Eine Person hält eine Verpackung mit Spritzen
APA/AFP/Ina Fassbender
Sorge wegen Delta-Variante

Debatte über Impfpflicht bricht los

Frankreich und Griechenland haben zuletzt eine Teilimpfpflicht angekündigt und befeuern damit eine seit Längerem immer wieder aufflackernde Debatte: Soll eine teilweise geltende oder umfassende Impfpflicht eingeführt werden, um die für eine Herdenimmunität nötige Impfrate zu erreichen? Österreich und Deutschland etwa winken ab, auch wenn sich mehr und mehr Fachleute eine Pflicht etwa im Gesundheitsbereich vorstellen können.

Die Sorge vor einer weiteren Pandemiewelle aufgrund der Delta-Variante ist groß. Deshalb – und um den Sommertourismus nicht zu gefährden – werden Maßnahmen in immer mehr europäischen Ländern verschärft – dazu zählt auch eine Impfpflicht, freilich „nur“ in sensiblen Bereichen, etwa für Gesundheits- und Pflegepersonal. Manche machen sich auch für eine Impfpflicht für Lehrerinnen und Lehrer und Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen stark. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) plädierte am Dienstag aber stattdessen dafür, die Aufklärung zu verbessern.

Mückstein kann sich neben Aufklärung auch Anreize vorstellen. Laut Ministerium ist man diesbezüglich in Gesprächen mit den Bundesländern, die in vielen Fällen die Arbeitgeber sind. In Wien verordnete der Gesundheitsverbund bereits eine Impfpflicht für Neuanstellungen, diese Regelung soll auch in Sozialeinrichtungen folgen. Niederösterreich und das Burgenland planen ähnliche Schritte. In der Steiermark sollen Geimpfte bevorzugt werden. Salzburg will eine bundesweite Lösung, Kärnten und Oberösterreich sind gegen eine Impfpflicht im Gesundheitsbereich. Vorarlberg und Tirol haben sich noch nicht festgelegt.

Gartlehner: Zuerst Info verbessern

Auch der Epidemiologe Gerald Gartlehner hatte Montagabend in der ZIB2 dafür plädiert, zuerst zu versuchen, Unentschlossene mit genauerer Information über Vor- und Nachteile der Impfung und genauere Darstellung der Studien, auf denen die Einschätzung beruht, zu überzeugen. Jene, die jetzt noch unentschlossen seien, würden genauere Infos haben und selbst auf Basis der Studien- und Faktenlage entscheiden wollen, zeigte sich Gartlehner überzeugt. Eine Impfpflicht für Gesundheitspersonal kann sich Gartlehner sehr wohl vorstellen. Eine Verpflichtung von Lehrenden lehnte er unter Verweis darauf, dass Erkrankungen bei Kindern in der Regel milde verlaufen, ab.

Gartlehner: „3-G-Regel“ strenger gestalten

Epidemiologe Gerald Gartlehner von der Donau-Universität Krems über die aktuelle epidemiologische Situation in Österreich.

Spielraum gibt es noch bei den Anreizen. Gesetzt wird offenbar darauf, dass die Testpflicht aufgrund der Zutrittsregeln („3-G“-Nachweis) einige zu einer Impfung bewegen könnte. Auch darüber, das Testangebot kostenpflichtig zu machen, denken manche bereits laut nach. Von öffentlicher Seite wird das für die Zukunft nicht ausgeschlossen, derzeit aber abgelehnt. Griechenland setzt hier nun auf einen verschärften Ansatz, indem nur noch Geimpfte (nicht aber Getestete) Zutritt zu Restaurants, Kinos und Theatern bekommen.

Merkel: 85 Prozent Impfquote nötig

In Deutschland schloss Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag eine Impfpflicht aus. „Wir haben nicht die Absicht, diesen Weg zu gehen“, sagte Merkel mit Blick auf Frankreich, wo es eine Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen geben wird. Eine solche Pflicht würde Vertrauen verspielen. Stattdessen gehe die deutsche Regierung weiter den Weg, für das Impfen zu werben. Merkel appellierte entsprechend an die Menschen, sich impfen zu lassen. „Die zentrale Frage ist, wie viele Menschen lassen sich impfen“, sagte Merkel bei einem Besuch des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Berlin mit Blick auf die wieder steigenden Infektionszahlen.

Eine Impfquote von 85 Prozent bei den Zwölf- bis 59-Jährigen sei nötig. Davon sei man noch weit entfernt. „Je mehr geimpft sind, umso freier werden wir wieder sein“, sagte die Kanzlerin. Alle, die noch unsicher seien, mahnte sie: „Eine Impfung schützt nicht nur Sie, sondern auch immer jemanden, der Ihnen nahesteht.“

Spahn für „kreative Impfaktionen“

Auch Gesundheitsminister Jens Spahn verlangte mehr Anstrengungen zum Voranbringen der Impfkampagne: „Egal ob auf dem Markt- oder Sportplatz, vor Kirchen, Moscheen oder im Drive-in: Wichtig sind jetzt kreative Impfaktionen vor Ort, um Unentschlossene zu erreichen“, twitterte Spahn.

Ein Mann mit Mund-Nasen-Schutz sieht sich auf einem Laptop die Rede des französischen Präsidenten Emmanuel Macron an
AP/Cal Sport Media/ESPA Photo Agency
Ein Journalist in Cannes verfolgt Macrons Rede Montagabend

Teilpflicht von Frankreich bis Griechenland

Einige europäische Länder und Gebiete haben eine CoV-Impfpflicht nur für bestimmte Bevölkerungs- oder Berufsgruppen erlassen. In Frankreich müssen sich alle Mitarbeiter von Krankenhäusern, Alters- und Pflegeheimen spätestens bis zum 15. September impfen lassen. Präsident Emmanuel Macron begründete das in einer Fernsehansprache mit der rapiden Ausbreitung der Delta-Variante – und löste einen Anmeldungsboom aus. Nichtgeimpfte müssen künftig – wie in Österreich – einen negativen Testnachweis vorlegen, um Zutritt zu Gastro und Kulturstätten zu bekommen.

Kurz zuvor hatte auch Griechenland eine Teilimpfpflicht angekündigt. Nach Angaben von Regierungschef Kyriakos Mitsotakis gilt sie ab Mitte August für Mitarbeiter in Altersheimen und ab dem 1. September für den Gesundheitsbereich. In Italien sind Ärzte und anderes medizinisches Personal seit dem 25. Mai zur Immunisierung verpflichtet. Andernfalls droht ihnen ein Verbot, mit Patienten zu arbeiten. Gegen diese Auflage haben rund 300 Betroffene geklagt, für Mittwoch ist eine Gerichtsanhörung dazu geplant.

Die britische Regierung hatte bereits vor Wochen angekündigt, dass alle Mitarbeiter von Seniorenheimen vollständig geimpft sein müssen. Die Impfpflicht gilt somit auch für Friseure und andere Dienstleister sowie freiwillige Helfer.