Demonstranten in Havanna
Reuters
Festnahmen, Vermisste, ein Toter

Hartes Vorgehen gegen Proteste in Kuba

Den für Kuba außergewöhnlichen Protesten begegnet das kommunistische Regime mit Härte. Am Sonntag waren in mehreren Städten Tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die politische Führung, die Wirtschaftskrise im Land verbunden mit Strom- und Lebensmittelknappheit zu demonstrieren. Nun wurde bekannt, dass ein Demonstrant starb. Über 140 Menschen wurden laut Amnesty willkürlich festgenommen. Einige gelten als vermisst.

Unter den Festgenommenen waren prominente Dissidenten sowie Journalisten, wie die Amerikadirektorin der Menschenrechtsorganisation, Erika Guevara-Rosas, berichtete. Das kubanische Innenministerium bestätigte den Tod eines 36-Jährigen und erklärte sein „Bedauern“. Er habe sich laut kubanischer Nachrichtenagentur an den „Unruhen“ im Land in einem Vorort von Havanna beteiligt. Zudem seien mehrere Bürger und Sicherheitsbeamte verletzt und ins Krankenhaus gebracht worden.

Die Massenproteste vom Sonntag gelten als die größten seit mehreren Jahrzehnten in Kuba. Auch am Montag und Dienstag soll es kleinere Demonstrationen gegeben haben. Eine Überprüfung der Informationen ist schwierig. Der Internetzugang in Kuba wurde eingeschränkt, nur wenige Informationen drangen nach außen. So seien Facebook und die zum Konzern gehörenden Dienste Instagram und WhatsApp sowie Telegram seit Montag teilweise blockiert, berichtete NetBlocks, eine Internetbeobachtungsfirma mit Sitz in London. Der Kurznachrichtendienst Twitter erklärte, keine Störungen festgestellt zu haben.

Historische Proteste in Kuba

Die ersten Massenproteste gegen die kommunistische Regierung Kubas seit Jahrzehnten: In vielen Städten des seit mehr als 60 Jahren autoritär regierten Karibik-Staates sind Tausende auf die Straßen gegangen, um gegen Mangelwirtschaft und Unterdrückung zu protestieren.

Festnahme live im spanischen Fernsehen

„Wegen des fehlenden Zugangs kostet es viel Mühe, von Zahlen zu sprechen: von Toten, Verletzten und Verschwundenen. Aber es gibt sie“, schrieb der Journalist Abraham Jimenez Enoa auf Twitter. In einer Facebook-Gruppe wurden zahlreiche Menschen als vermisst gemeldet. Die Presse werde ins Visier genommen, twitterte die Journalistin Yoani Sanchez. In Wohnungen von Aktivisten und Journalisten gebe es Polizeieinsätze.

Während eines live ausgestrahlten Interviews im spanischen Fernsehen wurde offenbar eine YouTuberin festgenommen. Mitten in der Sendung „Todo es Mentira“ des Senders Cuatro unterbrach die junge Frau, die sich Dina Stars nennt, plötzlich einen anderen Gast und sagte: „Die Sicherheitskräfte sind da draußen.“ Die Frau ging an die Wohnungstür, trat kurz darauf wieder vor die Kamera und erklärte, sie werde mitgenommen.

Die ranghohe US-Diplomatin Julie Chung verurteilte die Gewalt gegen die Demonstrierenden, deren Festnahmen sowie das „Verschwinden unabhängiger Aktivisten“. Spaniens Außenminister Jose Manuel Albares zeigte sich bestürzt über die Festnahme der kubanischen Journalistin Camila Acosta, die für die konservative spanische Zeitung „ABC“ und die oppositionelle Website Cubanet gearbeitet hatte. Acosta müsse „sofort“ freigelassen werden, sagte Albares.

Führung beriet über Proteste

Der amtlichen kubanischen Zeitung „Granma“ zufolge traf sich Präsident Miguel Diaz-Canel am Dienstag mit seinem Vorgänger Raul Castro sowie den übrigen Mitgliedern des Politbüros der Kommunistischen Partei, um über die Proteste zu beraten. Laut „Granma“ nahmen die Politiker eine „Analyse der von konterrevolutionären Elementen orchestrierten Provokationen“ vor, „die von den USA zum Zweck der Destabilisierung“ Kubas finanziert worden seien.

Schon am Sonntag hatte Diaz-Canel, der erst im April die Führung der Kommunistischen Partei von Castro übernommen hatte, den USA die Schuld am Ausbruch der Proteste gegeben. Auch Außenminister Bruno Rodriguez warf der US-Regierung vor, die Demonstrationen „mit ihrer Politik der Sanktionen und einer Kampagne im Internet“ provoziert zu haben. Die Proteste seien keineswegs als „sozialer Zornesausbruch“ zu werten, sagte Rodriguez. Es habe sich um Unruhen „in einem sehr begrenzten Umfang“ gehandelt. Die Menschen stünden weiter „hinter der Revolution und ihrer Regierung“.

„Stimme der Menschen respektieren“

US-Präsident Joe Biden bekundete seine Unterstützung für die Demonstranten in Kuba. Die USA reagierten bereits nach den Massenprotesten am Sonntag besorgt auf die Reaktion der politischen Führung und deren „Aufrufe zum Kampf“. Am Dienstag forderten die USA Kuba erneut auf, die Beschränkungen im Netz aufzuheben und „die Stimme der Menschen zu respektieren“. Es müsse der Zugang zu „allen Kommunikationsmitteln“ gewährt werden, „online und offline“, betonte US-Außenamtssprecher Ned Price.

US-Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas warnte Kubaner und Kubanerinnen unterdessen, wegen der Situation in ihrem Land die gefährliche Flucht über den Seeweg in die USA zu versuchen. „Egal welche Nationalität sie haben – Migranten, die auf See abgefangen werden, wird die Einreise in die Vereinigten Staaten nicht erlaubt“, stellte Mayorkas klar.

Das autoritär regierte Kuba kämpft seit Jahren mit einer Wirtschaftskrise. Deren Konsequenzen sowie der mangelhafte Umgang der Regierung mit der CoV-Pandemie lösten nun die Proteste aus. Zudem leidet das Land unter den seit Jahrzehnten geltenden US-Sanktionen, die unter dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump noch verschärft wurden.