Vizekanzler Werner Kogler
APA/Georg Hochmuth
Klimaschutz

Kogler attestiert Kurz „altes Denken“

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hat sich im jüngsten koalitionsinternen Zwist um die Klimapolitik erstmals zu Wort gemeldet und seiner Parteikollegin, Umweltministerin Leonore Gewessler, Schützenhilfe geleistet. Dem Kanzler attestierte er im Interview mit der Tageszeitung „Die Presse“ (Sonntag-Ausgabe) nach dessen „Steinzeit“-Sager „altes Denken und Politik von gestern“.

„Das letzte Mal, dass ich mich an solche Töne aus dem Kanzleramt erinnern kann, ging es um Hainburg. Damals hatte ich auch den Eindruck, dass Bundeskanzler Sinowatz (Ex-SPÖ-Kanzler Fred, Anm.) von den falschen Leuten, manchmal sogar von Betonköpfen, beraten wurde“, so Kogler: „Die Diktion war jedenfalls haarscharf die gleiche.“ Gespräch habe er, Kogler, mit Kanzler Kurz seit dessen „Steinzeit“-Sager keines geführt.

Er habe den Eindruck, dass es bei Kurz so „wie früher ist“ und man sich im Kanzleramt „vielleicht zu viel mit Öllobbyisten und Betonierern umgibt“, so Kogler: „Sonst ist das nicht erklärbar.“ Klimaschutz sei jedenfalls ein „Mehrheitsanliegen“, gibt sich der Vizekanzler überzeugt.

S18: Kurz stellte sich hinter Wallner

Ausgangspunkt des Koalitionsscharmützels war der Auftrag Gewesslers, die Neubauprojekte der ASFINAG bis Herbst zu evaluieren, was zu einem Aufstand der Länder führte. Neben dem Wiener Lobautunnel ist auch die Bodensee Schnellstraße S18 in Vorarlberg davon betroffen. Kurz hatte sich in diesem Fall auf die Seite des Baubefürworters, Landeschef Markus Wallner (ÖVP), gestellt und bei seinem jüngsten Besuch in Vorarlberg gemeint, dass der Verzicht auf Mobilität und auf Individualverkehr nicht funktionieren werde.

Grafik zeigt den Verlauf der geplanten S18 Bodensee Schnellstraße
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: ASFINAG

Er sei nicht der Meinung, „dass unser Weg zurück in die Steinzeit sein sollte“. Und in Sachen S18 erklärte Kurz, das Projekt sei „schon lange versprochen und es muss auch durchgeführt werden“.

Kogler: „Ehrlich evaluieren statt blindwütig betonieren“

Kogler verteidigte gegenüber der „Presse“ die Entscheidung der Umweltministerin: „Es geht hier jedenfalls nicht um die Verhinderung von Bauprojekten“, sondern um „ehrlich evaluieren statt blindwütig betonieren“. Denn in Vorarlberg sollte man wissen, „dass es nach jetzigem Wissensstand schnellere, günstigere und naturschonendere Alternativen zur S18 gibt“. Überhaupt sei man bei diesem Projekt „noch Lichtjahre von einer Umweltverträglichkeitsprüfung entfernt“.

Maurer: „Persönliche Meinung“ des Kanzlers

Bereits am Donnerstag hatte sich die Klubchefin der Grünen, Sigrid Maurer, zu Wort gemeldet. „Wer glaubt, die Klimakrise bewältigen zu können, ohne etwas zu verändern, der lebt in der Steinzeit“, sagte sie mit Blick auf die Aussagen des Kanzlers. Dieser hatte gegenüber den „Vorarlberger Nachrichten“ gesagt, „dass es vollkommen falsch wäre zu glauben, dass wir das Klima in Zukunft dadurch retten können, dass wir uns nur noch im Verzicht üben“. Der einzig „richtige Zugang“ sei, so der ÖVP-Chef, auf Innovation und Technologie zu setzen.

„Der Kanzler hat hier seine persönliche Meinung geäußert“, sagte Maurer. Denn im Nationalrat sei erst am Montag mit großer Mehrheit von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS ein Entschließungsantrag beschlossen worden, der die Prüfung einer umweltfreundlicheren und schnelleren Alternative zur S18 vorsieht – das sei also ein klarer Auftrag aus dem Parlament an die Regierung, betonte Maurer. Ein „Entschließer“ ist aber eine nicht verbindliche Aufforderung bzw. Willenserklärung.

Einen Konflikt in der Koalition sahen aber weder Maurer noch Kurz. „Ein Diskurs in der Demokratie ist absolut etwas Normales“, und es könne unterschiedliche Zugänge geben, so der Kanzler. Maurer glaubt jedenfalls nicht, dass der Streit zu einer großen Belastung für das Koalitionsklima wird – „wir haben bei vielen Dingen unterschiedliche Ansichten“, sagte Maurer.

Kurz: Planungssicherheit notwendig

Kurz hatte gegenüber der „Vorarlberger Nachrichten“ zu bedenken gegeben, dass in Österreich viele Menschen auf dem Land auf das Auto angewiesen seien, hier gebe es auch keine U-Bahn wie in Wien. Auf die Frage, ob er beim Thema Bodensee Schnellstraße S18 in Vorarlberg nicht die Demokratie missachte, wenn es doch einen demokratischen Auftrag zur Projektprüfung gebe, antwortete Kurz: „Viele Projekte sind bereits beschlossen und rechtlich am Weg. Ich bin auf der Seite der Bevölkerung und der Bundesländer, die eine gewisse Planungssicherheit erwarten.“

Umweltministerin Gewessler gab sich indes gelassen. „Ich kann mit der Diskussion relativ wenig anfangen“, sagte Gewessler zu den Aussagen des Kanzlers. Die Klimakrise stelle „unsere Lebensgrundlage infrage“. Gewessler sieht großen Handlungsbedarf. „Wir haben im letzten Jahr sehr intensiv erlebt, was es heißt, auf einem kranken Planeten zu leben. Auf einem kranken Planeten gibt es kein gesundes Wirtschaften.“