Blick ins Camemium beim Ibiza Untersuchungsausschuss
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„Ibiza“-U-Ausschuss

Von Beginn an umkämpft

Am Donnerstag hat der „Ibiza“-Untersuchungsausschuss seine Befragungen abgeschlossen. Ein Jahr lang wurden Akten angefordert und gesichtet sowie Auskunftspersonen befragt. Schon in wenigen Wochen werden die Berichte des Verfahrensrichters und der Fraktionen vorliegen. Doch schon jetzt ist klar: Der U-Ausschuss war vielschichtig und umkämpft.

Das große Finale haben sich die Fraktionen wohl anders vorgestellt. Wegen einer Reihe von Absagen fand der letzte Ausschusstag ohne Auskunftspersonen statt. Den Termin nahmen die Fraktionen freilich zum Anlass, um den U-Ausschuss Revue passieren zu lassen und die eigene Sicht der Dinge darzustellen. SPÖ, FPÖ und NEOS und die Grünen lieferten einen Rundumschlag gegen die ÖVP. Die FPÖ, deren Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache den U-Ausschuss ausgelöst hatte, war hingegen kaum mehr Thema.

Die ÖVP wehrte die Attacken ab und prangerte „Missstände im Ausschuss“ an. „Das war kein Untersuchungsausschuss, sondern ein Unterstellungsausschuss“, so ÖVP-Fraktionschef Andreas Hanger. „Die Opposition hat es von Beginn an darauf angelegt, einen Kampf gegen die aktuelle Kanzlerpartei zu führen.“ Für die Grünen haben ÖVP und FPÖ „ein politisches System für wohlhabende Freunde und reiche Spender erschaffen. Das Ziel bestand darin, die Republik heimlich, still und leise zugunsten der eigenen Freunde umzubauen.“

Leerer Stuhl der Auskunftsperson beim Ibiza-Untersuchungsausschuss
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Am letzten Tag dominierte eine Politik des leeren Sessels: Alle Auskunftspersonen sagten für Donnerstag ab

Ähnlich lauteten auch die Ergebnisse der SPÖ. Die ÖVP habe versucht, „einen Staat im Staat aufzubauen“, sagte SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer. Entsprechend habe die Volkspartei die Arbeit des Ausschusses behindert. FPÖ-Mandatar Christian Hafenecker kritisierte die Grünen dafür, dass sie beim Abdrehen des U-Ausschusses mitmachen. Inhaltlich sah auch er bestätigt, dass die ÖVP versucht habe, einen Staat im Staat zu bauen. NEOS-Vizeklubchef Nikolaus Scherak hatte ebenfalls kein Verständnis dafür, dass die Grünen dabei geholfen haben, den Ausschuss zu beenden und sprach von einer „Verhöhnung“.

Ausgelöst durch „Ibiza“, Richtungswechsel am Ende

Nach 13 Monaten endete die Aufklärung, die von Beginn an heiß umkämpft war. Anlass für die Aufklärung war das „Ibiza-Video“, in dem Ex-FPÖ-Chef Strache über Spenden „vorbei am Rechnungshof“ und über die Novomatic sprach, die „alle“ zahlen würde. Doch die Einsetzung verzögerte sich. Denn ÖVP und Grüne wollten den Untersuchungsgegenstand, der ihrer Meinung nach rechtswidrig war, einschränken. Doch die Einsetzungsminderheit, SPÖ und NEOS, wandte sich an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Dieser entschied: Der U-Ausschuss kommt im vollen Umfang, also wie beantragt.

Die Befragungen starteten mit einer Coronavirus-Verspätung im Juni 2020. In den ersten Wochen standen das „Ibiza-Video“ und damit die Freiheitlichen samt Casinos-Vorstand Peter Sidlo und Spenden an FPÖ-nahe Vereine im Fokus. SPÖ, NEOS und auch die Grünen versuchten, Verflechtungen zwischen dem Glücksspielkonzern Novomatic und den Freiheitlichen offenzulegen. Diverse Novellen des Glücksspielgesetzes, die schließlich zurückgezogen wurden, und Treffen in London wurden thematisiert.

Im Verlauf der Befragungen rückten aber die Postenbesetzungen unter der ÖVP-FPÖ-Regierung in den Vordergrund. Aufsichtsräte wurden nach dem Schlüssel 2:1 aufgeteilt. Es seien, erklärten damalige ÖVP- und FPÖ-Minister, immer qualifizierte Personen ausgewählt worden. Dass sie eine Nähe zur jeweiligen Partei oder zum jeweiligen Minister haben, sei kein Ausschließungsgrund. Denn man müsse den Personen, die man in wichtigen Aufsichtsräten von staatsnahen Unternehmen entsendet, ja auch vertrauen.

