Der bulgarische TV-Komiker Slawi Trifonow.
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Parlamentswahl in Bulgarien

Komiker fordert System Borissow heraus

Die Parlamentswahl am Sonntag in Bulgarien dürfte äußerst spannend werden. Trotz der Gefahr einer erneuten Pattsituation hat sich die Ausgangslage verändert. Die GERB des bisherigen, und Korruptionsvorwürfen ausgesetzten Regierungschefs Bojko Borissow liefert der Protestpartei ITN des TV-Komikers Slawi Trifonow ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Ein Systemwechsel scheint möglich.

Eine große Unbekannte ist die Wahlbeteiligung. Dem System Borissow könnte je nach Beteiligung das endgültige Aus drohen. Bei der vorangegangenen Wahl im April ging der als proeuropäisch geltende Borissow mit seiner Partei GERB erneut als stimmenstärkste Kraft hervor, er musste jedoch herbe Verluste hinnehmen. Borissow stand bereits seit dem Jahr 2009 fast durchgehend an der Spitze der Regierung. Gegen ihn wurden jedoch vermehrt Korruptionsvorwürfe laut, die sich im vergangenen Jahr vor allem in Form von Straßenprotesten äußerten.

Auch die CoV-Politik von Borissow war stark in die Kritik geraten. Die Demonstranten warfen ihm vor, er stehe für ein durch und durch korruptes System bulgarischer Oligarchen. Die Vorwürfe wurden zuletzt durch US-Sanktionen weiter angeheizt. In der Bevölkerung wolle vor allem die jüngere Generation keine Rückkehr zum Status quo, man wisse aber noch nicht, wie genau es nun weitergehen solle, so die Politikwissenschaftlerin Welina Tschakarowa am Dienstag. Auch die Abwanderung junger Bulgaren und Bulgarinnen ist eine Folge davon, hieß es weiter.

Bulgarische Bürger demonstrieren in Sofia.
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Bulgarische Bürger und Bürgerinnen demonstrierten vor einem Jahr in der Hauptstadt Sofia

Umfrage zeigt Kopf-an-Kopf-Rennen

In den jüngsten Umfragen hatte GERB bei den Wählern und Wählerinnen weiter an Rückhalt verloren und liegt nun fast gleichauf mit der ITN („Es gibt so ein Volk“) von Trifonow. Trifonow kritisierte unter anderem die Korruption und die Verwendung von EU-Fördermitteln durch die Borissow-Regierung. Trifonow selbst hatte im April allerdings eine Regierungsbildung verweigert. Nach gescheiterten Versuchen steht eine interimistische Expertenregierung unter dem ehemaligen General Stefan Janew an der Spitze Bulgariens.

Der bulgarische Premierminister Bojko Borissow.
APA/Barbara Gindl
Bojko Borissow will wieder Premier werden

Laut aktuellen Umfragen könnten sechs Parteien die Hürde von vier Prozent überschreiten. Das Meinungsforschungsinstitut Market Links gibt die Unterstützung für GERB mit 19,7 Prozent an, während ITN auf 18,8 Prozent kommt. Auf Platz drei lagen rund eine Woche vor der Wahl die Sozialisten mit 16,9 Prozent, gefolgt von dem konservativen Wahlbündnis Demokratisches Bulgarien mit 12,5 Prozent. Ins nächste Parlament wird laut Umfrage die liberale Wirtschaftspartei der bulgarischen Türken, DPS, mit 9,5 Prozent einziehen, ebenso das Protestbündnis „Steh’ auf“ mit 5,4 Prozent. Die Vereinten Patrioten werden laut der Umfrage die Vierprozenthürde nicht schaffen.

Auf die Wahlbeteiligung kommt es an

Als große Unbekannte gilt die Wahlbeteiligung: Welches Lager kann bei der sommerliche Wahl mehr Wählerinnen und Wähler mobilisieren? Bei der Parlamentswahl kommen erstmals neuartige elektronische Wahlmaschinen zum Einsatz. Damit könnten deutlich mehr der knapp 2,5 Millionen Auslandsbulgaren wählen, wie Atanas Pekanow, stellvertretender Ministerpräsident der Übergangsregierung Janew und zuständig für die Verwaltung der europäischen Fonds, im Vorfeld der Wahl sagte.

Bulgarien steht vor Parlamentswahlen

Zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten wählt Bulgarien ein neues Parlament. Bei der vergangen Wahl im April wurde keine klare Mehrheit und damit auch keine Regierung hervorgebracht.

Pekanow war vor seiner Funktion in dem Expertenkabinett als Ökonom beim Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) tätig. Market Links zufolge dürfte die Wahlbeteiligung im Vergleich zu der vorangegangenen Wahl im April mit rund 58 Prozent unverändert bleiben und damit höher ausfallen als für eine Wahl im Hochsommer erwartet.

Der bulgarische Präsident Rumen Radew.
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Präsident Rumen Radew ist ein erklärter Gegner von Borissow

Expertin rechnet mit fragiler Mehrheit

Politische Beobachter und Beobachterinnen gehen von einer schwierigen Regierungsbildung in einem zersplitterten Parlament aus. „In jedem Fall ist mit fragiler Mehrheit und instabiler Koalition zu rechnen“, so die Direktorin des Thinktanks Alpha Research Institute, Boriana Dimitrowa. Laut Pekanow wäre es wichtig, dass die Nachfolgeregierung die Fragen der CoV-Krise behandle. „Keine Partei wird davon profitieren, das Land in die politische Instabilität zu führen“, so der Minister.

Sollte es nach der Wahl keine Einigung auf eine Regierung geben, würden wieder Neuwahlen im Herbst wahrscheinlich. Im Herbst wird allerdings auch die Präsidentschaftswahl abgehalten. Der jetzige Präsident und erklärte Borissow-Gegner Rumen Radew wird von den Sozialisten gestützt. Er hat bereits angegeben, wieder antreten zu wollen. Seit er im Amt ist, gibt es einen erbitterten Machtkampf zwischen ihm und Borissow. Bei den Protesten etwa stellte sich Radew auf die Seite der Demonstrantinnen und Demonstranten. Er wirft Borissow und dessen Regierung auch ein Naheverhältnis zu bulgarischen Oligarchen vor.