Ungarns LGBTQ-Gesetz: Historiker ortet Akt gegen Westen

Bei dem umstrittenen ungarischen Anti-LGBTQ-Gesetz geht es nach Einschätzung des Historikers Krisztian Ungvary nicht um Homosexuelle, sondern um eine Diskreditierung westlicher Werte. Es gehe darum, „eine Debatte zu entfachen, wo mit dem Zeigefinger auf den Westen gezeigt werden kann“, der einerseits die ungarischen Minderheitenrechte nicht wahrnehme, andererseits „aber die Rechte der Homosexuellen durchpeitschen will“, sagte Ungvary am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal.

„Zu zeigen, wie perfide und verlogen der Westen sei“

„Das ist das beabsichtigte Ziel zu zeigen, wie perfide und verlogen der Westen sei“, erläuterte Ungvary. „Dass dabei eine komplette Gruppe aus der ungarischen Gesellschaft ausgegrenzt und gepeinigt wird, das interessiert natürlich Viktor Orban nicht“, fügte er hinzu.

„Nur die Spitze des Eisbergs“

Zwar sei die Empörung über das Gesetz auch in Ungarn sehr groß, „aber das Ganze ist nur die Spitze des Eisbergs“. Es gebe nämlich „jede zweite Woche ein Gesetz, das aus dem blauen Himmel fällt und die Interessen von unschuldigen Menschen verletzt“, erläuterte der Historiker. Begonnen habe das schon vor zehn Jahren, als die Regierung Orban die private Krankenversicherung verstaatlicht habe, wodurch viele Bürger um riesige Summen geprellt worden seien. Auch die Notstandsgesetze während der Pandemie hätten viele Einschränkungen enthalten.

Dass Ungarn, wie von Orban behauptet, „sehr tolerant und geduldig gegenüber Homosexuellen“ sei, stimme „überhaupt nicht“, betonte Ungvary. Die Regierungspropaganda verfehle ihre Wirkung nicht. „Dieses Gesetz rückt Homosexualität in die Nähe der Pädophilie, und das ist sowieso ein Problem in einem traditionellen Land, wie man mit Homosexualität umgeht.“ Die Wirkung dieses Gesetzes sei „klar“. „Das ist einfach eine Hetze gegen eine Minderheit.“

Seit heute in Kraft

Das umstrittene Gesetz ist heute offiziell in Kraft getreten. Unter dem Vorwand des Jugendschutzes untersagt es öffentliche Darstellungen von Homosexualität, was von führenden europäischen Politikern und auch der EU-Kommission als eklatante Menschenrechtsverletzung qualifiziert wird. Mehrere EU-Staaten, darunter Österreich, haben das Gesetz öffentlich kritisiert, der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte legte seinem ungarischen Amtskollegen Orban nahe, doch die EU zu verlassen, wenn er ihre Werte nicht mittragen wolle. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einer „Schande“.