Chats lieferten viel Stoff für Befragung

Doch damit war es nicht getan. Namen von ÖVP-Großspendern und jener von Thomas Schmid fielen nun immer öfters. Insbesondere der Ex-Generalsekretär im Finanzressort nahm viel Raum im U-Ausschuss ein. Schmid war zu seiner Zeit im Finanzministerium maßgeblich an der Gestaltung der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) beteiligt. Ein wenig später wurde er dessen Alleinvorstand. Der Vorwurf lautete: Er habe sich den Aufsichtsrat, der den Alleinvorstand bestellt, mit Wissen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) selbst ausgewählt und die Ausschreibung für den Posten auf sich zuschneidern lassen.

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Andreas Hanger (ÖVP)
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ÖVP-Mandatar Hanger kritisierte am letzten Tag des U-Ausschusses die Vorgehensweise der Opposition und der Grünen. Die Opposition versuche mit Leaks und Anzeigen die ÖVP zu attackieren.
Kai Jan Krainer (SPÖ)
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SPÖ-Fraktionschef Krainer sah sich durch die Befragungen und Aktenlieferungen bestätigt, dass die ÖVP einen „Staat im Staat“ aufbauen wollte
Christian Hafenecker (FPÖ)
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Die FPÖ und Strache waren im U-Ausschuss zuletzt kaum mehr Thema. Dafür kritisierte FPÖ-Mann Hafenecker sowohl die ÖVP und die Grünen wegen der Nichtverlängerung des U-Ausschusses.
Nina Tomaselli (Die Grünen)
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„Eine Politik für wohlhabende Freunde“ – so bezeichnete die Grünen-Fraktionschefin Nina Tomaselli die Politik unter der ÖVP-FPÖ-Regierung
Nikolas Scherak (NEOS)
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NEOS-Abgeordneter Scherak sprach von einer „Verhöhnung“, weil die Grünen und die ÖVP den U-Ausschuss „abdrehen“

Hilfreich für die Opposition und die Grünen waren dafür Chats aus diversen Smartphones, die wegen strafrechtlicher Ermittlungen gegen mehrere Politiker beschlagnahmt wurden. Schmid hatte sich mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen über die Ausschreibung und den ÖBAG-Aufsichtsrat ausgetauscht. Er kommunizierte aber eben auch mit Kurz über seine Pläne und Wünsche. Am Ende trennte sich der ÖBAG-Aufsichtsrat wegen der Chats von Schmid. Die Chatleaks brachten vor allem die ÖVP in Rage, die dieser Praxis wenn nötig gesetzlich einen Riegel vorschieben will.

Die Chats sind übrigens auch Grundlage für die Ermittlungen gegen Kanzler Kurz wegen Verdachts auf Falschaussage vor dem U-Ausschuss. Dieser hatte nämlich bestritten, so heißt es in der NEOS-Anzeige, mit Schmid über dessen ÖBAG-Wunsch gesprochen zu haben. Chats hätten aber gezeigt, dass das nicht stimmt. Die Ermittlungen laufen noch, es gilt die Unschuldsvermutung. Anzeigen und Ermittlungen führten auch zu vielen Entschlagungen und Debatten zur Geschäftsordnung. So griffen etwa Kurz und Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) vermehrt auf das Recht, Fragen nicht beantworten zu müssen, zurück.

Umstrittener Vorsitz selbst Auskunftsperson

Die Befragungen der Regierungsmitglieder der damaligen ÖVP-FPÖ-Koalition gestalteten sich teils äußerst zäh und waren von zahlreichen Erinnerungslücken geprägt. Insbesondere Blümel konnte sich kaum an die ÖVP-FPÖ-Regierungszeit erinnern. Kanzler Kurz antwortete in seiner zweiten Ladung hingegen so ausführlich auf Fragen seiner eigenen Fraktion, dass NEOS und die Grünen gar nicht die Möglichkeit hatten, eine Frage zu stellen. Während der Befragungen von SPÖ und FPÖ dominierten hingegen Debatten zur Geschäftsordnung, die meist von der ÖVP angestoßen wurden.

