Menschen tanzen in einem Club
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Discos und „Grüner Pass“

Regierung fixiert Verschärfungen

Die Regierung hat am Donnerstagabend neue Maßnahmen aufgrund der steigenden CoV-Infektionszahlen präsentiert. Künftig wird der Zutritt in die Nachtgastronomie nur noch für Geimpfte bzw. mit gültigem PCR-Test möglich sein. Auch die Gästeregistrierung wird beibehalten. Den „Grünen Pass“ gibt es künftig erst bei vollständiger Immunisierung. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) betonte in der ZIB2, man habe wegen steigender Zahlen frühzeitig reagieren müssen.

Die Verschärfungen bestehen konkret aus drei Punkten: Ab 22. Juli wird der Zutritt zur Nachtgastronomie eingeschränkt, statt der „3-G-Regel“ erlaubt ab dann nur noch ein maximal 72 Stunden alter, negativer PCR-Test bzw. eine Impfung den Eintritt. Der „Grüne Pass“ wird künftig erst ausgestellt, wenn die zweite Impfung vollzogen ist und man damit als vollimmunisiert gilt. Das Zertifikat wird ab dem Tag der zweiten Impfung ausgestellt. Schließlich bleibt die Registrierungspflicht bei Veranstaltungen und in der Gastronomie entgegen ursprünglichen Planungen aufrecht.

Die neuen Maßnahmen sind das Ergebnis der Beratungen der Coronavirus-Taskforce, die am Donnerstagvormittag zusammentraf. Untertags hieß es aus dem Gesundheitsministerium, dass noch an Details gearbeitet werde – es wurde damit gerechnet, dass eine Einigung erst in den kommenden Tagen erfolgt. Am Abend gab es jedoch eine gemeinsame Aussendung von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), die die Einigung verkündeten.

Mückstein sagte, dass die Ausbreitung der Delta-Variante für ihn Anlass zu Sorge und ein klarer Handlungsauftrag gewesen sei. Über die rasche Verständigung freute sich der Gesundheitsminister und appellierte speziell an junge Menschen, das Angebot zur Impfung anzunehmen. Köstinger sagte, dass man keine Rücknahme von Öffnungsschritten wolle: „Daher treffen wir jetzt Vorkehrungen in jenen Bereichen, aus denen wir eine zunehmende Infektionsentwicklung feststellen.“

Mückstein: Müssen frühzeitig reagieren

In der ZIB2 betonte Mückstein, dass man angesichts weiter steigender Zahlen frühzeitig reagieren müsse, um nicht die Fehler des vorigen Sommers zu wiederholen. Jetzt gebe es noch die Möglichkeit, „an kleinen Schrauben zu drehen“. Wenn sich die Intensivstationen wieder füllen würden, wäre es zu spät.

Gesundheitsminister Mückstein zur CoV-Situation

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) über das aktuelle Infektionsgeschehen in Österreich und das weitere Vorgehen der Bundesregierung.

Der Minister bekräftigte, dass am 22. Juli die Maskenpflicht in „Öffis“ und Supermärkten zwar bestehen bleibe, sonst im Handel aber fallen werde. Eine Impfpflicht für Lehrpersonal stehe derzeit nicht zur Debatte. Mückstein teilte auch mit, dass er mit den Bundesländern in Gesprächen sei, um die Möglichkeiten für PCR-Tests auszuweiten, so wie das in Wien besteht.

Mückstein-Aufruf an Länder

Mückstein setzte am Donnerstag zudem einen Brief an die Landesgesundheitreferentinnen und -referenten mit dem Ersuchen ab, zusätzliche Impfmöglichkeiten für Junge zur Verfügung zu stellen: Mobile Impfboxen, Schwerpunktationen in Gemeinden mit niedriger Durchimpfungsrate sowie Angebote an beliebten Treffpunkten werden vom Ressortchef empfohlen. Tempo ist aus Sicht des Ministers nötig, denn die Expertinnen und Experten sagten, „dass sich das uns verbleibende Zeitfenster, die Pandemie mit gelinderen Mitteln in Schach zu halten, zu schließen beginnt“, heißt es in dem Schreiben.

Das Drängen auf schärfere Maßnahmen war auf eine Initiative des Gesundheitsressorts zurückgegangen. In einem der APA vorliegenden Papier war schon am Vormittag von einem aktuell „sehr besorgniserregenden Szenarium“ die Rede. Dabei wurde ausgeführt, dass der Anstieg der Zahlen zuletzt unterschätzt wurde. Sollte sich das fortsetzen, „finden wir uns in absehbarer Zeit in einem bedrohlichen Szenarium wieder“.

Regierung fixiert Verschärfungen

Die Regierung hat am Donnerstagabend neue Maßnahmen aufgrund der steigenden CoV-Infektionszahlen präsentiert.

Als Gründe für den Anstieg werden vor allem die Öffnungsschritte und Lockerungen vom 1. Juli, etwa die Öffnung der Nachtgastronomie, die Dominanz der Delta-Variante, die bereits rund 90 Prozent der Fälle ausmachen dürfte, sowie reiseassoziierte Fälle angesehen.

