Demokratischen Abgeordente aus Texas vor dem US-Kapitol
Reuters/Kevin Lamarque
Flucht als Druckmittel

Wahlrechtsstreit in Texas wird Politkrimi

51 Abgeordnete des texanischen Landesparlaments haben am Montag fluchtartig ihren Bundesstaat verlassen und sind nach Washington geflogen. Mit der Aktion wollen sie eine von den Republikanern vorangetriebene Wahlrechtsverschärfung verhindern. Die Republikaner in Texas sind erzürnt und drohen den Geflüchteten bei der Rückkehr mit Haft. Die Demokraten wollen unterdessen auch bei ihren Parteikollegen in Washington Druck machen.

Eines ist den texanischen Demokraten auf jeden Fall gelungen: Mit ihrer nächtlichen Flucht nach Washington ist ihnen die Aufmerksamkeit über den Bundesstaat hinaus sicher. Mit zwei gecharterten Jets flogen Montagabend insgesamt 51 Abgeordnete von Austin nach Washington. Sie wollen so verhindern, dass das texanische Parlament ein verschärftes Wahlrecht auf den Weg bringt.

Der Gesetzesentwurf würde Drive-through- und 24-Stunden-Wahllokale verbieten, neue Identifikationsanforderungen für die Briefwahl einführen und Wahlbeobachtern mehr Rechte zum Eingriff bei der Auszählung geben. Das alles diene dazu, jungen Menschen, „People of Color“ und Menschen mit Behinderungen die Wahl zu erschweren, so die Demokraten. Diese Wählergruppen tendieren traditionell stärker dazu, ihr Kreuz bei den Demokraten zu machen.

Der Gouverneur des US-Bundesstaates Texas, Greg Abbott
AP/Eric Gay
Der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, will die Verschärfungen beim Wahlrecht unbedingt durchbringen

Die Republikaner angeführt vom Gouverneur von Texas, Greg Abbott, beteuern hingegen, die Maßnahmen sollen in erster Linie Wahlbetrug verhindern. Nach seiner Niederlage bei der Präsidentschaftswahl im November hatte Donald Trump wiederholt Vorwürfe des Betrugs in den Raum gestellt – ohne jemals Beweise vorzubringen. Texas ist mit seinen Verschärfungen nicht allein. Mehr als ein Dutzend Bundesstaaten unter republikanischer Führung begannen justament nach der Niederlage Trumps an den Wahlgesetzen zu schrauben. In Texas ist der Widerstand der Demokraten aber besonders stark.

Verhaftung angedroht

Mit ihren 67 Abgeordneten im 150 Sitze zählenden texanischen Repräsentantenhaus haben die Demokraten eigentlich keine reguläre Möglichkeit, die geplanten Änderungen beim Wahlrecht zu stürzen. Indem sie der Abstimmung fernbleiben, verhindern sie aber, dass das Repräsentantenhaus überhaupt beschlussfähig ist. Dass sie dafür sogar Texas verließen, hat zuvorderst den Grund, dem Zugriff der bundesstaatlichen Behörden zu entgehen.

Tatsächlich drohte Gouverneur Abbott den fernbleibenden Politikerinnen und Politikern mit Verhaftung. Sie würden festgenommen, „sobald sie nach Texas zurückkommen“, sagte der Republikaner. „Sie werden im texanischen Kapitol eingesperrt, bis sie ihre Arbeit erledigt haben“, so Abbott gegenüber dem lokalen Fernsehsender KVUE ABC.

Im texanischen Repräsentantenhaus ermächtigten die Republikaner die Staatspolizei, die demokratischen Abgeordneten zu finden und zurückzubringen – falls nötig mit Haftbefehl. Außerhalb von Texas hat die Staatspolizei freilich keine Zuständigkeit.

Keine dauerhafte Lösung

Eine dauerhafte Lösung ist der Exodus nach Washington allerdings nicht. Für die demokratischen Abgeordneten ist es teilweise schon schwer genug, die 30-tägige Session des texanischen Repräsentantenhauses in Washington auszusitzen. Abgeordnete in Texas verdienen im Jahr gerade einmal rund 7.200 Dollar. Viele von ihnen haben daneben noch einen weiteren Job bzw. müssen sich um ihre Kinder und andere Angehörige kümmern. Doch auch nach den 30 Tagen ist das Vorhaben der Republikaner nicht einfach vom Tisch. Sie können die Abstimmung über das neue Wahlrecht jederzeit wieder auf die Tagesordnung setzen.

Druck auf Parteikollegen

Hinter der Flucht nach Washington steht freilich noch ein weiteres Kalkül. Am Mittwoch trafen die texanischen Abgeordneten unter anderen die demokratische US-Senatorin Elizabeth Warren, am Dienstag waren sie bereits beim Mehrheitsführer der Demokraten im US-Senat vorstellig geworden.

Die demokratische US-Senatorin Elizabeth Warren empfängt die Abgeordneten aus Texas
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Die texanischen Abgeordneten versuchen, auch Druck auf ihre Parteikollegen im US-Senat aufzubauen

Die US-Demokraten versuchen mit einem Gesetz auf Bundesebene, die Wahlrechtsanpassungen der Bundesstaaten zu verhindern. Für dieses Gesetz ist derzeit aber aufgrund der Filibuster-Regelung eine Mehrheit von 60 Senatoren und Senatorinnen nötig. Und die haben die Demokraten nicht. Allerdings könnten sie die Filibuster-Regel selbst mit einer einfachen Mehrheit kippen – und danach auch das Bundeswahlgesetz mit einer ebensolchen beschließen. Doch mehrere moderate demokratische Senatoren wollen diesen – durchaus als Tabu verstandenen Schritt – nicht gehen.

Biden geißelt „Angriff auf Demokratie“

Der Weg nach Washington darf damit auch als Druckmittel auf die eigenen Parteikollegen verstanden werden – und auf US-Präsident Joe Biden. Der Präsident hatte dem Streit über das Wahlrecht zunächst wenig Beachtung beigemessen, was ihm auch Kritik aus der eigenen Partei eingebracht hatte. Am Dienstag fand Biden in einer symbolträchtigen Rede in Philadelphia aber zumindest deutliche Worte.

Er bezeichnete die von den Republikanern vorangetriebenen Wahlrechtsverschärfungen als „unamerikanisch, undemokratisch und unpatriotisch“. Diese seien ein „Angriff auf die Demokratie“. Das Ziel der Gesetze sei es, dass immer weniger Menschen wählten, so der US-Präsident. „Schämt ihr euch nicht?“ fragte er in Richtung der Republikaner. Die Untergrabung des Rechts auf freie und faire Wahlen sei für die Demokratie die „bedeutendste Herausforderung“ seit dem Bürgerkrieg.

US-Präsident Joe Biden bei seiner Rede in Philadelphia, Pennsylvania (USA)
APA/AFP/Getty Images/Drew Angerer
Bei einer Rede in Philadelphia ging Biden mit den geplanten Wahlrechtsverschärfungen hart ins Gericht

„Allein in diesem Jahr haben 17 Bundesstaaten 28 neue Gesetze beschlossen, die den Amerikanern das Wählen erschweren“, sagte Biden in seiner Rede in Philadelphia, wo 1787 die US-Verfassung unterzeichnet wurde. Der Präsident kündigte an, seine Regierung und die Demokraten würden sich dem Vorgehen der Republikaner entschieden entgegenstellen.