Wolfgang Sobotka beim Ibiza-Untersuchungsausschuss
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Ausschussvorsitzender Wolfgang Sobotka war immer wieder Thema im U-Ausschuss

Für Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung im U-Ausschuss war die meiste Zeit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) zuständig. Doch für die Opposition und später auch für die Grünen war er als Präsident des ÖVP-nahen Alois-Mock-Instituts befangen. Dieses hatte, so der Vorwurf, Gelder ohne entsprechende Gegenleistungen von der Novomatic erhalten. Sobotka sprach von Kooperationsvereinbarungen, die ordnungsgemäß eingehalten wurden. Dass er trotz Ladung bis zum Schluss am Vorsitz festhielt, widerspreche der Verfahrensordnung, hieß es aus der Opposition. Aber Sanktionsmöglichkeiten gebe es nicht.

VfGH-Spruch musste exekutiert werden

Als Vorsitzender musste sich Sobotka unweigerlich auch mit der Aktenvorlage aus dem Finanzministerium beschäftigen. Nachdem das Ressort unter Blümel E-Mails und andere Korrespondenzen nicht geliefert hatte, schaltete die Opposition den VfGH ein. Doch selbst das Höchstgerichtserkenntnis wurde wochenlang ignoriert – bis der VfGH bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen eine Exekution des Spruchs beantragte.

Nach der Androhung lieferte das Finanzministerium zwar umgehend die ausstehenden E-Mails, aber alles in Papierform. Gespräche über eine Herabstufung der Klassifizierung waren erfolgreich, doch nun befand die Opposition: Es fehlt was. Van der Bellen beauftragte ein Gericht, die angeforderten E-Mails aus dem Finanzministerium an den U-Ausschuss zu liefern. Ein bisher einmaliger Vorgang, der am Ende laut Abgeordneten weitere Nachrichten zum Vorschein brachte.

Ein ähnliches Tauziehen begleitete den U-Ausschuss um das „Ibiza-Video“, das von der „SoKo Tape“ bereits im April sichergestellt worden war. Erst spät wurde das Material geliefert, wesentliche Erkenntnisse daraus ergaben sich aber nicht. In den Befragungen wurde aber deutlich: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und die „SoKo Tape“ konnten ihre Differenzen nie beilegen. So berichtete die damalige Staatsanwältin Christine Jilek, dass die SoKo in der Schredderaffäre nicht ordnungsgemäß vorging, ein SoKo-Beamter widersprach dieser Darstellung vehement.

Interventionen auf Ermittlungen?

Jilek sorgte auch für mediales Aufsehen, weil sie im U-Ausschuss einen veritablen Disput zwischen den Justizbehörden offenlegte. Sie beklagte politische Interventionen über die Oberstaatsanwaltschaft Wien. Deren Leiter, Johann Fuchs, geriet selbst in den Fokus von Ermittlungen, soll dieser doch dem suspendierten Sektionschef Christian Pilnacek Informationen zu Verfahrensständen, etwa in der Causa Blümel, zukommen haben lassen. Zudem sollte nach diversen Aussagen die WKStA von Beginn an nicht in die „Ibiza“-Ermittlungen eingebunden werden.

„Ibiza“-U-Ausschuss beendet

Der „Ibiza“-Untersuchungsausschuss ist am Donnerstag zu Ende gegangen – ohne eine einzige Befragung, da alle abgesagt haben.

So deutlich wollte das die jetzige Justizministerin Alma Zadic (Grüne) nicht ansprechen. Politische Interventionen habe sie nicht wahrgenommen, sagte sie. Dennoch hätten ausufernde Berichtspflichten und Weisungen die Ermittlungen nicht gerade gefördert. Per Februar wurden 181 Berichte abgeliefert: 90 hat die WKStA auf Basis der Vorschriften erstattet, der Rest wurde angefordert, mehr als 30 davon von der Fachaufsicht. Angesprochen auf Pilnacek und Fuchs, sagte Zadic, dass es „sehr wohl Konsequenzen“ gegeben habe, wenn Vorwürfe „strafrechtlich relevant“ waren.

Auch das Coronavirus machte vor dem U-Ausschuss freilich nicht halt. Ein Cluster aus elf Personen hatte sich nach der Kurz-Befragung Anfang Juli gebildet und sorgte freilich für hitzige Debatten. Schon Monate zuvor gab es wegen der Pandemie eine ungewöhnliche Befragung: Die Ehefrau des Waffenindustriellen Gaston Glock, Kathrin Glock, war als Auskunftsperson via Video zugeschaltet. Um das CoV-Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten, saß sie in einem separaten Raum. Auch sie stellte Fragen: „Hören Sie mich? Verstehen Sie mich gut?"