Arbeiter auf einer Baustelle
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Zugang zu Jobs

Einschränkungen für Asylwerber aufgehoben

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat zwei Erlässe aus dem Jahr 2018 bzw. 2004, die die Beschäftigung von Asylwerbenden eingeschränkt hatten, als gesetzwidrig aufgehoben. Die Erlässe seien nämlich als Verordnungen einzustufen und hätten im Bundesgesetzblatt kundgemacht werden müssen – das ist aber nie passiert. Das Arbeitsministerium strebt offenbar an, die bisherige Praxis beizubehalten.

Sobald die Aufhebung kundgemacht wurde, können Asylwerber und Asylwerberinnen bei Vorliegen aller sonstigen Voraussetzungen nicht nur als Erntehelfer und Erntehelferinnen und Saisonkräfte, sondern in allen Bereichen beschäftigt werden.

Der Erlass von 2018 sah – in Verbindung mit jenem aus dem Jahr 2004 – vor, dass Beschäftigungsbewilligungen für Asylwerberinnen und Asylwerber nur bei befristeter Beschäftigung als Saisonarbeiter bzw. Saisonarbeiterinnen oder Erntehelfer bzw. Erntehelferinnen erteilt werden dürfen.

Der Erlass aus dem Jahr 2004 stammte vom damaligen Arbeitsminister Martin Bartenstein (ÖVP) und besagte, dass Asylwerbende nur in der Erntearbeit oder Saisonarbeit eingesetzt werden dürfen. Jener aus dem Jahr 2018 ist von der damaligen Arbeitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) und beseitigte den Zugang von Asylwerberinnen und Asylwerbern zur Lehre.

Aufhebung aus formalen Gründen

Aufgrund der Beschwerde einer Spenglerei hatte der VfGH in der März-Session beschlossen, von Amts wegen ein Verordnungsprüfverfahren zum Erlass von 2018 bzw. 2004 einzuleiten. Das Verfahren habe bestätigt, dass „sich diese Erlässe nicht in einer bloßen Information über die geltende Rechtslage erschöpfen, sondern darüber hinaus verbindliche (einschränkende) Regelungen über die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen für Asylwerbende enthalten“, erklärte der VfGH.

VfGH-Spruch zur Beschäftigung von Asylwerbern

Der Verfassungsgerichtshof hat zwei Erlässe aufgehoben, die den Arbeitsmarkt für Asylwerber beschränken. Der VfGH hat diese Bestimmungen als „gesetzwidrig“ aufgehoben.

Das bedeutet: Die Aufhebung erfolgte aus rein formalen Gründen, weil der Inhalt der Erlässe verbindliche Regeln enthält und diese somit Verordnungen gleichkommen, die kundgemacht werden müssen. Die ÖVP-Grünen-Regierung und ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher könnten nun aber etwa versuchen, die gesetzwidrigen Erlässe mit demselben Inhalt als Verordnungen kundzumachen oder gar neue Einschränkungen vorzunehmen. „Ziel des Arbeitsministeriums ist es, dass die bestehende Praxis im Vollzug weiterhin sichergestellt werden kann“, hieß es aus dem Ressort.

„Ball liegt beim Arbeitsministerium“

Mit der aktuellen VfGH-Entscheidung würden für Asylwerbende jene Regeln gelten, die es für Arbeitskräfte von außerhalb der EU gibt. Der Arbeitsmarktzugang ist nur dann zu gewähren, wenn keine geeinigte inländische oder EU-Arbeitskraft gefunden werden kann. Der AMS-Regionalbeirat muss jeden einzelnen Fall prüfen. Allerdings wackelt auch diese Bestimmung, weil die Höchstrichter auch hier ein Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet haben.

„Der Ball liegt beim Arbeitsministerium. Wir warten auf den neuen Erlass oder die gesetzliche Regelung des Arbeitsministeriums“, hieß es vom Arbeitsmarktservice (AMS). Ende Juni waren in Österreich rund 33.200 anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte arbeitslos vorgemerkt oder in AMS-Schulung.

