Helfer befördert Müll und Trümmer an der Erft entlang.
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Hochwasser in Deutschland

Merkel besucht Katastrophengebiet

Unwetter haben im Westen Deutschlands eine Schneise der Verwüstung hinterlassen – 156 Tote lautet die vorläufige traurige Bilanz in Deutschland. Samstagabend wurde auch in Oberbayern der Katastrophenfall ausgerufen. Am Sonntag traf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der besonders schwer getroffenen Eifelregion ein.

Nach den verheerenden Unwettern hat sich die Opferzahl in den Katastrophengebieten weiter erhöht. Allein der Kreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz meldete am Sonntagmorgen 110 Tote und 670 Verletzte. Auch im benachbarten Nordrhein-Westfalen kamen Dutzende Menschen ums Leben. Merkel besuchte am frühen Nachmittag die Hochwassergebiete in der Eifel. Der Ortsbürgermeister von Schuld, Helmut Lussi, begrüßte Merkel. Fernsehbilder zeigten sie auf einer Brücke im Gespräch mit Einsatzkräften.

Merkel sprach mit Einsatzkräften und Betroffenen. Das Ausmaß der Katastrophe bezeichnete sie als „surreal, gespenstisch“. Die deutsche Sprache kenne kaum Worte für die angerichtete Zerstörung. „Wir werden uns dieser Naturgewalt entgegenstemmen“, sagte die deutsche Kanzlerin und kündigte Hilfen des Bundes für die betroffenen Kommunen an.

Sie fragte die Helfer, ob sie genug Schlaf bekämen, wie die Trinkwasserversorgung klappe, was ihre größten Probleme seien, auch wie es ihnen persönlich gehe. „Einen Kollegen hat es ganz schwer getroffen, da ist das ganze Haus weg“, sagte einer der Feuerwehrmänner. „Haben Sie noch etwas, was Sie uns mitgeben wollen?“, fragte Merkel am Ende des Gesprächs. Merkel fuhr nach dem Gespräch in weitere Eifel-Orte. Für den Nachmittag ist ein Pressestatement in Adenau geplant.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Lokalaugenschein im überfluteten Schuld
Reuters/Christof Stache
Merkel im schwer zerstörten Ort Schuld

Während im Westen Deutschlands kein weiterer großflächiger Regen erwartet wurde, gingen in Südostbayern, Österreich und in der Sächsischen Schweiz in der Nacht Unwetter nieder. So sorgten die Wassermassen im Berchtesgadener Land für überflutete Straßen und Erdrutsche. 890 Hilfskräfte waren in den besonders betroffenen Orten in Oberbayern im Einsatz. Der örtliche Einsatzleiter Anton Brandner sprach von dramatischen Szenen: „Fahrzeuge auf den Straßen wurden zum Spielball der Wassermassen.“

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Zerstörte Brücke der Bahnstrecke bei Walporzheim
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Eine Brücke einer Bahnstrecke in Rheinland-Pfalz ist zerstört
Aufräumarbeiten bei einer zerstörten Brücke der Bahnstrecke bei Walporzheim
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Mittlerweile haben in dem Unwettergebiet die Aufräumarbeiten begonnen
Panzer der Bundeswehr zieht einem Wagen aus der Flut
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Im besonders schwer betroffenen Erfstadt zieht die Bundeswehr weiterhin Autos aus dem Wasser
Zerstörte Häuser im Ahrtal im Ortsteil Walporzheim
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Eines von vielen vollständig zerstörten Häusern im Ahrtal, Rheinland-Pfalz
Zerstörtes Möbiliar liegt auf einem Feld außerhalb des Ortsteils Arloff
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Zerstörtes Mobiliar und Eltektrogeräte sind vorübergehend auf einem Feld außerhalb von Bad Münstereifel (Nordrhein-Westfalen) gelagert.
Erdrutsch nach Überschwemmungen im Rhein-Erft-Kreis
APA/AFP
Riesiger Erdrutsch nach Überschwemmungen in Erftstadt-Blessem im Rhein-Erft-Kreis
Eine Frau steht an einem Hauseingang an einer überfluteten Straße
Reuters/Thilo Schmuelgen
Überflutete Straße: Eine Frau kann ihr Haus in der besonders schwer getroffenen Stadt Erfstadt nicht mehr verlassen
Soldaten der Bundeswehr bergen mit einem Pionierpanzer Dachs ein zerstörtes Auto bei den Aufräumarbeiten der schweren Unwetterschäden im Ortsteil Hohenlimburg
APA/dpa/Julian Stratenschulte
Riesiger Erdrutsch nach Überschwemmungen in Erftstadt-Blessem im Rhein-Erft-Kreis
Campinganhänger, Trümmerteile und Müll stauen sich in der Ahr vor der Burg Kreuzberg
APA/dpa/Lino Mirgeler
Campinganhänger und Trümmerteile stauen sich in der Ahr vor der Burg Kreuzberg
Baukran bei den Aufräumarbeiten in Bad Neuenahr-Ahrweiler
Reuters/Wolfgang Rattay
Baukran bei den Aufräumarbeiten in Bad Neuenahr-Ahrweiler

