Nordirland-Protokoll: London will wieder verhandeln

Großbritannien verschärft im Streit über die Brexit-Regeln für Nordirland den Konfrontationskurs gegenüber der EU. Es brauche „erhebliche Änderungen“ an den im Nordirland-Protokoll des Brexit-Abkommens festgehaltenen Regeln, sagte der Brexit-Beauftragte David Frost heute im Londoner Oberhaus. Die EU-Kommission lehnte Neuverhandlungen umgehend ab. Man sei aber bereit, „kreative Lösungen“ im Rahmen des Protokolls zu suchen, so Vizekommissionspräsident Maros Sefcovic.

„Wir glauben, dass diese Änderungen in der Situation, in der wir uns gerade befinden, notwendig sind“, sagte Frost vor dem Parlament in London. „Wir können so nicht weitermachen.“ Zwar seien die Bedingungen für eine einseitige Kündigung des entsprechenden Protokolls gegeben, fügte Frost hinzu.

Jetzt sei aber nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Stattdessen solle durch Verhandlungen mit der EU ein „neues Gleichgewicht zum Wohle aller“ gefunden werden. Premierminister Boris Johnson erklärte, einige Teile des Protokolls könnten beibehalten werden.

Gegenseitige Vorwürfe

Hintergrund des Streits ist die im Brexit-Abkommen festgeschriebene Regelung, dass Nordirland weiterhin den Regeln des EU-Binnenmarkts folgt. Damit sollen Warenkontrollen zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Republik Irland verhindert werden. Ansonsten wird mit einem Wiederaufflammen des Konflikts in der ehemaligen Bürgerkriegsregion gerechnet.

Die bisherigen Regelungen seien nicht geeignet, den Frieden Region zu sichern, sagte Frost. Daher müsse nun ein neues Gleichgewicht geschaffen werden, das den Handel mit Waren zwischen Großbritannien und Nordirland erleichtere. Frost schlug der EU eine „Periode des Stillstands“ vor, in der bisher geltende Übergangsfristen verlängert und rechtliche Streitigkeiten pausiert werden sollten.

Brüssel wirft der britischen Regierung vor, das Protokoll nicht richtig umzusetzen. London bezichtigt hingegen die EU-Kommission, die Vereinbarung allzu kleinlich auszulegen. US-Präsident Joe Biden hat die Regierung in London aufgerufen, sich an die Vereinbarungen über Nordirland zu halten und einen Kompromiss mit der EU zu finden.