FPÖ fordert Wiederherstellung der Einschränkungen

Eine EU-Richtlinie legt ohnehin fest, dass Asylwerberinnen und Asylwerber „spätestens neun Monate“ nach Antragstellung auf internationalen Schutz Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten müssen, „sofern die zuständige Behörde noch keine erstinstanzliche Ent­scheidung erlassen hat“. Einschränkungen, um etwa EU-Bürger und -Bürgerinnen einen Vorrang auf dem Arbeitsmarkt einzuräumen, sind aber möglich. Die Anwältin der Spenglerei, Michaela Krömer, vertrat im Ö1-Mittagsjournal die Meinung, dass der Arbeitsminister keine Verordnung erlassen kann.

Die FPÖ forderte in Reaktion auf den VfGH-Entscheid eine „sofortige Reaktion“ des Arbeitsministers. „Kocher muss den bisherigen Zustand, der vom VfGH nicht inhaltlich, sondern nur aus Formalgründen beanstandet wurde, sofort mit einer entsprechenden Verordnung wiederherstellen“, so FPÖ-Parteichef Herbert Kickl. Kochers Reaktion auf den VfGH werde „zu einer neuerlichen Nagelprobe“ für die Asylpolitik der ÖVP.

Grüne sehen Entscheidung positiv

Positiv bewerten die VfGH-Entscheidung die Grünen, NEOS, Caritas, SOS Mitmensch und die asylkoordination. „Österreich war hier lange säumig, umso mehr begrüßen wir die nunmehr erfolgte Klarstellung von höchster Stelle“, so der grüne Asylsprecher Georg Bürstmayr. Der Zugang zum Arbeitsmarkt sei „ein wichtiger Hebel zu finanzieller Eigenständigkeit und sozialer Integration“.

Für NEOS-Vizeklubobmann Gerald Loacker ist die Entscheidung des VfGH angesichts der Rekordzahl an offenen Stellen „überaus wichtig“. „So dürfen jene Menschen einen Job annehmen, sollte kein Österreicher und kein EU-Bürger für eine Stelle gefunden werden“, sagte Loacker. Die Entscheidung des VfGH sei positiv zu bewerten, so auch Caritas-Österreich-Präsident Michael Landau. Landau plädiert dafür, den Zugang für Asylwerberinnen und Asylwerber „jetzt generell neu zu regeln“.

„Wer hier lebt, soll hier arbeiten können“

Die SPÖ-Integrationssprecherin Nurten Yilmaz plädierte für eine strikte Trennung zwischen Flucht- und Arbeitsmigration. Es sei aber sinnvoll, wenn eine Person, die länger als neun Monate auf ihren Asylbescheid warte, eine Ausbildung mache, einen Sprachkurs besuche und nach einiger Zeit auch arbeiten könne.

Für SOS Mitmensch öffnet der VfGH-Entscheid „den Weg aus integrationspolitischer Steinzeit“. „Wer hier lebt, soll hier arbeiten und eine Lehre machen können, auch und gerade während langer Asylverfahren“, sagte SOS-Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak. „Wir freuen uns, wenn jetzt endlich Schutzsuchende auch schon während des Asylverfahrens einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen dürfen“, so der Sprecher der asylkoordination österreich, Lukas Gahleitner-Gertz.

Auch Regionalbeirat im Fokus

Im fortgesetzten Verfahren über die Beschwerde der Spenglerei gab es im Höchstgericht auch Bedenken über eine Verfassungsmäßigkeit einer Bestimmung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG). Der VfGH hat daher von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet. Gegenstand dieses Verfahrens sei eine Regelung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes.

Danach dürfen Beschäftigungsbewilligungen bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen nur erteilt werden, „wenn der Regionalbeirat die Erteilung einhellig befürwortet“. Der Verfassungsgerichtshof ist vorläufig der Auffassung, dass diese Konstruktion rechtsstaatlichen Grundsätzen der Bundesverfassung widersprechen dürfte.