Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler
APA/Robert Jaeger
Klimaschutz bis digitale Schule

Regierung demonstriert Einigkeit

Für einen Sommerministerrat ist die Regierungsriege am Mittwoch nach Niederösterreich in das Schloss Reichenau an der Rax gereist. Die Kulisse sollte für harmonische Bilder sorgen, die ÖVP-Grünen-Regierung bemühte sich demonstrativ um Einigkeit. Inhaltlich wurden sieben Schwerpunkte präsentiert, um die sich die Regierung im Herbst besonders kümmern will.

Dieser Themenstrauß reicht von der Bekämpfung der Pandemie über die ökosoziale Steuerreform, Maßnahmen für Standort und Arbeit, Digitalisierung der Schulen, Investitionen in den Klimaschutz, Pflege bis zu Sicherheit und Kampf gegen illegale Migration. Insgesamt gab sich die Regierung rund eine Stunde Zeit, um die Eckpfeiler für den Herbst zu setzen. Entsprechend ging es bei der anschließenden Pressekonferenz weniger um Details als viel mehr um einen Überblick über die Vorhaben.

Die ökosoziale Steuerreform liege auf dem Verhandlungstisch und solle im zweiten Halbjahr dieses Jahres abgeschlossen werden, so Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). In seinem Eingangsstatement legt Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) großes Gewicht auf die Auswirkungen der Klimakrise, die „nicht nur irgendwo am Nordpol“, sondern mitten in Österreich spürbar seien. Der Umgang mit der Klimakrise und die politischen Konsequenzen daraus waren eines der Konfliktthemen der vergangenen Wochen in der Regierung.

Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler
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Bei der Pressekonferenz skizzierten Kanzler (r.) und Vizekanzler die sieben wichtigsten Eckpunkte für den Herbst

„Zusammenarbeit läuft gut“

Zudem will sich die Regierung der Pflege widmen. Die Pflege zu Hause soll gestärkt, die Ausbildung verbessert werden. Mit Herbst soll auch das digitale Klassenzimmer ausgerollt werden. „Diese größte Änderung an Schulen seit der Einführung des Gratisschulbuchs“, so Kurz, soll schrittweise erfolgen. Neben Endgeräten für Schüler und Schülerinnen sollen auch Mitteilungsheft und Lehrinhalte digital vermittelt werden. Dafür brauche es ein Ausbildungs- und Schulungsprogramm für Lehrkräfte.

Mehrfach wurde – auf Nachfrage von Journalisten und Journalistinnen nach dem Koalitionsklima – auf die gute Zusammenarbeit verwiesen. Es sei klar, dass es Unterschiede gebe, so Vizekanzler Werner Kogler (Grüne): „Aber es zählen die Ergebnisse.“ Ähnlich argumentierte auch Kurz: „Die Zusammenarbeit läuft gut. Dass es da und dort einen anderen Ansatz gibt, ist nicht ungewöhnlich in einer Demokratie.“

Koalitionsklima zuletzt getrübt

Man dürfe sich nicht wegen jeder Kleinigkeit aus der Ruhe bringen lassen, so Kurz. Er begrüßte auch die Forderung der grünen Justizministerin Alma Zadic nach einem „Ende der ständigen Politisierung der Debatte, aber auch der Staatsanwaltschaft“. Der „Versuch, mit dem Strafrecht Politik zu machen“, sei alles andere als gut, so Kurz.

Das Koalitionsklima war zuletzt in mehreren Bereichen getrübt. Diskussionspunkte zwischen den Regierungspartnern ÖVP und Grünen gibt es genug. So waren etwa die Grünen laut einem „Presse“-Bericht nicht über die medienwirksam verkündete Ausweitung des Assistenzeinsatzes, dem sie skeptisch gegenüber stehen, an der österreichisch-ungarischen Grenze informiert.

„Nicht alles überinterpretieren“

Zudem flammt immer wieder die Justizdebatte auf, und es gab einen mehrfachen Schlagabtausch über den Umgang mit der Klimakrise etwa in Verbindung mit der Verkehrspolitik. Die ÖVP fürchtete einen „Weg zurück in die Steinzeit“, die Grünen attestierten dem Koalitionspartner daraufhin ein gedankliches Verharren in der Steinzeit.

