Künstler Erich Schleyer
APA/Herbert Pfarrhofer
1940–2021

Erich Schleyer ist tot

Der deutsche Schauspieler Erich Schleyer ist am Dienstag mit 81 Jahren verstorben, wie die Direktorin des Theaterhauses MuTh, Elke Hesse, gegenüber ORF.at bestätigt hat. Der in Dresden geborene Darsteller wurde in der Rolle des Frank N. Furter in Michael Schottenbergs „Rocky Horror Show“-Inszenierung in Wien bekannt und wurde durch seine ORF-Sendungen „Erichs Chaos“ und „Der schiefe Turm“ für Generationen von österreichischen Kindern zum Inbegriff des Geschichtenerzählers.

Schleyers Leben wurde von der deutsch-deutschen Geschichte geprägt. Geboren am 1. März 1940 in Dresden, studierte er an der Theaterhochschule Leipzig und spielte seine ersten Rollen am Maxim-Gorki-Theater in Ostberlin. 1968 flüchtete er in den Westen und arbeitete bei Karlheinz Stroux in Düsseldorf und unter der Intendanz von Boy Gobert am Thalia Theater Hamburg. Bereits damals entdeckte Schleyer sein besonderes Talent, Sendungen für Kinder zu machen.

Neben seiner Bühnentätigkeit und über 350 Fernseh- und Filmrollen widmete er daher einen großen Teil seiner Arbeit dem jungen Publikum. Die TV-Kinderserie „Das feuerrote Spielmobil“ machte ihn in der BRD ungemein populär, später setzte er seine Fernseharbeit für Kinder in Österreich unter anderem mit den Sendungen „Erichs Chaos“ und „Der schiefe Turm“ im ORF fort. Als Kinderbuchautor trat Schleyer etwa mit seinen „Spirello“-Geschichten hervor, weiters erschienen die „Katze Nora“ (1987) und „Verschleyerte Geschichten“ (1998).

Kinder heute „teilweise klüger“

Sein künstlerisches Herz für Kinder entdeckte Schleyer schon früh: „Schon mit sechs oder sieben Jahren habe ich Kasperpuppen gemacht und Kinder entertaint. Bei meinem ersten Engagement haben wir dann die ‚Bremer Stadtmusikanten‘ gespielt, ich war der Hahn. Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen und kannte jede Bewegung, und die Leute haben hinter mir hergebrüllt. Da fing die Sache mit den Kindern an“, sagte er anlässlich seines 80. Geburtstags 2020 im Gespräch mit der APA.

Erich Schleyer mit Buch auf dem Kopf
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Bekannt als Geschichtenerzähler, Kinderbuchautor und Entertainer im ORF: Erich Schleyer

Kinder hätten sich im Laufe der Jahrzehnte als Publikum aber auch verändert, meinte Schleyer: „Kinder werden heute ernster genommen, und ihnen wird zugemutet, mit anderen Themen umzugehen als früher. Ich war aber nie ‚eididei‘, ich habe mit Kindern so gesprochen wie mit Erwachsenen.“ Die Kinder selbst seien heute „teilweise klüger, aber auch unaufmerksamer, und du musst mehr Bauernfänger-Methoden anwenden, um sie zu halten“.

Erfolg in der Wiener Theaterszene der 1980er

In Wien hatte der Theaterschauspieler Anfang der 1980er Jahre am Volkstheater in „Einer flog über das Kuckucksnest“ einen großartigen Einstieg. Weitere Erfolge feierte er in Hans Gratzers Schauspielhaus, unter anderem in der „Rocky Horror Show“ in der Rolle des Frank N. Furter und in „Angels in America“. Unter der Regie von George Tabori spielte er am Burg- bzw. Akademietheater „Die Massenmörderin und ihre Freunde“, „Die Ballade vom Wiener Schnitzel“ und „Babylon Blues“.

Erich Schleyer bei der Präsentation seines Kinderbuchs „Die Katze Nora“
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Schleyer war in den 1980er Jahren ein Fixstern der Wiener Theaterszene

Im Theater in der Josefstadt war er unter anderem in Nestroys „Mann, Frau, Kind“, als Peachum in der „Dreigroschenoper“ und in Peter Turrinis „C’est la vie – Eine Revue“ zu sehen. Am Volkstheater stand er etwa im „Ratgeber für den intelligenten Homosexuellen zu Kapitalismus und Sozialismus mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ von Tony Kushner an der Spitze des Ensembles.

„Ich war immer frei“

Ein festes Engagement an einem der Häuser hatte und wollte Schleyer nie. „Das wäre gar nicht möglich gewesen“, sagte er im Gespräch 2020: „Ich war immer frei. Dass da am Plan steht, was ich zu spielen habe, ging ab einer gewissen Zeit nicht.“ Stolz war er jedenfalls darauf, dass er „jedem Theater, wo ich gespielt habe, auch ein Kinderprogramm aufgezwungen habe“.

Breit gefächert waren auch seine Auftritte im Fernsehen: So war Schleyer in Gastrollen etwa in „Kommissar Rex“, „Der Alte“ und „Tatort“ zu sehen. Schleyer wurde unter anderem mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst und dem Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien ausgezeichnet. 2011 erhielt er den Berufstitel Professor verliehen. Im MuTh feierte er im Vorjahr seinen 80. Geburtstag mit einem Galaabend unter dem Titel „Mit 80 wird nichts mehr verschleyert!“

Wird „wertschätzend “ in Erinnerung bleiben

„Erich Schleyer wird vielen Generationen wertschätzend – und stets mit einem Lächeln auf den Lippen – in Erinnerung bleiben“, so Grünen-Kunst- und -Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer in einer Aussendung. „Die Kinder der 1980er und 1990er beeindruckte er als großer, freundlicher Riese mit buntem Märchenkoffer.“ Außerdem würdigte Mayer Schleyers außergewöhnliche Leistungen als Schauspieler, Autor und Fotograf. Für sein künstlerisches Werk gebühre ihm „unsere große Anerkennung“.

Schleyers einzigartige pädagogische Wirkung strich auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hervor: „Für Erich Schleyer waren Kinder nie das Publikum der Zukunft, sondern das Publikum der Gegenwart.“ Die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) bezeichnete es als „Glücksfall“ für die „Theaterstadt Wien“, dass Schleyer an den unterschiedlichen Bühnen der Stadt gewirkt habe.

Bestürzt über den Tod Schleyers zeigte sich SPÖ-Kultursprecherin Gabriele Heinisch-Hosek. „Generationen von Kindern sind mit seinen Geschichten aufgewachsen. Er hat sein jugendliches Publikum immer auf Augenhöhe angesprochen und mit seinen Märchen und seinem Humor verzaubern können“, so die SPÖ-Kultursprecherin, die den Angehörigen sowie Freundinnen und Freunden des Verstorbenen ihr Beileid ausdrückte. Ihr Bedauern äußerte auch die Landesgeschäftsführerin der ÖVP Wien, Bernadette Arnoldner. Mit Schleyer verlören „wir nicht nur einen großartigen Bühnendarsteller, sondern auch einen großen Kinderfreund“.