Bagger bei Bodenaushub
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Erschöpfte Erde

Ende der CoV-Verschnaufpause

Jahr für Jahr machen Fachleute auf den Welterschöpfungstag aufmerksam. An jenem Tag sind die natürlichen Ressourcen, die die Erde im gesamten Jahr regenerieren kann, aufgebraucht. Heuer fällt der „Earth Overshoot Day“ auf den Donnerstag und ist damit wieder auf das Niveau von 2019 gerückt. NGOs schlagen Alarm.

Im Vorjahr hatte die Pandemie den Welterschöpfungstag noch deutlich nach hinten verschoben – und zwar auf den 22. August, fast vier Wochen später als 2019. Damals war er schon am 26. Juli erreicht. Ohne den weltweiten Einbruch von Wirtschaft und öffentlichem Leben wäre der Tag 2020 schon auf den 22. Juli gefallen. Einen ähnlichen Effekt sucht man heuer – trotz noch nicht bewältigter Pandemie und immer wieder verhängten Lockdowns – vergeblich.

Gegenwärtig verbraucht die Menschheit 74 Prozent mehr, als die Ökosysteme des Planeten regenerieren können, das entspricht den Ressourcen von 1,74 Erden. Konzept und Daten stammen vom Global Footprint Network (GFN), einer von Expertinnen und Experten gegründeten Umweltorganisation. Und: Laut deren Analyse war hierzulande der nationale Erdüberlastungstag bereits am 7. April erreicht. Erstmals überlastet wurde die Erde in den frühen 1970er Jahren.

Brandrodung im Regenwald
APA/AFP/Carl De Souza
Regenwaldabholzung befeuert Teufelskreis

Forscher klagen über CO2-Ausstoß und Abholzung

Das Global Footprint Network beklagt, dass die CO2-Emissionen heuer um 6,6 Prozent ansteigen dürften. Der CO2-Fußabdruck im Transportwesen dürfte zwar geringer als vor der Pandemie sein, dafür wird aufgrund der wirtschaftlichen Erholung ein Anstieg der energiebezogenen CO2-Emissionen erwartet. Zugleich schrumpfe die globale Biokapazität der Wälder um rund 0,5 Prozent – was größtenteils auf die Abholzung im Amazonas-Gebiet zurückzuführen sei.

Berechnung

Bei der Erstellung des Erschöpfungstags wird in einem komplexen Verfahren die Produktivität eines standardisierten „globalen Hektars“ ermittelt. Sie wird in Relation zur Nachfrage gesetzt. Die biologisch aktiven Flächen werden mit dem Flächenverbrauch und dem von Menschen erzeugten Treibhausgas gegengerechnet.

Alarm schlugen angesichts dessen auch Michael Schwingshackl von der Plattform Footprint gemeinsam mit dem WWF Österreich und Global 2000. In einer Aussendung vom Mittwoch kritisieren sie: „Statt eines grünen Neustarts nach der Krise ist nun wieder grenzenlose Ausbeutung an der Tagesordnung.“

„Schießen über verträgliche Maß hinaus“

Weiter heißt es: „Wir schießen immer noch weit über das verträgliche Maß hinaus.“ Auch auf Österreich wird verwiesen – nach österreichischer Lebensweise würde die Welt sogar die Ressourcen von 3,5 Erden verbrauchen. „Eine Menschheit, die innerhalb des ökologischen Budgets bestehen will, muss sich grundsätzlich verändern – den Rahmen dafür muss die Politik vorgeben“, forderten die Umweltschutzorganisationen in einer Aussendung.

Der WWF Österreich forderte zudem einen weltweiten Naturschutzpakt und eine starke Reduktion der Verschwendung von Energie und Ressourcen. „In Österreich wurden jeden Tag durchschnittlich 11,5 Hektar wertvollen Bodens verbaut, weltweit stieg die Zerstörung artenreicher Tropenwälder an, und die Überfischung der Meere ging weiter. Die Politik ist auf allen Ebenen gefordert, diese Ausbeutung zu beenden, Ressourcen effizient statt verschwenderisch zu nutzen und das Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur wieder herzustellen“, so WWF-Artenschutzexperte Georg Scattolin.

Grafik zum Welterschöpfungstag seit 1970
Grafik: ORF.at; Quelle: overshootday.org

NGOs appellieren an Regierung

Lena Steger, Ressourcenexpertin bei Global 2000, kritisierte überdies den „absurd hohen Rohstoffverbrauch“ in Österreich. „Wir müssen endlich die vorhandenen planetarischen Grenzen respektieren und unseren Ressourcenverbrauch drastisch reduzieren.“ Die derzeit in Bearbeitung befindliche Österreichische Rohstoffstrategie 2030 sowie die Kreislaufwirtschaftsstrategie würden gute Möglichkeiten bieten, Reduktionsziele politisch zu verankern. Auch Unternehmen sollten Arbeits- und Umweltstandards in ihren Lieferketten gewährleisten.

Gemeinsam forderten WWF und Global 2000 mit dem Footprint Network die Bundesregierung auf, längst bekannte Methoden zur Schonung von Ressourcen umzusetzen. Eine Rückkehr nach Covid-19 zur alten Normalität ist für die Menschheit „klar ein Rückschritt in eine Umweltkrise.“

Gewessler: Bodenverbrauch drastisch reduzieren

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) rief dazu auf, den Bodenverbrauch „drastisch zu reduzieren“. „Besonders in der Bodenversiegelung sind wir in Österreich traurige Spitzenreiter. 11,5 Hektar unseres wertvollen Bodens verbrauchen wir derzeit jeden Tag“, so die Ministerin.

„Wir müssen unseren Bodenverbrauch drastisch reduzieren, das haben wir uns auch als Ziel im Regierungsprogramm gesetzt. Darum arbeiten wir intensiv am Recycling von Brachflächen, wo wir bereits bebauten, aber nicht mehr genutzten Böden wieder ein neues Leben schenken. Dazu zählen zum Beispiel alte Anlagen der ÖBB und der ASFINAG. Außerdem werden wir beim Ausbau der Fotovoltaikanlagen darauf achten, dafür bereits versiegelte Flächen zu nutzen. Und wir fördern ganz gezielt Entsiegelungsprojekte in ganz Österreich“, so Gewessler.

Franz Titschenbacher, Vorsitzender des Ausschusses für Forst- und Holzwirtschaft der Landwirtschaftskammer (LK) Österreich, hielt angesichts der Kritik an der Regenwaldvernichtung in einer Aussendung indes fest, dass die Waldfläche in Österreich – und Europa generell – seit 1960 zunehme. „Ein strenges Forstgesetz sorgt auch dafür, dass Wald auch Wald bleiben muss.“ Rudolf Rosenstatter, Präsident des Waldverbandes, verwies im Kampf gegen die Klimakrise auf die Bedeutung von Holz.