Ein Angestellter putzt einen VW ID3 in der „Gläsernen Manufaktur“ in Wolfsburg (Deutschland)
APA/AFP/Jens Schlueter
Verbrenner unattraktiv

Wendepunkt in der Autoindustrie

Am Dienstag hat VW die Weichen für die kommenden Jahre gestellt – und bereitet sich auch auf ein Ende des Verbrennungsmotors vor. Damit ist das Unternehmen nicht alleine, in den vergangenen Wochen fixierten mehrere große Konzerne ihren Kurswechsel, der sich schon seit Jahren angekündigt hatte. Jetzt könnten erstmals Verbrenner weniger profitabel als E-Autos werden. Und auch die EU-Kommission will ein starkes Zeichen setzen.

VW will bis 2030 die Hälfte seines gesamten Modellangebots auf E-Autos umgestellt haben, wie Vorstandschef Herbert Diess am Dienstag bei der Vorstellung der neuen Unternehmensstrategie sagte. Die größte europäische Autogruppe plant zudem, im laufenden Jahrzehnt den realen CO2-Fußabdruck pro Wagen über den gesamten Lebensabschnitt eines Fahrzeugs um 30 Prozent gegenüber dem Niveau von 2018 zu senken.

Bis 2040 will der nach Toyota zweitgrößte Autokonzern der Welt dann einen Anteil von „fast 100 Prozent aller neuen Fahrzeuge in den wichtigen Märkten“ schaffen, die bilanziell klimaneutral unterwegs sind. Eine konzernweit komplett ausgeglichene CO2-Bilanz wird spätestens für das Jahr 2050 angestrebt.

Ein VW-Mitarbeiter lädt einen VW ID4
Reuters/Matthias Rietschel
Bis 2030 will VW die Hälfte der Flotte auf E-Antrieb umstellen

VW-Entwicklungschef: Verbrenner als „enorme Aufgabe“

Auch wenn VW die Ziele niedriger ansetzt als andere Konzerne – die neuen Regeln der EU treiben den Kurswechsel offenbar voran: VW-Entwicklungschef Thomas Ulbrich sagte gegenüber der „Financial Times“ („FT“), dass die neue Abgasnorm Euro 7 eine „enorme Aufgabe“ für Verbrenner darstelle. Die Fahrzeuge brauchten teure Technologie, um mit den angedachten Regeln konform zu gehen.

Wenn er jetzt gefragt werde, wann der Zeitpunkt sei, an dem Verbrennungs- und Elektromotoren beim Profit gleichziehen, dann stelle „Euro 7 eine riesige Herausforderung für die Welt der Verbrennungsmotoren dar“, so Ulbrich. Die „FT“ schreibt, dass Ulbrichs Ausblick eine der drastischsten Prognosen der Autoindustrie sei, die bisher „immer noch viel mehr Geld mit dem Verkauf von traditionellen Benzinmotoren verdient als mit Elektroautos“.

Opel wird bis 2028 rein elektrisch

Neben VW gaben in den vergangenen Wochen auch andere Konzerne ihre Strategie für die kommenden Jahre vor. Stellantis, jener Konzern, der aus der Fusion von Fiat-Chrysler und Peugeot-Citroen entstanden ist, wird etwa bis 2025 mehr als 30 Milliarden Euro in E-Autos und Hybride investieren. Damit befinde man sich deutlich über dem Investitionsdurchschnitt der Branche, hieß es vergangene Woche von dem Konzern.

Zugedeckte Verbrennungsmotoren im Opel-Werk in Wien-Aspern
APA/Hans Klaus Techt
Opel, hier das Werk in Aspern, soll bis 2028 zur E-Auto-Marke werden

Ziel ist es, dass bis 2030 mehr als 70 Prozent der in Europa abgesetzten Autos E-Fahrzeuge sein werden. In den USA sollen es 40 Prozent sein, so Stellantis. Und: Mit Opel soll eine enorm bekannte Marke bis 2028 in Europa überhaupt nur noch E-Autos anbieten. Das betrifft auch das Kultauto der Marke: „Wir werden Mitte des Jahrzehnts den Manta neu erfinden“, sagte Opel-Chef Michael Lohscheller. Erst am Dienstag wurde bekannt, dass Lohscheller am 1. September an der Spitze des Unternehmens abgelöst wird. Mit dem E-Auto-Angebot will die deutsche Traditionsmarke aus Rüsselsheim außerdem auf den global wichtigsten Automarkt China gehen.

