfkampagne in Spanien Fahrt aufgenommen. 56 Prozent der impfbaren Bevölkerung haben mittlerweile die erste Teilimpfung erhalten, 40 Prozent sind vollimmunisiert. Allerdings: In der Gruppe der 20- bis 29-Jährigen hat nur einer von zehn Personen bereits die Impfung bekommen, noch geringer ist der Wert bei den unter 20-Jährigen. Viele Regionen haben bereits verstärkt mit der Impfung jüngerer Gruppen begonnen, dennoch hinken die Raten bei den Jüngeren denen bei den Älteren hinterher.

Angst vor Ansteckung Älterer

In den Spitälern ist die Zahl der Covid-19-Patientinnen und -Patienten zwar ebenfalls gestiegen, allerdings wesentlich geringer als die Fallzahlen. Die Behörden befürchten, dass sich die Infektionen von Jungen auf ältere Geimpfte mit geschwächtem Immunsystem, Menschen, die auf ihren Zweitstich warten und Ungeimpfte ausbreitet. „Wir befinden uns in einer schwierigen Lage, was die Übertragungen betrifft und hoffen, dass die Lage in den Spitälern nicht wieder ernst wird“, sagte der Chefepidemiologe des spanischen Gesundheitsministeriums, Fernando Simon.

Unklarheit herrscht bisher darüber, wie stark die Ausbreitung der Delta-Variante für den Fallzahlenanstieg in Spanien verantwortlich ist. Laut Gesundheitsministerium wurde diese ansteckendere Virusmutante in 2,7 Prozent der landesweit sequenzierten Proben nachgewiesen.

Fachleute vermuten, dass es starke regionale Unterschiede gibt. In der Autonomen Region Katalonien könnte bereits die Hälfte der Neuinfektionen auf die erstmals in Indien nachgewiesene Virusmutante zurückgehen, sagte die Epidemiologin Magda Campins vom Spital Vall d’Hebron in Barcelona Anfang Juli gegenüber der Zeitung „El Pais“.

Katalonien schränkt Nachtleben ein

Auch Campins warnt vor einem Übergreifen des Infektionsgeschehens von Jüngeren auf Ältere. „Der explosionsartige Anstieg der Fälle beunruhigt mich – nicht für die Jüngeren selbst, aber weil sie zu Hause mit Eltern und Großeltern zu tun haben, von denen nicht alle geimpft sind oder beide Impfdosen erhalten haben.“

In einzelnen Regionen werden die Lockerungen der vergangenen Wochen und Monate bereits zurückgenommen. In Katalonien – der momentan am stärksten vom Coronavirus betroffenen Region Spaniens – waren erst am 21. Juni Beschränkungen für das Nachtleben gelockert worden. Ab kommendem Wochenende müssen die Nachtclubs wieder schließen. Bei Veranstaltungen im Freien mit mehr als 500 Teilnehmenden wird ein negativer Coronavirus-Test gefordert. „Wir können nicht so tun, als hätten wir das Virus besiegt“, sagte eine Sprecherin der Regionalregierung.

Die Sprecherin forderte zudem, dass es wieder Pflicht werden solle, auch im Freien eine Maske zu tragen. Darüber kann aber nur die Zentralregierung in Madrid entscheiden. Die Maskenpflicht im Freien war erst am 26. Juni in ganz Spanien aufgehoben worden.

Hunderte Schülerinnen und Schüler in Quarantäne

Sorge vor einem weiteren Anstieg der Zahlen und einem damit verbundenen Schlag für den Tourismussektor herrscht auch auf den Balearen. Ende Juni mussten Hunderte spanische Schülerinnen und Schüler, die ihre Maturareise auf Mallorca verbracht hatten, in Quarantäne.

Junge britische Touristen in Badehose ziehen in Palma de Mallorca ihre Koffer
Reuters/Enrique Calvo
Britische Touristen auf Mallorca: Die Reisenden könnten die Delta-Variante im Gepäck haben

Als Reaktion wurden die Einreiseregeln für Reisegruppen verschärft. Die Teilnehmenden von organisierten Gruppen ab 20 Personen müssen künftig einen negativen PCR-Test vorlegen oder einen vollständigen Impfschutz nachweisen.

Verantwortlich für die Infektionen unter den Schülerinnen und Schülern war den Behörden zufolge die Alpha-Variante des Coronavirus. Fachleute warnen, dass sich nun auch die Delta-Variante auf der Insel verbreiten könnte. Der Grund: In Großbritannien, wo Delta die Fallzahlen in die Höhe treibt, fiel Ende Juni die Quarantänepflicht für Heimkehrende aus Spanien. Die Zahl der Reservierungen britischer Reisewilliger ist seither stark gestiegen. Sie könnten, so die Angst, die ansteckendere Mutante auf die Insel bringen.