Abschiebungen nach Afghanistan auf Tapet der EU-Minister

Nicht erst seit dem Tod einer 13-Jährigen in Wien sind Abschiebungen nach Afghanistan wieder auf der politischen Agenda. Die afghanische Regierung forderte erst am Wochenende die europäischen Staaten auf, Abschiebungen in das Krisenland für drei Monate auszusetzen.

Als Grund dafür wurde nicht nur der schnelle Vormarsch der Taliban genannt, die nun den Abzug der internationalen Truppen nutzen, sondern auch die steigenden CoV-Zahlen im Land. Die vielen Krisen in Afghanistan dürften wieder mehr Menschen nach Europa ziehen.

Den Wunsch des Landes, die Abschiebungen auszusetzen, nannte ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg ein „Druckmittel gegen die EU“. Heute beraten die EU-Außenminister in Brüssel zum Thema. Die EU sei auch nach dem Truppenabzug weiterhin im Land engagiert, zudem gehöre man zu den größten Geldgebern, so Schallenberg.

Dass Afghanistan nun drohe, die Abschiebungen auszusetzen, gehöre nicht zum guten Umgang mit dem Partner EU. „Wir haben Verträge und die sind einzuhalten“, so Schallenberg zu ORF.at. Schon Belarus und die Türkei hätten das Thema Migration als Druckmittel verwendet, „die EU muss hier nun endlich aufwachen“, sagte Schallenberg.

Begrenzte Möglichkeiten

Mehrere EU-Staaten, darunter Österreich, schieben trotz der prekären Sicherheitslage im Land weiterhin Menschen nach Afghanistan ab. NGOs wie die asylkoordination, der Verein Autonome Frauenhäuser und ZARA fordern einen Abschiebestopp nach Afghanistan. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erteilte dieser Forderung wiederholt eine Absage. Beim Treffen in Brüssel wird beraten, wie die EU auf die Abschiebe- und Sicherheitsproblematik in Afghanistan reagieren soll.

Möglich wäre etwa, mehr Geld ins Land fließen zu lassen, um die Lage zu stabilisieren, Sicherheitsbehörden zu schulen und NGOs zu unterstützen. Man wolle zeigen, dass sich die EU aus Afghanistan nicht völlig abmeldet. Die Möglichkeiten aber sind begrenzt.

Libanon: „Rute im Fenster“

Ein weiteres Thema beim Treffen der EU-Außenmminister ist der Libanon. Das Land ist von Korruption, Wirtschaftskrise und der Explosionskatastrophe in Beirut im vorigen Jahr geschwächt. Laut dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten Hassan Diab ist der Libanon nur „ein paar Tage von einer sozialen Explosion entfernt“.

Dennoch gibt es Stimmen aus Frankreich, die wegen der schleppenden Regierungsbildung und Korruption nach Sanktionen rufen. Das würde sich wohl stark auf die ohnehin schon schwere Krise im Land auswirken. Laut Schallenberg geht es darum, „dem Libanon die Rute ins Fenster zu stellen“. Man habe Reformen angestoßen, die nicht ins Rollen kommen. Ob am Ende des Diskussionsprozesses tatsächlich Sanktionen herauskommen, ist offen.