Orban mit ganzseitigem EU-kritischem Inserat in „Presse“

Der rechtspopulistische ungarische Regierungschef Viktor Orban macht erneut im Ausland Stimmung gegen die EU.

In einem ganzseitigen Inserat in der Tageszeitung „Die Presse“ (Mittwoch-Ausgabe) kritisiert Orban, dass Brüssel einen „Superstaat“ errichten wolle, zu dem niemand die „Ermächtigung“ gegeben habe. Belgische Zeitungen haben es laut Berichten abgelehnt, die Anzeige zu veröffentlichen.

„Ungarns Vorschläge“ für „Zukunft der EU“

Nationale Parlamente müssten gestärkt werden, heißt es in dem Inserat mit dem Titel „Über die Zukunft der Europäischen Union. Ungarns Vorschläge“, das von Orban selbst – nur mit Namen, nicht aber mit seiner Funktion als ungarischer Regierungschef – unterzeichnet ist.

Das kommende Jahrzehnt werde das „Zeitalter gefährlicher Herausforderungen“ sein, prophezeit der Vorsitzende der rechtsnationalen FIDESZ-Partei.

„Massenhafte Migration und Pandemien“ drohten, „wir müssen die europäischen Menschen schützen“, forderte er. Integration sei kein Mittel und kein Selbstzweck. Aus den Grundlagenverträgen der EU müsse deshalb die Zielsetzung der „immer engeren Einheit zwischen den Völkern Europas“ gestrichen werden.

Gemeinsame wirtschaftliche Erfolge würden der europäischen Integration Kraft geben, doch „wenn wir gemeinsam nicht erfolgreicher sein können als jeder für sich selbst, dann ist dies das Ende der Europäischen Union“, konstatiert Orban.

„Europäische Demokratie wiederherstellen“

„Wir müssen die europäische Demokratie wiederherstellen“, lautet ein weiterer Vorschlag Ungarns. Das EU-Parlament habe sich als „Sackgasse“ erwiesen, es vertrete ausschließlich die eigenen ideologischen und institutionellen Interessen. „Man muss die Rolle der nationalen Parlamente vergrößern“, so Orban, der selbst einer „illiberalen Demokratie“ das Wort redet.

Auch in Skandinavien hat Orban solche Inserate geschaltet. In Dänemark veröffentlichte die konservative „Jyllandposten“ das ganzseitige Inserat des ungarischen Premiers, in Schweden das Wirtschaftsblatt „Dagens Industri“. Dessen Chefredakteur Peter Fellmann rechtfertigte die Veröffentlichung mit der liberalen Tradition der Tageszeitung. Die Entscheidung sei aber nicht leichtgefallen, so Fellmann gegenüber dem Sender SVT.

Karas: Skandalös

Laut dem schwedischen TV-Bericht haben in Belgien sämtliche Zeitungen das Orban-Inserat abgelehnt und zum Teil auch die Anfrage kritisch in eigenen Artikeln kommentiert. So reagierte etwa „De standaard“ in einem Leitartikel und mit Blick auf das gegen sexuelle Minderheiten gerichtete ungarische Gesetz mit einer ganzseitigen Regenbogenflagge und dem Text: „Lieber Viktor Orban, Gesetze sollten nie einen Unterschied zwischen Liebe und Liebe machen.“

Der ÖVP-EU-Parlamentarier Othmar Karas bezeichnete die Medienkampagne Orbans heute gegenüber der APA als „skandalös“ und forderte eine „lückenlose Aufklärung“ der Finanzierung. Die ungarische Regierung habe hier missbräuchlich Gelder der eigenen Steuerzahler gegen den Lissabon-Vertrag verwendet, sagte Karas in einer Onlinepressekonferenz.

Die Aktion trage zur „Spaltung und Polarisierung“ bei und beinhalte eine Absage an europäische Werte, insofern erinnere sie ihn an die Brexit-Kampagne, meinte der EU-Mandatar.

Vana: Antidemokratische Stimmungsmache

Monika Vana, Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im Europaparlament, bezeichnete das Inserat als „antidemokratische Stimmungsmache“ und „Frontalangriff auf den Parlamentarismus in Europa“. Es zeige einmal mehr, wie wenig Orban an den europäischen Grundwerten liege und dass das Europaparlament zu Recht gegen dessen autokratische Bestrebungen vorgehe.

Gestörtes Verhältnis Ungarn – EU

Das Verhältnis zwischen Ungarn und der EU ist seit Jahren gestört, vor allem wegen anhaltender Debatten über Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Korruption und Einschränkung der Medienfreiheit unter Orbans Regierung seit 2010.

Jüngst sorgte ein LGBTQ-feindliches ungarisches Gesetz für scharfe Kritik vieler EU-Staats- und -Regierungschefs sowie der EU-Kommission. Seit 2018 läuft ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags gegen Ungarn.