Excavator beim Abbau von Kohle
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Schwierige Energiewende

Kohlepreis geht durch die Decke

Viele Länder weltweit versuchen derzeit mehr oder weniger ernsthaft, zumindest den Einstieg in die Energiewende zu schaffen. Derzeit steigt allerdings ausgerechnet der Preis für Steinkohle, der wohl verpönteste fossile Brennstoff, dramatisch. Das wirft ein Schlaglicht auf die Herausforderungen, vor der Politik und Weltwirtschaft beim Einbremsen der Klimaveränderung stehen.

Laut „Financial Times“ („FT“) stieg der Preis für australische Kohle, die einen besonders hohen Brennwert hat, seit Jahresbeginn um 80 Prozent. Eine Tonne dieser Kohle, die der Referenzwert im Großteil Asiens ist, steht jetzt bei 146 Dollar je Tonne. Das ist der höchste Preis seit zehn Jahren. Und auch südafrikanische Steinkohle hat laut dem Branchendienst Argus ein Zehnjahreshoch erreicht. Der Preis stieg seit Jahresbeginn um 44 Prozent.

Damit ist der Kohlepreis laut „FT“ deutlich stärker gestiegen als die beiden heuer bisher am stärksten wachsenden Vermögensklassen. Denn Immobilien legten um 29 Prozent zu und Aktien um 25 Prozent. Nur Rohöl der Marke Brent kommt mit 44 Prozent Preisauftrieb auf ein ähnliches Niveau wie Kohle.

Unterbrechungen bei der Lieferkette, eine Dürre in China und vor allem der höhere Energiebedarf aufgrund des Wiederanziehens der globalen Konjunktur haben den Kohlepreis nach oben schnellen lassen und „einen der weltweit unbeliebtesten Rohstoffe zu einer der heuer besten Anlagen gemacht“, wie es die „FT“ formulierte.

Mit Kohle beladene Schiffe in China
AP/Imaginechina
Zahlreiche Kohleschiffe warten auf die Entladung in der Millionenstadt Huai’an, in der Provinz Jiangsu.

Politische Ziele vs. Realität

Der Kohleboom zeigt zugleich auf, vor welchen Problemen Regierungen beim Umstieg auf grüne Energieformen stehen. Viele Staaten haben eine drastische Reduktion ihres CO2-Ausstoßes angekündigt. Österreich etwa will bis 2040 klimaneutral sein. Trotz starken Wachstums etwa bei Wind- oder Sonnenenergieproduktion, kann aber die Produktion grünen Stroms mit der derzeit rasch steigenden Nachfrage nicht mithalten.

Vielzahl an Faktoren

Vor allem die starke Nachfrage aus China, das mit Abstand am meisten Kohle verbrennt, hat laut dem Analysten Dmitry Popov vom Beratungsunternehmen CRU den Preisanstieg verursacht. Chinesische Einkäufer seien bereit, Höchstpreise für Kohle zu zahlen. Erhöht wurde Chinas Bedarf durch eine Dürre im Süden des Landes, der dortige Wasserkraftwerke bei der Stromproduktion praktisch ausfallen ließ.

Kohlekraftwerk in China
AP/Sam McNeil
Kohlekraftwerke produzierten 2020 in China rund zwei Drittel des gesamten Stroms

Chinas heimische Bergwerke konnten wegen erhöhter Sicherheitsauflagen nicht mehr abbauen. In Indonesien, dem wichtigsten Kohlelieferanten Chinas wurde der Abbau durch lange, schwere Regenfälle behindert.

Australische Kohle können chinesische Stromerezuger zudem wegen von Peking gegen Canberra verhängter Sanktionen nicht kaufen. Und einige Kraftwerksbetreiber in Japan und Europa wechselten wegen hoher Erdgaspreise zu Kohle, was den Preis weiter in die Höhe trieb. „Ich habe China zuvor noch nie unter dieser Art von Druck gesehen“, so der Analyst Tome Price von Liberum.

Kohlkraftwerk in Neurath, Deutschland
Reuters/Wolfgang Rattay
Das Braunkohlekraftwerk Neurath nordwestlich von Köln

Starker Anstieg auch in Deutschland

Es ist allerdings keineswegs ein rein chinesisches Phänomen. Deutschland etwa ist auch stark betroffen, dort haben kalorische Kraftwerke seit dem schrittweisen Atomkraftausstieg an Bedeutung gewonnen. Und laut Schätzungen von Argus wurde dort heuer im ersten Halbjahr um 35 Prozent mehr Strom aus Stein- und Braunkohle erzeugt als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

IEA: Grüner Strom kann nur Teil abdecken

Die Internationale Energieagentur (IEA) geht davon aus, dass nach einem Rückgang im Vorjahr um ein Prozent heuer der weltweite Energieverbrauch um rund fünf Prozent steigt. Erneuerbare Energiequellen würden weiter rasch steigen, „aber sie werden 2021 und 2022 nur etwa die Hälfte des Nachfrageanstiegs abdecken können“, so die IEA. Die kohlebasierte Stromproduktion wird laut IEA daher heuer um fast fünf Prozent steigen und damit das Niveau vor der Pandemie übertreffen.

Im Westen wird vor allem der Rohstoffriese Glencore profitieren, zeigte sich UBS-Experte Myles Allsop zuletzt gegenüber dem „Wall Street Journal“ überzeugt. Der Konzern kündigte bereits an, seine Kohlegruben in Australien, Südafrika und Lateinamerika weiterhin zu betreiben, statt sie zu schließen. BHP dagegen will trotz des Preisbooms weiter aus der Kohleförderung ausstiegen.

Solarkraftwerk in China
AP/Sam McNeil
China baut die Produktion aus erneuerbaren Enerqiequellen stark aus, ist aber weiter stark von Kohle abhängig

Keine rasche Änderung in Sicht

In naher Zukunft könnten umweltpolitische Vorgaben die Kohleförderung allerdings weniger attraktiv machen. Und Banken achten zusehends auf ein Portfolio, das möglichst klimaneutral ist. Es ist damit zu rechnen, dass sie künftig immer weniger dazu bereit sind, neue Kohleabbauprojekte zu finanzieren.

Der Experte Price betonte gegenüber dem „Wall Street Journal“ und der „Finanical Times“, er gehe davon aus, dass „das Angebot rascher fällt als die Nachfrage“. Denn Länder wie China oder Indien würden zumindest noch zehn Jahre Kohle im großen Stil aufkaufen. Der Kohlepreis werde, so ist zumindest Price überzeugt, nicht schlagartig nachgeben.