Auch andere Hersteller mit ambitionierten Zielen

Peugeot-Rivale Renault will bis Ende des Jahrzehnts neun von zehn Neuwagen mit reinem Elektroantrieb anbieten und plant ebenfalls Neuauflagen beliebter Modelle der Vergangenheit. BMW hat sich eine E-Auto-Quote von 50 Prozent für den gleichen Zeitraum vorgenommen. Daimler hat ein ehrgeizigeres Ziel für die Pkw-Tochter Mercedes-Benz angekündigt als das seit 2019 geltende, nach dem mehr als 50 Prozent des Absatzes dann E-Autos oder Hybridmodelle sein sollen.

Kräftige Investments in Batterien

Damit gewinnt vor allem eine Komponente wohl in Zukunft noch mehr an Bedeutung: die Batterien. Praktisch alle Hersteller investieren kräftig in die Herstellung – mit einem Schwerpunkt auf Produktion in Europa. Der chinesische Envision-Konzern will etwa in Nordfrankreich bis zu zwei Milliarden Euro in eine Batteriefabrik investieren und dem Autohersteller Renault zuliefern. Mit der Partnerschaft will der Autohersteller bei E-Autos wettbewerbsfähiger werden. Envision AESC sei bereits Partner des japanischen Herstellers Nissan, mit dem Renault in einer Allianz verbunden ist.

Auch VW kündigte in der Präsentation am Dienstag an, dass man eine Batteriefabrik im deutschen Salzgitter bauen werde, gemeinsam mit dem chinesischen Akkuexperten Gotion High-Tech. Und bei Stellantis steht im Raum, dass man künftig Lithium für die Batterien aus Deutschland beziehen wolle.

Von der Leyen will Aus für Verbrenner auf den Weg bringen

Schon am Mittwoch will die EU ihr großes Klimapaket unter dem Titel „Fit for 55“ vorstellen, mit dem die Klimaziele erreicht werden sollen. Dabei will die Kommission das Aus für alle herkömmlichen Benzin- und Dieselautos auf den Weg bringen. „In den vergangenen Wochen hat etwa ein Dutzend Hersteller in der EU angekündigt, zwischen 2028 und 2035 auf emissionsfreie Produktion umzusteigen. Wir werden dennoch einen zeitlichen Rahmen vorgeben, bis zu dem alle Autos emissionsfrei sein müssen“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen der „Süddeutschen Zeitung“. Sonst fehle Planungssicherheit, und man werde die Klimaneutralität bis 2050 nicht erreichen.

„Wie sie ihre Produktion verändern, bleibt den Herstellern aber selbst überlassen“, sagte die Politikerin. „Die wissen am besten, wie man neue Autos oder neue Kraftstoffe entwickelt.“ Neben elektrischen Autos können auch Verbrennermotoren klimaneutral sein, wenn sie mit Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen betrieben werden. Richtig hergestellt werden durch diese Energieträger unterm Strich keine zusätzlichen Treibhausgase ausgestoßen.

Langer Prozess erwartet

Allerdings ist das Paket lediglich ein erster Schritt der EU, immerhin müssen sich Parlament und Mitgliedsstaaten einig werden. Angesichts der großen Bedeutung der Autoindustrie in Deutschland wohl kein leichtes Unterfangen, das sich über Jahre ziehen könnte. Die Vorschläge dürften wohl weder Umweltorganisationen noch die Industrie glücklich stimmen.

Die Autohersteller warnten im Vorfeld, dass mit schärferen Auflagen bei Kohlendioxid auch eine Erweiterung der Infrastruktur einhergehen müsse. Für jeden weiteren Prozentpunkt der Zielverschärfung benötige man zusätzlich mindestens 200.000 weitere öffentliche Ladepunkte für Elektrofahrzeuge – über die bereits erforderlichen drei Millionen Stück im Jahr 2030 hinaus, sagte der BMW-Chef und Präsident des europäischen Herstellerverbandes ACEA, Oliver Zipse, der dpa in Brüssel.

Spanien prescht vor

Spanien hatte schon zuvor angekündigt, mit milliardenschweren Investitionen dafür zu sorgen, dass Elektroautos künftig auch im eigenen Land gebaut werden. Zunächst sollten dafür 4,3 Mrd. Euro eingesetzt werden, die weitere 15 Mrd. Euro aus der Privatwirtschaft nach sich ziehen könnten, sagte Ministerpräsident Pedro Sanchez am Montag. Spanien wolle dabei die gesamte Produktionskette im Land haben, von der Lithium-Herstellung über Batteriefabriken bis hin zum Bau der Fahrzeuge selbst.

Spanien mit der VW-Tochter Seat ist nach Deutschland der zweitgrößte Autohersteller in Europa und die Nummer acht weltweit. Die Förderung der E-Auto-Produktion soll nach Angaben von Sanchez mit Geld bezahlt werden, das Spanien im Rahmen des EU-Wiederaufbaufonds erhält.