Ache trat über Ufer

Sintflutartige Regenfälle hatten am Samstagabend den Fluss Ache über die Ufer treten und Hänge abrutschen lassen. Der Landkreis rief den Katastrophenfall aus. Zwei Menschen starben. Ein Opfer sei an einer natürlichen Ursache verstorben, sagte Landrat Bernhard Kern (CSU) in der Früh. Aber auch das könne mit dem Unwetter zusammenhängen. Häuser mussten geräumt werden, weil sie vom Einsturz bedroht waren. 130 Menschen wurden in Sicherheit gebracht, darunter 80 aus einer Siedlung in Schönau am Königssee, sagte Kern.

Merkel werde sich in der Eifel-Gemeinde Schuld, die besonders schwer von der Katastrophe getroffen wurde, ein Bild von der Lage machen, teilte die Staatskanzlei in Mainz mit. Danach ist ein Pressestatement mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer in Adenau etwa 50 Kilometer westlich von Koblenz geplant. Nachdem sich die Fluten aus vielen Gebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zurückgezogen haben, wird in den Trümmern weiter nach Todesopfern und Verletzten gesucht.

Immense Regenfälle verursachten am Samstag auch in Teilen Sachsens heftige Überschwemmungen. In der Sächsischen Schweiz waren mehrere Ortslagen von Städten und Gemeinden nicht mehr erreichbar. Die Bahnstrecke zwischen Bad Schandau und dem tschechischen Decin wurde gesperrt. Betroffen sind auch Fernzüge zwischen Dresden und Prag. „Die Situation ist angespannt, aber beherrschbar“, erklärte das Lagezentrum des Innenministeriums in Dresden.

Katastrophenalarm im Berchtesgadener Land

Soforthilfe in dreistelliger Millionenhöhe

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) stellte unterdessen Soforthilfen in dreistelliger Millionenhöhe in Aussicht. „Es braucht einen nationalen Kraftakt“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Am Mittwoch wolle der Vizekanzler im Kabinett zwei Dinge auf den Tisch legen: „Erstens eine Soforthilfe, bei der letzten Flut waren dafür deutlich mehr als 300 Millionen Euro nötig. Da wird jetzt sicher wieder so viel gebraucht“, erläuterte Scholz. „Zweitens müssen wir die Grundlage für ein Aufbauprogramm schaffen, damit die zerstörten Häuser, Straßen und Brücken zügig repariert werden. Wie wir von der vorherigen Katastrophe wissen, geht es um Milliarden Euro.“

In Nordrhein-Westfalen liegt die Zahl der bestätigten Todesopfer bei 45, darunter vier Feuerwehrleute. Ministerpräsident Armin Laschet, der am Samstag mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Katastrophengebiet in Erftstadt besucht hatte, versprach Direkthilfe für die betroffenen Menschen und sagte zu, dass „sehr unbürokratisch Geld ausgezahlt“ werde. Steinmeier hatte zu Solidarität und Spenden für die Opfer aufgerufen. Für Montag hat sich Innenminister Horst Seehofer (CSU) in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz angekündigt.

Keine Entwarnung bei Steinbachtalsperre

Einen Rückschlag gab es in NRW bei Euskirchen an der Steinbachtalsperre, wo das Wasser langsamer als erwartet abfließt. Deshalb sollten Experten am Sonntag die Lage des von einem Bruch bedrohten Staudamms neu bewerten, wie die Bezirksregierung Köln mitteilte. Eigentlich hatten die Behörden gehofft, am Sonntagnachmittag Entwarnung geben zu können. Aus der Talsperre wird Wasser abgelassen, um Druck von dem Damm zu nehmen.

Im ebenfalls von schweren Überschwemmungen heimgesuchten Osten Belgiens erhöhte sich die Zahl der Todesopfer auf mindestens 27. Von 103 weiteren Menschen war nach Angaben der Behörden der Verbleib am Samstagabend noch ungeklärt.

Auch in mehreren Regionen Österreichs kam es zu starken Überflutungen. An verschiedenen Orten in den Bundesländern Salzburg und Tirol wurde Zivilschutzalarm ausgelöst. In der Altstadt von Hallein kam es zu massiven Überschwemmungen.