Ende der Maskenpflicht eigentlich für 22. Juli geplant

Im Vorfeld des Taskforce-Treffens war auch im Ressort von Mückstein noch nicht von neuen Maßnahmen die Rede gewesen. „Um die Öffnungsschritte beibehalten zu können, müssen wir die Delta-Variante jetzt gemeinsam bekämpfen. Besonders wirksam für die Eindämmung der Delta-Variante ist ein vollständiger Impfschutz“, sagte Mückstein noch am Mittwoch.

Analyse zu CoV-Situation und Verschärfungen

ORF-Reporterin Claudia Dannhauser berichtet über die Verschärfungen, ORF-Wissenschaftsredakteur Günther Mayr analysiert die Maßnahmen.

Kurz gegen Grenzschließungen

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte in den vergangenen Tagen während seines USA-Besuchs wiederholt dafür plädiert, in der Pandemiebekämpfung auf Eigenverantwortung statt staatliche Maßnahmen zu setzen. Er nannte diesbezüglich die Coronavirus-Impfung als „Game-Changer“ und äußerte seine Erwartung, dass die Infektionszahlen schon bald stark steigen könnten. Skeptisch äußerte er sich unter anderem zum Thema Grenzschließungen. „Das Virus macht vor Grenzen keinen Halt“, sagte er unter anderem.

Platter gegen „Überreaktion“

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sprach sich unterdessen dagegen aus, angesichts wieder steigender CoV-Zahlen „überzureagieren“. Bei seiner Antrittsrede anlässlich des Vorsitzwechsels im Bundesrat verwies er am Donnerstag darauf, dass nicht die Inzidenzen, sondern die Hospitalisierungszahlen entscheidend seien. Eindringlich warb Platter dafür, die Impfung wahrzunehmen.

Das Land Vorarlberg steht hinter der Entscheidung, einige Vorschriften zu verschärfen. Es sei sinnvoll, so Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP), dass es den „Grünen Pass“ erst bei vollständiger Immunisierung gebe, da einige auf die zweite Impfung verzichten würden – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Oppositionskritik an „Zickzackkurs“

Die Opposition kritisierte im Vorfeld der Einigung die Regierung: Der „unverantwortliche Zickzackkurs von Kurz und das Corona-Chaos der Regierung gefährden die Gesundheit der Bevölkerung“, so SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch in einer Aussendung. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner warb unterdessen für einen Ausbau der Gurgeltests und empfiehlt, Maßnahmen in der Nachtgastronomie zu prüfen. In einem schriftlichen Statement kritisierte sie, dass der Kanzler zuletzt die Pandemie quasi für beendet erklärt habe. Das sei ein falsches Signal. Es brauche jetzt keine Träumereien oder Schönfärbereien, sondern Vernunft und Vorsicht.

FPÖ-Chef Herbert Kickl sieht die Regierung als „Panikorchester“: „Eine Woche vor dem geplanten Inkrafttreten ohnehin zaghafter Öffnungsschritte treten heute die schwarz-grünen Corona-Fanatiker wieder auf den Plan, um neue Schikanen zu beschließen.“

Auch NEOS kritisierte die Regierung am Donnerstag: „Letzte Woche kündigt die Regierung Lockerungen für den 22. Juli an, und der Kanzler erklärt die Pandemie überhaupt zur Privatsache“, nun kündige man Restriktionen an, das würden Bürgerinnen und Bürger „nicht mehr verstehen“, so NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker.

Ludwig erfreut über schärfere Maßnahmen

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zeigte sich am Nachmittag zufrieden damit, dass der Bund strengere Maßnahmen überlegt. „Ich persönlich freue mich sehr, dass die Bundesregierung jetzt offenbar einschwenkt auf den Wiener Weg der Sicherheit und Stabilität.“ Er habe sehr viel Kritik auf sich gezogen, weil Wien eigene Maßnahmen gesetzt habe. Diese könnten aber etwa verhindern, dass Wien oder Österreich wieder auf rote Listen kämen, wodurch keine Touristinnen und Touristen ins Land kommen könnten. Ludwig wünscht nun weitere Gespräche. Es müssten nun der Bund, die Länder und auch die anderen Gebietskörperschaften übereinkommen, wie man sicher durch den Sommer komme, sagte er.

Wirtschaftskammer: Maßnahmen mit Augenmaß setzen

Die Wirtschaftskammer äußerte Verständnis für die Verschärfungen, appellierte zugleich aber an die Verantwortlichen, notwendige Maßnahmen mit Augenmaß und Bedacht zu setzen. Gerade die Nachtgastronomie sei eine jener Branchen, die extrem von den Auswirkungen der Pandemie in den vergangenen Monaten betroffen war und weiterhin sei.

Mikrobiologe für Maske in Innenräumen

Der Mikrobiologe Michael Wagner von der Universität Wien empfiehlt, Innenräume nicht ohne Maske zu betreten. „Ich finde es wichtig, dass man der Bevölkerung ganz klar kommuniziert, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist. Viele haben noch nicht die Chance, sich zu schützen. Daher ist es eine gesellschaftliche Aufgabe, diese Personen zu schützen, und dazu gehören eben auch die entsprechenden Maßnahmen“, sagte Wagner – mehr dazu in wien.ORF.at.