Nord-Krim-Kanal 2014
Reuters/Maxim Shemetov
Dürre

„Wasserkrieg“ als neue Front im Krim-Konflikt

Temperaturen um die 35 Grad und Dürre sind auf der Krim im Sommer nicht selten. Russland kommt aber nur schwer mit der Wasserversorgung der mehr als zwei Millionen Menschen auf der Halbinsel nach. Seit der Annexion erhält die Krim keinen Nachschub mehr aus ihrer früheren Hauptquelle, dem Nord-Krim-Kanal. Zwischen der Ukraine und Russland ist darüber ein neuer Konflikt entbrannt.

Die Ukraine blockiert die Wasserversorgung durch den Nord-Krim-Kanal seit der völkerrechtswidrigen Annexion 2014. Erst wurde ein Damm aus Sandsäcken und Erde gebaut, später aus Beton. Vor der Annexion flossen 85 Prozent des auf der Halbinsel benötigten Wassers durch den Kanal. Nun kommen regelmäßig große Wassertanks auf Lkws über die Krim-Bücke, die der russische Präsident Wladimir Putin vor drei Jahren mediengerecht eröffnete. Sie verbindet nun das russische Festland mit der Krim.

Russland kämpft damit, die Menschen auf der Krim ausreichend mit Wasser zu versorgen. Während Hitzewellen ist Wasser aus dem Hahn nur für wenige Stunden am Tag verfügbar. Die landwirtschaftliche Produktion sank, wasserintensive Getreidesorten können gar nicht mehr angebaut werden. Der Kanal ist trockengelegt, es wachsen inzwischen Sträucher darin.

Abhilfe nur durch Unwetter

Seit den frühen 1960er Jahren brachte der Kanal das Wasser und erlaubte die Bewirtschaftung der Steppe auf der Krim. Nicht zuletzt wegen des Kanals konnte sich die Halbinsel am Schwarzen Meer auch zu einem beliebten Touristenziel entwickeln.

Nord-Krim-Kanal 2014
Reuters/Alexey Pavlisak
Im Juni gab es Überschwemmungen. Zumindest die Wasserreservoirs wurden vorübergehend dadurch befüllt.

„Der Kanal symbolisiert die Dummheit des Kremls bei der Besetzung der Krim. Sie haben die Konsequenzen in einem Moment der Wahleuphorie, die von ihrer eigenen Propaganda genährt wurde, nicht abgewogen“, so Oleksij Reznikow, der stellvertretende Ministerpräsident der Ukraine, der für die Reintegrationspolitik der besetzten Gebiete zuständig ist, zur „Financial Times“ („FT“).

„Warum haben sie nicht an das Wasser gedacht?“ Die Lage spitzte sich zuletzt durch das Wetter zu. Abhilfe schufen vorübergehend nur die Unwetter im vergangenen Monat. Wegen der Überschwemmungen mussten Hunderte Menschen in Sicherheit gebracht werden. Aber zeitweise füllten sich wieder die Wasserreservoirs.

Kreml pumpt Geld in Wasserversorgung

Eine Dauerlösung ist das freilich nicht. Im März hatte der Vizepremier der Krim, Georgi Muradow, noch versprochen, die gröbsten Probleme mit der Wasserversorgung würden bis zum Sommer behoben sein, um das „Urlauben auf der Krim problemfrei“ zu gestalten.

Grafik zum Verlauf des Nord-Krim-Kanals
Grafik: OSM/ORF.at
Der Nord-Krim-Kanal

Es seien zahlreiche Maßnahmen geplant, um die Versorgung zu gewährleisten, so Muradow in einem Interview: „Neue Brunnen werden entwickelt. Es werden Dämme gebaut, um Wasser aus den Flüssen der Krim zu sammeln. Bei Bedarf werden Entsalzungsanlagen gebaut, insbesondere in südlichen Bezirken, die viele Touristen empfangen.“ Insgesamt will der Kreml laut Nachrichtenagentur TASS 48 Milliarden Rubel (552 Mio. Euro) in neue Wasseranlagen pumpen.

„Dumme Propaganda“

Der Streit über die Kanalblockade wird seit Wochen heftiger. Russland sprach schon von Genozid, die Ukraine fürchtet eine russische Militäroperation, um Wasser aus dem nahen Fluss Dnipro sicherzustellen – Russland und die Vertretung auf der Krim dementieren das vehement. „Alle diese hysterischen Aussagen von ukrainischen Politikern entbehren jeder Basis, es ist nur dumme und aggressive Propaganda, die darauf abzielt, Hass zwischen Russen und Ukrainern zu schüren. Es wird keinen Wasserkrieg geben“, so der Gouverneur der Krim, Sergei Aksyonow zur „FT“.

In seinen Augen setzt die Ukraine die Infrastruktur, die in der Sowjetzeit gebaut wurde, gegen die Bevölkerung der Krim ein, die sich nun Russland zugehörig fühlt. Die Blockade sei ein Akt des Staatsterrorismus, „die Internationale Gemeinschaft nimmt die Verbrechen des Kiewer Regimes nicht wahr“, so Aksjonow.

Sorge vor Eskalation

Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland geht inzwischen ins achte Jahr. Auch wenn er nicht mehr im Fokus der Öffentlichkeit steht, ist von Entspannung wenig zu sehen. In den vergangenen Monaten sei der Waffenstillstand immer öfter verletzt worden, die Rhetorik sei aggressiver geworden, und Russland habe ungewöhnliche militärische Aktionen gesetzt, so die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kürzlich. OSZE-Vorsitzende Ann Linde bezeichnete die Spannungen als Teil von „besorgniserregenden Entwicklungen“ im Ukraine-Konflikt.

Nord-Krim-Kanal 2014
Reuters/Maxim Shemetov
2014 wurde der Kanal auf der Krim stillgelegt. Seither wachsen Gräser und Sträucher darin.

Im Frühling entsandte der Kreml Zehntausende Soldaten und Militärausrüstung auf die Krim sowie zu den Grenzen der beiden abtrünnigen östlichen Regionen Donezk und Luhansk. Im Juni wurde von den USA und der Ukraine ein Manöver unweit der Krim abgehalten, es wurde von Moskau als Provokation eingeschätzt. Kurz zuvor fuhr ein britisches Kriegsschiff in das von Russland beanspruchte Seegebiet um die Krim und wurde mit Warnschüssen und Bomben verdrängt. Die Lage ist permanent heikel, immer wieder gibt es Verstöße gegen den Waffenstillstand und Todesopfer zu beklagen. „Jeder Zwischenfall kann außer Kontrolle geraten“, so die OSZE.