Mann trägt Schachteln mit Hilfslieferungen nahe dem Grenzübergang Bab al-Hawa
Reuters/Mahmoud Hassano
UNO-Sicherheitsrat

Einigung auf Syrien-Hilfe in letzter Minute

Der UNO-Sicherheitsrat hat sich auf die Fortsetzung der humanitären Hilfe für Millionen notleidende Syrer und Syrerinnen geeinigt. Bei einer Sitzung in New York beschloss das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen einstimmig die Verlängerung des wichtigen Hilfsmechanismus. Beinahe wäre eine Einigung gescheitert und die Hilfe ausgelaufen.

Hintergrund der Abstimmung ist eine seit 2014 bestehende UNO-Resolution, die am Samstag planmäßig ausgelaufen wäre. Die Regelung erlaubt es den Vereinten Nationen, wichtige Hilfsgüter über Grenzübergänge auch in Teile des Bürgerkriegslandes zu bringen, die nicht von der Regierung kontrolliert werden. Nun wurde sie um weitere sechs Monate verlängert. Die Resolution könnte in einem halben Jahr unter bestimmten Bedingungen erneut um sechs Monate verlängert werden.

Voraussetzung ist die Vorlage eines Berichts des UNO-Generalsekretärs bis Ende des Jahres zur „Transparenz der Einsätze und zum Fortschritt beim grenzüberschreitenden Zugang zur Deckung des humanitären Bedarfs“, wie es in der Resolution heißt. Eine erneute Abstimmung in sechs Monaten sei damit nicht zwingend erforderlich. Zuletzt wurde die Abstimmung vertagt, weil sich das 15-köpfige Gremium nicht einigen konnte.

Die USA und Russland haben die Einigung als wichtiges Zeichen für die Zusammenarbeit beider Länder gepriesen. Für Russlands UNO-Botschafter Wassili Nebensja könne sie ein „Wendepunkt“ für die Beziehungen beider Länder sein. Die US-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield meinte: „Ich sehe auf jeden Fall, dass es ein wichtiger Moment in unserer Beziehung ist.“ Hilfsorganisationen reagierten mit großer Erleichterung auf den Beschluss. Denn dass dieser erreicht wird, war bis zuletzt unklar.

Russlands Rolle im Konflikt

Russland, das die syrische Führung von Staatschef Baschar al-Assad stützt, hat in den vergangenen Monaten signalisiert, dass es auch den letzten von einst vier Grenzübergängen – Bab al-Hawa im Nordwesten – schließen möchte. Die Hilfsgüter sollten stattdessen zuerst in die von der syrischen Führung kontrollierte Hauptstadt Damaskus gebracht und von dort aus in Rebellengebiete geliefert werden.

Menschenschlange als Protest gegen Grenzschließung
Reuters/Mahmoud Hassano
Gegen eine bevorstehende Schließung des Grenzübergangs wurde auch protestiert

Die UNO und auch viele Fachleute lehnten diesen Vorschlag in der Vergangenheit stets ab. Aus ihrer Sicht bliebe die Hilfe für Menschen in Rebellengebieten damit Assads Willen überlassen. Die UNO und Hilfsorganisationen warnten vor der Abstimmung des UNO-Sicherheitsrats vor einer humanitären Katastrophe, falls die bestehende Regelung nicht fortgeführt wird.

Nach UNO-Angaben sind 80 Prozent der Bevölkerung im Nordwesten Syriens auf die Lieferungen angewiesen. Im vergangenen Jahr hätten jeden Monat etwa tausend Lastwagen mit humanitären Hilfsgütern die Grenze überquert, um etwa 2,4 Millionen Menschen zu unterstützen. Laut UNO gibt es in Syrien derzeit so wenig zu essen wie nie zuvor seit Beginn des Bürgerkriegs.

Einfluss Bidens auf Putin?

Die zähen Verhandlungen am New Yorker East River hatten sich über Monate hingezogen, bevor es am Freitag zum Showdown im Sicherheitsrat kam. Die Ratsmitglieder Norwegen und Irland legten einen Resolutionsentwurf vor, wonach der Grenzübergang Bab al-Hawa für zwölf Monate offen gehalten würde. Moskau brachte einen Gegenentwurf mit einer Laufzeit von nur sechs Monaten ein. Russland hat wie auch China, die USA, Frankreich und Großbritannien ein Vetorecht im mächtigsten UNO-Gremium.

Sicherheitsratskreisen zufolge verhielt sich die russische Seite zuletzt etwas konstruktiver als in der Vergangenheit. Viel Hoffnung wurde auf den Einfluss einer neuen US-russischen Dynamik nach dem Treffen der Präsidenten Joe Biden und Wladimir Putin im Juni in Genf gesetzt, wo die beiden Staatsoberhäupter auch die Syrien-Hilfe besprochen hatten.

Wichtig dürften für Russland auch seine politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zur Türkei sein. Ankara befürchtet, dass eine Schließung des Grenzübergangs von Bab al-Hawa einen Strom von Flüchtlingen aus dem Nordwesten Syriens in die Türkei nach sich ziehen könnte.