Krasznahorkai: Staatspreisverleihung mit langem Dank

Laszlo Krasznahorkai, mit Peter Nadas wahrscheinlich der wichtigste Vertreter des ungarischen Gegenwartsromans, hat heute in Salzburg den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur entgegengenommen. Ausgezeichnet wird er nicht zuletzt für die Weiterentwicklung des europäischen Romans. Der Autor hielt eine Dankesrede, die nur aus Dankesnamen zwischen dem Schwimmbad seiner Heimat und dem „schwarzen Schaf Thomas Bernhard“ bestand. Interessant dabei: die Auslassungen.

Der ungarische Schriftsteller Laszlo Krasznahorkai am während seiner Rede anlässlich der Überreichung des „Österreichischen Staatspreises für Europäische Literatur 2021“
APA/Neumayr/leo

Als Literatur, die quer stand zu einer zu rosig gedachten Zukunft nach dem Fall der Mauer, bezeichnete der Grazer Germanist Klaus Kastberger in seiner Laudatio das Werk des 67-jährigen Ungarn, der mittlerweile in Triest lebt. In den 90er Jahren habe man ja noch die junge Partei FIDESZ als eine liberale Kraft imaginiert. Mittlerweile stehe man vor einer Situation, wo die ungarische Moderne von der Regierung von Viktor Orban aus den Lehrplänen der Schule aussortiert werde zugunsten einer „nationalistischen, faschistischen und antisemitischen Lektüre“.

„Es gibt Hoffnung, nur nicht für uns“

Die Kunst von Krasznahorkai entwerfe Bilder, die mitunter stärker über die Zeit hinausgreifen, als „uns Lesern“ klar sei. Rund um die Figuren Krasznahorkais wisse man sehr schnell: In dieser Welt stimme etwas nicht. „Der Teufel ist draußen und wir sind absolut ohnmächtig“, erinnert Kastberger an eine Aussage des Autors.

Die langen Sätze und andere Besonderheiten seiner Literatur seien auch eine Herausforderung für alle Übersetzerinnen und Übersetzer, die aber gerade im Fall der ungarischen Literatur so unabdingbar seien. Manchmal müsse in seiner Literatur alles in einen Satz gepresst werden, weil es eben nicht anders ginge. „Es gibt in der Welt Krasznahorkais wahnsinnig viel Hoffnung, nur leider nicht für uns“, so Kastberger. In England habe der Autor schon längst Kultstatus, bei uns sei er immer noch ein Geheimtipp.

Dank an Faulkner, Bernhard „und den letzten Wolf der Extremadura“

Krasznahorkai dankte in seiner Rede, die nur aus Dankesaufzählungen bestand, all jenen, die ihn motiviert hätten, Literat zu werden. Neben Franz Kafka und Ludwig Wittgenstein auch „den 21 Mädchen“, in die er sich in seiner Jugend „unsterblich verliebt“ habe. Freunde und literarische Vorbilder mischten sich in dieser Dankesaufzählung, die andere lebende Gegenwartsautoren seiner Heimat ausklammerte. Er danke auch William Faulkner, „für seine zum Schweigen gebrachten Sätze“ und Thomas Bernhard – „Ihrem brillanten schwarzen Schaf“ – und auch dem „letzten Wolf der Extremadura“.

Mayer erinnert an verbindenden Charakter der Literatur

Kunststaatssekretärin Andrea Mayer erinnerte in ihrer Rede an die Rolle des „Staatspreises als Zeichen für ein selbstbewusstes Österreich“ seit den 1960er Jahren. Mit Literatur und Kunst sollte, so Mayer, der Kontakt zu all jenen hergestellt werden, „die auch hinter dem Eisernen Vorhang lagen“.

Für sie sei der Preis gerade auch „Gradmesser für die Freiheit des Wortes“: „Wer die Werke europäischer Literatur liest, lässt sich auf die geistige Landschaft des Kontinents und seines Publikums ein. Ein gemeinsamer großer Erfahrungsraum. Niemand hat die Wahrheit, jeder aber das Recht, verstanden zu werden.“