Covid-Krnankenstation in Johannesburg, Südafrika
APA/AFP/Emmanuel Croset
Coronavirus

Dritte Welle wütet in weiten Teilen Afrikas

In weiten Teilen Afrikas breitet sich das Coronavirus derzeit rasant aus. Die Zahl der Neuinfektionen schnellt in die Höhe und mit ihr auch die Zahl der Todesfälle. Allein in der vergangenen Woche wurden die höchsten Werte seit Beginn der Pandemie verzeichnet. Dazu kommt, dass lediglich ein Bruchteil der Bevölkerung geimpft ist.

Afrika schien aufgrund seiner jüngeren Bevölkerungsstruktur, seines Klimas sowie der geografisch bedingten ungleichmäßigeren Ausbreitung bisher besser durch die Pandemie gekommen zu sein als andere Weltregionen – doch nun wurden auch hier Teile des Kontinents von der dritten Welle erfasst.

„Afrika befindet sich derzeit im tödlichsten Stadium seiner Pandemie, und es ist wenig Besserung in Sicht“, war etwa in der „New York Times“ („NYT“) zu lesen. Angetrieben wird die dritte Welle wie auch andernorts vor allem von der hochansteckenden Delta-Variante, die derzeit in 21 der 55 afrikanischen Länder nachgewiesen worden sei, sagte die Afrikadirektorin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Matshidiso Moeti. Innerhalb einer Woche sind die Todesfälle um über 40 Prozent gestiegen.

Die afrikanische Regionaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation, Matshidiso Moeti
Reuters/Baz Ratner
Moeti sieht die Coronaviurs-Todesfälle als „klare Warnung“ für die Belegung der Krankenhäuser

„Schnellster Anstieg, den der Kontinent je gesehen hat“

Dieser Anstieg sei der schnellste, den der Kontinent je gesehen habe, sagte Moeti kürzlich. Schuld daran seien nicht zuletzt ein Mangel an Sauerstoffgeräten und Intensivbetten. Das sei eine klare Warnung, dass Krankenhäuser auf dem Kontinent ihre Belastungsgrenze erreicht hätten, so Moeti.

Die Coronavirus-Sterblichkeitsrate des Kontinents liegt nach Angaben der WHO bei 2,6 Prozent, während der weltweite Durchschnitt 2,2 Prozent beträgt. Der Großteil aller Todesfälle sei in Namibia, Südafrika, Tunesien, Uganda und Sambia registriert worden, sagte Moeti.

Mehr als sechs Millionen Infektionen

Auch die Zahl der gemeldeten Infektionen sei im vergangenen Monat um eine Million Fälle gestiegen. Insgesamt wurden in Afrika nach Angaben der Gesundheitsorganisation der Afrikanischen Union somit über sechs Millionen Infektionen dokumentiert. Mehr als 153.000 waren tödlich. In Afrika leben 1,2 Milliarden Menschen.

Seit Mitte Mai steigt die Zahl der Infektionen mit dem Coronavirus in ganz Afrika stark. Am schnellsten breitet sich das Virus der AFP-Zählung zufolge in Libyen aus. Dort werden derzeit täglich 1.560 Ansteckungen nachgewiesen, das entspricht einem Anstieg um 260 Prozent im Vergleich zur Vorwoche.

Auch in Mosambik und in Marokko nimmt die Ausbreitung deutlich zu. Und es könnten noch mehr werden: In der Woche vom 19. Juli beginnt das islamische Opferfest, das traditionell in größeren Gruppen gefeiert wird und somit „katastrophale Konsequenzen“ auf das Infektionsgeschehen haben könnte, wie CNN die WHO zitiert.

Krankenpersonal kontrolliert Sauerstoffelevel auf Covid-Station in Südafrika
APA/AFP/Guillem Sartorio
Aus einer Umfrage der WHO im Mai kam heraus, dass die meisten Länder Afrikas weniger als ein Intensivbett pro 100.000 Einwohner haben. Nur ein Drittel verfügte über Beatmungsgeräte.

Südafrika am schwersten betroffen

Hinsichtlich der Gesamtzahl der Infektionen seit Pandemiebeginn bleibt aber Südafrika das am schwersten von der Pandemie betroffene Land Afrikas. Mehr als 2,2 Millionen Infektionen wurden dort bisher registriert. 45 Prozent der täglichen Neuinfektionen in Afrika gehen auf Südafrika zurück. Zuletzt verzeichnete das Land aber einen Rückgang bei der Zahl der täglich gemeldeten Neuinfektionen: Im Durchschnitt werden dort noch 18.340 Neuansteckungen pro Tag gemeldet.

Die Pandemie hat das bereits zuvor schon gebeutelte Land in eine schwere Wirtschaftskrise gestürzt und die Arbeitslosenzahlen nach oben schnellen lassen. In den vergangenen Wochen kam es unter anderem deshalb zu Unruhen, Protesten und Plünderungen.

Hohe Dunkelziffer vermutet

Bei der Gesamtzahl an Infektionen in Afrika gehen Experten und Expertinnen von einer hohen Dunkelziffer aus. In den verschiedenen afrikanischen Ländern gibt es außerdem äußerst unterschiedliche Test- und Zählpraktiken. In einigen Ländern lässt sich die Datenlage zudem wohl als dürftig bezeichnen. Dazu komme, dass die eingesetzten Testungen neue Varianten oftmals nicht erkennen könnten, wie die BBC schreibt.

„Das Wiederaufflammen veranlasste mehrere Regierungen dazu, neue Maßnahmen zu verhängen, darunter die Bewegungseinschränkung zwischen den Städten, die Verlängerung der Ausgangssperre und die Schließung von Schulen“, schrieb die „NYT“ über die sich verschärfende Situation.

Nur drei Prozent geimpft

Auch wenn die Zahlen im Vergleich zu Europa harmloser erscheinen und ohnehin nur bedingt miteinander vergleichbar sind, gibt es doch einen drastischen Unterschied: den Impffortschritt. Denn einer der Gründe für die starke Ausbreitung des Coronavirus in Afrika sind die nur langsam in Fahrt kommenden Impfprogramme auf dem Kontinent. Viele afrikanische Länder haben nicht ausreichend Zugang zu Impfstoffen.

Bisher wurden in ganz Afrika nur circa vier Impfdosen pro 100 Einwohner verabreicht – in Europa waren es bisher 72 pro 100 Einwohner. Laut Our World in Data erhielten gerade einmal etwa drei Prozent der Bevölkerung zumindest eine Impfdosis. Zum Vergleich: Weltweit sind es rund ein Viertel. Vollimmunisiert ist in Afrika laut „NYT“ ohnehin lediglich ein Prozent.

Bis Anfang Juli lieferte die internationale Impfstoffinitiative Covax 25 Millionen Dosen – bis Ende des Jahres sollen es 520 Millionen werden. Die WHO appellierte daher einmal mehr an reiche Länder, Impfdosen zur Verfügung zu stellen. Laut „NYT“ werden reiche Länder bis Ende Oktober nämlich 1,9 Milliarden Impfdosen mehr haben, als sie tatsächlich benötigen.