Simon Lehner
Simon Lehner
Gmunden Photo

Die „Giardini“ vom Traunsee

Industrial trifft auf k. u. k. Salzkammergut-Kulisse: An die Uferpromenade des Traunsees zaubert das Fotofestival Gmunden Photo einen Hauch von weiter Welt. Bis Mitte August kann man dort internationale Fotoarbeiten in Schiffscontainern bewundern. Das innovative Konzept im Rahmen der Salzkammergut Festwochen Gmunden weist schon in Richtung Kulturhauptstadt 2024.

Die Uferpromenade glänzt golden bei tiefstehender Sonne, die Schwäne strahlen in Schneeweiß. In dieser idyllischen k. u. k. Salzkammergut-Kulisse haben die Veranstalter der Gmunden Photo einen kräftigen industriellen Akzent gesetzt. 29 Frachtschiffcontainer stehen im Seeviertel, jeder von ihnen eine Ausstellungskoje für Fotoarbeiten.

Die weißen und blauen Containerboxen, die um 160.000 Euro aus Hamburg angekauft wurden, enthalten internationale Fracht: So sind etwa Arbeiten des New Yorkers Jack Pierson zu sehen. Als Teil der „Boston School“, zu der auch Nan Goldin gehörte, porträtiert er bevorzugt sein persönliches Umfeld. Seine Bilder sind lose Assemblagen, funktionieren wie eine Pinnwand, auf der Pierson seine mal glamourösen, mal melancholischen Geschichten erzählt, eher ästhetische Notizen als psychologische Porträts.

Elfie Semota
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Elfie Semotan vor ihrem Großformat „o. T. (Nude Accessoires)“

Blitzlicht auf Katzen und Plastikdinosaurier

Aus China stammt Feng Li, der als Fotograf für die Kommunikationsabteilung der Provinz Szechuan arbeitet und sich nebenbei mit Street und Fashion Photography beschäftigt. Für seine fortlaufende Serie „White Nights“ spaziert er nachts durch die Stadt und fotografiert in Schwarz-Weiß Menschen, Dinge und Szenen, immer mit Blitzlicht. So entstehen grell ausgeleuchtete, manchmal surreale und abgründige Bilder, auf denen sich ein menschliches Skelett, eine Katze oder ein meterhoher Plastikdinosaurier tummeln.

Der ungewöhnliche Künstlermix aus aller Welt trägt die Handschrift von Beda Achermann, einem Schweizer Art Director mit eigenem Studio in Zürich und deutlicher Neigung zu Mode und Design. Kein Zufall also, dass auch Arbeiten von Jork Weismann ausgestellt sind, einem gebürtigen Gmundner übrigens, der für „Vogue“ und „Vanity Fair“ ebenso fotografierte wie im Auftrag des Bundespräsidenten (2017 nahm er das offizielle Porträt von Alexander Van der Bellen auf). Aus seiner Serie „Asleep at the Chateau“, für die er schlafende Stars im legendären Hollywood-Hotel „Chateau Marmont“ fotografierte, ist in der aktuellen Ausstellung die über einem Buch von James Joyce eingenickte Patti Smith zu sehen.

Feng Li
Feng Li
Blitzlichtfotos vom chinesischen Street Photographer Feng Li, hier „Good Night“

Elfie Semotan und DJ Wolfram

Eine schöne Hommage an die Grande Dame der österreichischen Fotografie Elfie Semotan sind die ausgestellten Stillleben, in denen sie ihre kompositorische Meisterschaft beweist, aber auch die exzentrische Modearbeit, die zeigt, wie groß die Verwandtschaft Semotans auch zur österreichischen bildenden Kunst ist.

Am 25. Juli wird die in Wels geborene Fotokünstlerin achtzig Jahre alt. Ihre Karriere verdankt sich auch ihrer souveränen Offenheit allem Neuen gegenüber. Und so kommentiert sie die Containerschau am Traunsee-Ufer, die mit riesigen Topfpflanzen zum Kunstgelände aufgepimpt wurde, lässig mit dem Ausspruch: „Das sind die Giardini von Gmunden!“

Überhaupt hat die Ironie einen festen Platz in diesem kleinen, aber mit Sponsorengeldern professionell aufgezogenen Festival: DJ Wolfram, ein international gefeierter Meister seines Fachs und Nebenerwerbsfotograf mit ausgeprägten Autofimmel, hat sich in seiner Koje mit einer Installation ausgetobt. Im Zentrum von „Wolfram’s World“ steht ein goldener Scirocco, flankiert von unzähligen Bildern und Devotionalien seiner Musikkarriere.

Fotoausstellung in Gmunden
Gmunden.Photo
Autofreak DJ Wolfram mit seiner Koje „Wolfram’s World“

Umstrittene Hotelbauten

Dabei steht das heitere Festival auf gar nicht so unbelastetem Boden. Denn Gmunden steht nicht nur für die berühmte Keramik mit dem grünen Dekor, Schönwetterserien a la „Schlosshotel Orth“ und pittoreske Bergkulissen rund um den Traunstein. Es hat auch eine lange und unerfreuliche Geschichte unseliger Bausünden und umstrittener Hotelbauten.

Das liegt an der Vergangenheit der heute rund 13.000 Einwohner zählenden Stadt. Der Aufstieg zur Kurstadt bescherte Gmunden ab der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur einen riesigen Besucheransturm, sondern auch einen Bauboom, für den eigentlich von Anfang an kein Platz war.

Die Esplanade mit dem Franz-Josef-Platz war ein Tourismusmagnet, schon bald gab es Bestrebungen, die Uferpromenade bis zur Traunbrücke und zum Seebahnhof zu verlängern. Nahe der neuen Eisenbahnlinie Gmunden – Linz – Budweis, die für den Salzhandel anfangs als Pferdeeisenbahn gebaut worden war, entstanden immer mehr Hotels.

Fotoausstellung in Gmunden
Clarissa Stadler
Frachtschiffcontainer im Seeviertel Gmunden: Bis zum Start der Kulturhauptstadt 2024 ist die Präsentation frei zugänglich

Kulturhauptstadt 2024

Das Areal des ehemaligen Seebahnhofes wurde zum umkämpften Terrain und ist es bis heute. Bereits 1974 war dort ein Holiday-Inn-Hotelprojekt gescheitert, dann wurde jahrelang um den Abriss des ehemaligen Parkhotels gekämpft. Undurchsichtige Deals zwischen Gemeinde, ÖBB und einem Hotelbetreiber ließen Bürgerbewegungen auf die Barrikaden gehen, bis vor wenigen Jahren das Aus des umstrittenen Luxushotelprojekts „Lacus Felix“ beschlossen wurde.

Jetzt ist die Stadtgemeinde intensiv darum bemüht, das inzwischen ihr gehörende und nicht gerade ansehnliche Gesamtareal unter der Bezeichnung „See-Viertel“ adäquat mit Hotel- und Wohngebäuden zu entwickeln. Die Planungen laufen auf Hochtouren, soll doch 2024 die Neubebauung abgeschlossen sein.

Dann nämlich werden im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas 2024 alle Augen nicht nur auf Bad Ischl, sondern auch weitere 22 Gemeinden der Salzkammergut-Region gerichtet sein. Für die Gmunden Photo mit ihren Containern heißt es dann Umziehen. Aber das sollte für dieses ohnehin mobile Konzept kein Problem sein.