Krenkenwagen in Lissabon
APA/AFP/Patricia de Melo Moreira
CoV-Zahlen

EU-Behörde erwartet starken Anstieg

Die EU-Krankheitsbekämpfungsbehörde erwartet einen neuen starken Anstieg der Coronavirus-Infektionsfälle in Europa in den nächsten Wochen. Die Zahl der Neuinfektionen könnte sich laut den am Freitag veröffentlichten Prognosen des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) bis Anfang August fast verfünffachen.

Ursachen sind laut ECDC die hochansteckende Delta-Variante sowie die Lockerungen von Coronavirus-Beschränkungen in vielen Ländern. Die Prognosen der EU-Behörde beziehen sich auf das Gebiet der EU, Norwegens und Islands. Das ECDC erwarte für die am 1. August endende Woche eine 7-Tage-Inzidenz von 420 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Vergangene Woche lag die 7-Tage-Inzidenz in dem Gebiet bei 90.

Die ECDC rechnet zudem damit, dass die Zahl der Fälle in der Region in der ersten vollständigen August-Woche auf 622,9 pro 100.000 Einwohner angestiegen sein wird. Für Österreich wird ein Wert von knapp über 200 angegeben.

Spitals- und Todeszahlen steigen langsamer

Die Zahl der Behandlungen im Krankenhaus und der Covid-19-Todesfälle wird laut ECDC aufgrund der laufenden Impfkampagnen langsamer ansteigen. Derzeit verzeichnen zwei Drittel der 30 von der EU-Behörde beobachteten Länder eine steigende Tendenz bei den Neuinfektionen.

In der Woche von 5. bis 11. Juli stieg die Zahl der Neuinfektionen in der EU sprunghaft um 60 Prozent an. „In den am stärksten betroffenen Ländern wurden die größten Zuwächse und höchsten Melderaten bei den 15- bis 24-Jährigen gemeldet“, erklärte das ECDC.

Ein Prozent der britischen Bevölkerung infiziert

Einen Vorgeschmack, was passieren kann, liefert Großbritannien, wo die Delta-Variante schon mehrere Wochen die Infektionszahlen in die Höhe treibt. Zuletzt meldeten die Behörden 48.000 neue Fälle innerhalb von 24 Stunden. Mittlerweile steigen auch die Zahlen der Hospitalisierten und Verstorbenen wieder, wenngleich dank der Impfungen und überstandener Infektionen weit weniger schnell als bei den früheren Wellen. Die britische Statistikbehörde ONS hat berechnet, dass in der Vorwoche einer von 95 Menschen in England infiziert war – also mehr als ein Prozent der Bevölkerung.

Verschärfte Maßnahmen gegen Delta-Variante

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) hat Verschärfungen der Pandemiemaßnahmen angekündigt. Ab Donnerstag muss etwa ein PCR-Test bzw. ein Impfnachweis in der Gastronomie vorgelegt werden. Damit soll die Ausbreitung der Delta-Variante eingedämmt werden.

Zu einem Problem wird unterdessen die Masse der Personen, die von der Contact-Tracing-App aufgefordert wird, nach Kontakt mit Infizierten in Quarantäne zu gehen. In der vergangenen Woche hatte die Warn-App mehr als 520.000 Menschen landesweit zur Selbstisolation aufgefordert. Einige Wirtschaftsbranchen warnen vor einem Mangel an Arbeitskräften und befürchten, die Tätigkeiten drosseln oder gar einstellen zu müssen. Die Regierung von Boris Johnson überlegt daher Ausnahmeregelungen – etwa für Gesundheitsberufe wie auch in der Nahrungsmittelproduktion.

Britische Forschende warnen

Am Montag enden in England alle Coronavirus-Regeln. Dann fallen auch Abstandsregeln. Befürchtet wird ein weiterer, rascher Anstieg der Infektionen. Und das würde – rein statistisch – dazu führen, das auch mehr bereits Geimpfte schwerer erkranken.

In einem offenen Brief warnten unterdessen 1.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor den Öffnungsschritten: Eine massenhafte Ausbreitung würde nicht nur die Ungeimpften und chronisch Vorerkrankten gefährden, sondern auch einen „fruchtbaren Boden für das Auftreten von impfstoffresistenten Varianten“ bieten. „Das würde alle gefährden, einschließlich derer, die bereits geimpft sind, in Großbritannien und weltweit.“

Reproduktionszahl in Österreich wächst

Wie stark die Ausbreitung der Delta-Variante die Fallzahlen in Österreich steigen lässt, zeigt sich unterdessen auch bei der Reproduktionszahl. Diese liegt nun erstmals seit Monaten wieder deutlich über dem Schwellenwert von eins bei 1,33. Hochgerechnet stecken somit 100 Infizierte 133 weitere Personen an. In der Vorwoche lag die Reproduktionszahl noch bei 1,03, vor zwei Wochen bei 0,86.

Das geht aus der am Freitag publizierten wöchentlichen Analyse der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) und der TU Graz hervor. Sehr hoch ist auch die tägliche Steigerungsrate der Neuinfektionen, diese liegt bei zwölf Prozent. Vergangenen Freitag waren es noch 2,9 Prozent gewesen, vor zwei Wochen waren die Zahlen noch rückläufig, damals gab es einen täglichen Rückgang von 3,3 Prozent.

Laut AGES liegt die effektive Reproduktionszahl nur noch im Burgenland um eins. In allen anderen Bundesländern ist sie – teils deutlich – darüber. In Kärnten beispielsweise beträgt sie bereits um die zwei. In der Analyse wurde aber darauf hingewiesen, dass für das Burgenland, Kärnten, Salzburg, die Steiermark, Tirol und Vorarlberg der Schätzwert der effektiven Reproduktionszahl durch die geringe Fallzahl mit großer Unsicherheit behaftet ist.