Landschaftsaufnahme in der Lobau, Nationalpark Donauauen
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ÖVP – Grüne

Lobautunnel bleibt Spaltpilz

Das Thema Lobautunnel sorgt weiterhin für Differenzen in der Koalition. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) hatte Anfang Juli dessen Evaluierung und die anderer Straßenbauprojekte angekündigt und zeigte sich von Kritik daran bisher unbeeindruckt. Nun wirft ihr die ÖVP „Alleingänge“ vor, auch aus den Bundesländern hält der Gegenwind an.

In einem Interview mit der „Presse“ (Freitag-Ausgabe) kritisierte Umweltstaatssekretär Magnus Brunner (ÖVP), die Ministerin habe mit ihrer Ankündigung „Verunsicherung“ geschaffen und müsse nun „Klarheit schaffen“. Die Bundesländer seien vor den Kopf gestoßen worden. „Ich stehe zu diesen Projekten“, so Brunner. „Es gibt Verfahren, die schon abgeschlossen sind, Millionen an Euro wurden investiert. Jetzt hängt alles in der Luft.“

Seit das Umwelt- und Verkehrsministerium die Prüfung der Neubauprojekte der Infrastrukturgesellschaft ASFINAG bekanntgegeben hat, was unter anderem auch den Umfahrungsring im Nordosten Wiens inklusive Lobautunnel betrifft, weht Gewessler heftiger politischer Gegenwind auch aus den Bundesländern entgegen.

Bundeskanzler aufseiten der Länder

Am Freitag hatte sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an die Seite der Länder gestellt und erklärt: „Wir brauchen eine gute Infrastruktur, gerade im ländlichen Raum.“ Er sei „sehr, sehr optimistisch, dass sich hier auch der Hausverstand durchsetzen wird“, schließlich handle es sich um langjährige Projekte, da sei die Sache eindeutig.

Kurz kritisiert ASFINA-Baustopp

Verkehrsministerin Gewessler (Grünen) hat vor einer Woche verlautbart, dass alle noch nicht im Bau befindlichen Straßenbauprojekte der ASFINAG – vor allem unter dem Aspekt des Klimaschutzes – geprüft werden. Heftige Kritik kam daraufhin von den Bundesländern. Nun stellt sich der Kanzler auf deren Seite.

Auch die Wirtschaftsagentur Wien pochte am Freitag auf den Bau der Umfahrung und des Lobautunnels – mehr dazu in wien.ORF.at. In Vorarlberg stößt die Evaluierung des Projekts Bodensee Schnellstraße (S18) auf breiten Widerstand – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

ÖVP fordert „mehr Realismus“

„Lobautunnel und Bodensee-Autobahn brauchen wir“, sagte der Vorarlberger Brunner gegenüber der „Presse“ und forderte „mehr Realismus und Ehrlichkeit in der Klimadebatte“. „Wer Ja zum Klimaschutz sagt, muss auch Ja zum Infrastrukturausbau sagen.“

Die Frage, ob die von ihm kritisierten Alleingänge eine Gefahr für die Koalition von Volkspartei und Grünen darstellen könnten, verneinte der ÖVP-Staatssekretär allerdings: „Nein. Die Ziele einen uns, die Wege dahin sind unterschiedlich. Aber das ist in einer Koalition normal. Solang wir auf Augenhöhe diskutieren, wird es funktionieren.“

„Klimaschutz ist keine Ideologie“

Gewessler zeigte sich zuletzt von der Kritik an ihrer Entscheidung unbeeindruckt. Gegenüber der „Presse“ sagte sie, die Pläne für die Evaluierung der ASFINAG-Projekte bereits im Dezember 2020 in einer parlamentarischen Anfrage bekanntgemacht zu haben. „Insofern überrascht mich eher die Überraschung“, so Gewessler.

Im Interview mit der ZIB2 sagte sich am Mittwoch, eine Basis für weitere Entscheidungen werde es erst nach Abschluss der Evaluierung im Herbst geben. „Es kann eine Entscheidung auch sein, dass wir jetzt draufkommen, Entscheidungen, die wir vor zehn, vor 20, vor 30 Jahren eingeleitet haben, dass die vielleicht aus heutiger Sicht nicht mehr so vernünftig sind, wie sie vor 30 Jahren waren.“

Gewessler zu Ökostrom und Straßenbaustopps

Für Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) sind Entscheidungen, „die wir vor zehn, vor 20, vor 30 Jahren eingeleitet haben“, nicht unbedingt in Stein gemeißelt, wie sie im Interview mit der ZIB2 erklärte.

Im Pressefoyer des Ministerrats sagte Gewessler, Klimaschutz sei „keine Ideologie, Klimaschutz ist ein Fakt“, und reagierte damit auf Kritik von Finanzminister und ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel. Er hatte gegenüber Ö1 gemeint, dass er Verständnis dafür habe, „wenn bei manchen der Eindruck entsteht, dass es hier weniger um sachliche Überprüfung und Verbesserungsmöglichkeiten, sondern mehr um Ideologie geht“.

"Unverständnis auch aufseiten der Grünen

Für die Grünen rückte am Samstag Klimaschutz- und Energiesprecher Lukas Hammer aus, um sein „Unverständnis“ kundzutun. „Wir haben uns im Regierungsprogramm darauf geeinigt, bis 2040 klimaneutral zu werden.“

„Jedes einzelne Regierungsmitglied – und auch der für Luftverkehr zuständige Staatssekretär im Klimaschutzministerium – hat in seinem Wirkungsbereich daran mitzuarbeiten, dass wir diese ambitionierten Klimaschutzziele auch erreichen“, richtete er Brunner per Aussendung aus.

Für FPÖ „brennt der Koalitionshut“

Gewessler sehe sich an, ob Autobahnprojekte, die vor über 20 Jahren geplant worden seien, „mit dem Erreichen unserer gemeinsamen Ziele vereinbar sind“, sagte Hammer. Ein Klimacheck sei im Regierungsprogramm vereinbart worden, daher sei es auch „ratsam, sich zu einer wissenschafts- und faktenbasierten Klimapolitik zu bekennen“, empfahl Hammer dem Koalitionspartner. „Es hat sich bereits in der Pandemiebekämpfung bewährt, auf die Wissenschaft zu hören. Daher ist auch in der Klimakrise die Wissenschaft die bessere Ratgeberin.“

„Der Koalitionshut brennt an allen Ecken und Enden“, analysierte währenddessen FPÖ-Verkehrssprecher Christian Hafenecker. Bundeskanzler Kurz solle „ein Machtwort“ sprechen und Gewessler „auf den Boden der Vernunft“ zurückholen, denn diese entpuppe „sich immer mehr als ‚unguided missile‘“, so Hafenecker.