Ein Arbeiter an einem Rohr für Nord Stream 2
Reuters/Stine Jacobsen
Einigung zu Ostsee-Pipeline

Weg für „Nord Stream 2“ scheint geebnet

Deutschland und die USA haben ihren jahrelangen Streit über die Ostsee-Pipeline „Nord Stream 2“ nach Angaben aus Washington beigelegt. Deutschland sei bereit, Sanktionen gegen Russland zu ergreifen, falls die Gaspipeline von Russland dazu verwendet werden sollte, der Ukraine oder anderen osteuropäischen Ländern zu schaden. In Berlin wurde der Durchbruch bestätigt.

Die beinahe fertiggestellte Pipeline soll russisches Gas nach Deutschland bringen – unter Umgehung der Ukraine, die auf die Einnahmen aus dem Gastransit angewiesen ist. An der Finanzierung der Pipeline ist neben anderen Konzernen auch die österreichische OMV beteiligt.

US-Staatssekretärin Victoria Nuland sagte, Deutschland habe sich in der Einigung unter anderem zu Maßnahmen verpflichtet, „sollte Russland versuchen, Energie als Waffe einzusetzen oder weitere aggressive Handlungen gegen die Ukraine zu begehen“. Das schließe mögliche Sanktionen ein. Vereinbart sei außerdem Unterstützung für eine Verlängerung des 2024 auslaufenden Gastransitabkommens durch die Ukraine um weitere zehn Jahre. Man werde außerdem daran arbeiten, die Abhängigkeit der Ukraine vom russischen Gas und den Transiteinnahmen zu verringern.

Grafik zur Gas-Pipeline Nord Stream 2
Grafik: ORF.at/APA

„Grüner“ Fonds für Ukraine

Damit könnte etwa die Produktion von Wasserstoff in der Ukraine gefördert werden. Deutschland habe nun zugestimmt, sich an einem „grünen“ Fonds in Höhe von einer Milliarde Dollar zu beteiligen, um der Ukraine bei der Umstellung auf sauberere Energiequellen zu helfen und ihre Energiesicherheit zu verbessern.

„Bin erleichtert, dass wir in Sachen Nord Stream 2 mit den USA eine konstruktive Lösung gefunden haben“, schrieb der deutsche Außenminister Heiko Maas am Mittwoch auf Twitter. „Wir werden die Ukraine beim Aufbau eines grünen Energiesektors unterstützen und uns dafür einsetzen, den Gastransit durch die Ukraine im nächsten Jahrzehnt zu sichern.“

Nuland sagte, die Regierung von US-Präsident Joe Biden sei weiterhin der Überzeugung, dass „Nord Stream 2“ „ein schlechter Deal“ sei, der die Abhängigkeit Europas von russischer Energie verstärke. „Das ist eine schlechte Situation und eine schlechte Pipeline, aber wir müssen helfen, die Ukraine zu schützen, und ich habe das Gefühl, dass wir mit dieser Vereinbarung einige wichtige Schritte in diese Richtung gemacht haben.“

Kiew wenig erfreut

Aus der Ukraine kam allerdings Kritik. Aus dem Büro von Präsident Wolodymyr Selenski hieß es: „Die Entscheidung zu Nord Stream 2 kann nicht hinter dem Rücken all derer getroffen werden, die das Projekt real bedroht.“ Das könne nur bei einem persönlichen Treffen Selenskis mit US-Präsident Biden geklärt werden. Das Weiße Haus teilte am Mittwoch mit, ein Treffen Bidens mit Selenski sei für Ende August geplant.

Lob folgte dagegen aus Moskau: „Diese Vereinbarung gibt uns die Möglichkeit, den Bau von Nord Stream 2 in Ruhe abzuschließen und den Betrieb vollständig aufzunehmen“, sagte Wladimir Dschabarow vom Föderationsrat – das Oberhaus des russischen Parlaments. Zugleich stellte er Bedingungen für eine mögliche Verlängerung des Transitvertrags durch die Ukraine: Die Ukraine sollte sich als „konstruktiver Partner“ unter Beweis stellen. Bei „normalen Bedingungen“ werde niemand auf die Ukraine Druck ausüben.

Der Kreml teilte am Mittwoch mit, Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der russische Präsident Wladimir Putin hätten bei einem Telefonat ihre Zufriedenheit mit der nahenden Fertigstellung der umstrittenen Pipeline zum Ausdruck gebracht. Putin habe dabei Deutschlands „Engagement“ für das Projekt gelobt.

Gleichzeitig „feindlicher“ Ton beklagt

Doch gleichzeitig wurde von Russland der „feindliche“ Ton in der Erklärung beklagt. „Wir haben nie unsere Energieressourcen als Werkzeug politischen Drucks eingesetzt“, teilte der Botschafter des Landes in Washington, Anatoli Antonow, am Donnerstag in der US-Hauptstadt mit. Russland dränge niemandem seine Gaslieferungen auf.

Der Diplomat kritisierte, die amerikanisch-deutsche Vereinbarung beinhalte „politische Angriffe“ gegen sein Land. „Die Versuche, uns als Aggressor hinzustellen und als Land, das böswillige Handlungen vollzieht, sind schon lange die Visitenkarte einer Russophobie“, sagte Antonow.

Neustart für deutsch-amerikanische Beziehungen?

Biden und Merkel wiederum hatten am vergangenen Donnerstag in Washington einen Neustart in den deutsch-amerikanischen Beziehungen beschworen, nach schwierigen Jahren unter Bidens Vorgänger Donald Trump.

Biden sagte, er habe Merkel gegenüber nochmals seine Bedenken bezüglich der Pipeline ausgedrückt. Russland dürfe diese nicht nutzen, um „die Ukraine auf irgendeine Weise zu erpressen“. Merkel sagte, „Nord Stream 2“ sei ein zusätzliches Projekt und keine Alternative zum Gastransit durch die Ukraine: „Unser Verständnis war und ist und bleibt, dass die Ukraine Transitland für Erdgas bleibt.“ Merkel machte deutlich, man werde „auch aktiv handeln“, falls Russland das Recht der Ukraine auf Gastransit nicht einlösen werde.

Anhaltende Gegenfront in den USA

In den USA gibt es seit Jahren parteiübergreifend Widerstand gegen „Nord Stream 2“. Die absehbare Einigung dürfte im Kongress daher auf starken Widerstand stoßen. Dort lehnen viele Republikaner das Projekt ab und fordern Sanktionen, genauso wie einige von Bidens Demokraten. Kritiker sehen in der Pipeline ein geopolitisches Projekt Russlands, das die Energiesicherheit Europas gefährde. Sie bemängeln außerdem, dass die Pipeline der Ukraine schaden könnte. Kiew ist auf Milliardeneinnahmen aus dem russischen Gastransit angewiesen. Befürworter der Pipeline wiederum werfen den USA vor, nur ihr eigenes, teureres Gas in Europa absetzen zu wollen.