Sonderministerrat in Reichenau
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Eine Stunde Zeit gab sich die Regierung für den Sommerministerrat am Mittwoch

Davon war nun – zumindest vor der Kamera – keine Rede mehr beim Ministerrat. Im Sinne der schönen Bilder aus dem Kurort machten Kurz und Kogler gemeinsam einen kurzen Spaziergang im Schlosspark. Wirklich Stellung nehmen zum Koalitionsklima wollten die wenigsten Minister und Ministerinnen. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) bezeichnete die Stimmung in der Koalition gegenüber Journalisten als „gut“. Auch sein Parteikollege, Klubchef August Wöginger, kalmierte: „Man darf nicht alles überinterpretieren und man soll da nicht übersensibel sein.“

„Sommerfrische“ ohne Beschlüsse

Bei dem Sommerministerrat der Regierung wurden keine Beschlüsse gefasst. Es gibt ein Programm für den Herbst, allerdings ohne Inhalte, berichtet ORF-Reporterin Claudia Dannhauser aus Reichenau an der Rax.

Mehr Geld für psychosoziale Probleme bei Kindern

Die Bundesregierung stockt angesichts der Pandemie die Mittel zur akuten Bewältigung psychosozialer Probleme von Kindern und Jugendlichen auf. Bis Ende 2022 soll es in diesem Bereich zusätzlich 13 Millionen Euro geben, kündigten Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann bereits vor dem Sommerministerrat an. Für NEOS kommt diese Maßnahme „deutlich zu spät“. Zudem vermisst NEOS-Jugendsprecher Yannick Shetty konkrete Maßnahmen.

Ein großes Fragezeichen bleibt weiterhin eine konkrete CoV-Strategie für den Schulbeginn im Herbst. Kurz erneuerte das Bekenntnis der Regierung zum Präsenzunterricht. Maßnahmen dazu will Faßmann im August vorstellen. Ein regelmäßiger Schulbesuch müsse möglich sein, so auch der Bildungsminister. Die Impfung der Eltern und Lehrkräfte sowie der über Zwölfjährigen spiele dabei eine wichtige Rolle.

Debatte über Impfpflicht

Faßmann sprach sich zuletzt aber gegen eine nur Lehrer und Lehrerinnen betreffende Impfpflicht aus. Der Minister argumentierte, dass eine Impfpflicht breiter diskutiert werden müsse. So müssten alle Berufsgruppen mitgenommen werden, die engen Kontakt zu anderen Menschen haben. Mückstein (Grüne) hält eine generelle Impfpflicht für „nicht zielführend“. Bei Menschen, die im medizinischen Kontext arbeiten, könne er einer Impfpflicht aber etwas abgewinnen.

Kurz betonte nach dem Ministerrat erneut, dass es in Österreich keine generelle Impfpflicht geben werde. Das bleibe Sache der Länder. Auch eine PCR-Testpflicht für alle Reiserückkehrer dürfte nicht so bald geplant sein. Man müsse die Zahlen im Auge behalten, aber nach Risiko gestuft vorgehen. Die Regierungsspitze stellte aber auch klar, dass die Regierung eine Impfung empfiehlt: „Das Virus wird bleiben. Wir werden Menschen, die sich nicht impfen lassen, nicht auf Dauer vor Ansteckung schützen können“, sagte Kurz. Die Impfung werde freiwillig bleiben, aber es gebe zwei Möglichkeiten: Impfung und Ansteckung.

Opposition: „Arbeitsverweigerung“ und „inhaltsleer“

Die Opposition kritisierte die „Arbeitsverweigerung“ der Regierung und „inhaltsleere Überschriften“. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch fasste den Ministerrat als „viel heiße Luft, keine Substanz“ zusammen: „Auch noch so viele inszenierte Propagandabilder können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Regierung weder Inhalte noch Substanz zu bieten hat.“

NEOS forderte ein Ende dieser „substanzlosen Showpolitik“. Es sei in vielen Bereichen bereits fünf vor zwölf, so NEOS-Wirtschafts- und Sozialsprecher Gerald Loacker, denn „Überschriften machen noch lange keine Pandemiebekämpfung, keine ökosoziale Steuerreform, keine Pflegereform und keinen Klimaschutz“.