Während der finale Gesetzesentwurf für die teilweise Abschaffung des Amtsgeheimnisses weiter auf sich warten lässt, wollen die Grünen die geplante „Dissenting Opinion“ (Sondervotum) für den Verfassungsgerichtshof (VfGH) „erneut bewerten“. Das geht aus einer Stellungnahme zum Antikorruptionsvolksbegehren hervor. Auf ORF.at-Nachfrage hieß es heute, dass man die Kritik am Vorhaben sehr ernst nehme.
Mit der „Dissenting Opinion“ sollen VfGH-Mitglieder die Möglichkeit erhalten, ihre abweichenden Rechtsmeinungen zu veröffentlichen. Befürworter und Befürworterinnen des Vorhabens sehen damit die Chance, die Judikatur weiterzuentwickeln. Kritik kommt hingegen aus der Justiz: Die „Dissenting Opinion“ könne dazu genutzt werden, Entscheidungen des VfGH in Zweifel zu ziehen.
„Umfassend diskutieren“
Die ÖVP sprach sich in der Vergangenheit gegen das Sondervotum aus, zuletzt war sie aber dafür. Die Grünen befürworten seit Jahren die Einführung. Doch im Zuge des Antikorruptionsvolksbegehrens schrieb die Regierungspartei: „Wir nehmen die kritischen Rückmeldungen zum aktuellen Begutachtungsentwurf sehr ernst und werden diese Frage erneut bewerten.“
Die Grünen verwiesen gegenüber ORF.at auf kritische Stellungnahmen aus der Justiz, die die „Dissenting Opinion“ ablehnen. Mit dem Koalitionspartner werde man das Vorhaben und die Änderung des Verfassungsgerichtshofsgesetzes „umfassend diskutieren“.
Auf die Frage, ob es möglich sei, dass die „Dissenting Opinion“ nun gar nicht im Parlament beschlossen wird, hieß es: „Alle Stellungnahmen werden in den Verhandlungen hinreichend gewürdigt. Das Verhandlungsergebnis kann aber nicht vorweggenommen werden.“
Paket lässt auf sich warten
Die „Dissenting Opinion“ wurde mit dem Informationsfreiheitspaket (Stichwort Amtsgeheimnis) Mitte Februar in Begutachtung geschickt und erhielt bis Mitte April knapp 200 Stellungnahmen. Die Einführung des Sondervotums wurde kritisch kommentiert. Auch das Antikorruptionsvolksbegehren lehnt das Vorhaben der ÖVP-Grünen-Regierung ab, „als es lediglich zu einer Verpolitisierung der Höchstgerichte, im Speziellen des VfGH, führen würde“.
Das Informationsfreiheitspaket lässt allerdings weiter auf sich warten. Zuletzt hieß es aus dem Büro von Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), die für den Entwurf zuständig ist, dass die Stellungnahmen von den Expertinnen und Experten des Verfassungsdienstes gesichtet werden.
Ob es dazu noch Gespräche mit dem VfGH geben wird, ist unklar. „Letztlich wird es eine politische Abwägung sein, ob man es macht“, so Edtstadler. Für das Informationsfreiheitspaket in seiner Entwurfsfassung ist eine Zweidrittelmehrheit im Parlament nötig, weil auch Verfassungsbestimmungen geändert werden. SPÖ, FPÖ und NEOS zeigten sich zuletzt allerdings abwartend bis kritisch.