Menschen warten vor einer mobilen Impfstation in Detroit
Reuters/Emily Elconin
USA

Republikaner im Impfdilemma

Geimpft oder nicht? In den USA geht die Antwort auf jene Frage oft Hand in Hand mit der jeweiligen politischen Gesinnung: Demokratische Wählerinnen und Wähler sind weit impffreudiger als republikanische. Auch überraschende Appelle durch führende Republikaner scheinen an der Impfbereitschaft von Teilen der Basis wenig zu ändern. Die Coronavirus-Lage im Land wird dabei zunehmend ernster – vor allem in roten Hochburgen.

„Es ist an der Zeit, den ungeimpften Leuten die Schuld zu geben“, ärgerte sich Kay Ivey, die Gouverneurin von Alabama. Ungeimpfte würden ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger im Stich lassen, kritisierte die Republikanerin angesichts der sich rasch ausbreitenden Delta-Variante. Ihr Bundesstaat ist besonders stark von der Pandemie betroffen und hat eine der niedrigsten Impfquoten in den USA.

Nach Monaten der Zurückhaltung riefen in den letzten Tagen und Wochen zunehmend Republikaner ausdrücklich zur Impfung auf. Floridas Gouverneur Ron DeSantis sagte, die Impfungen würden „Leben retten“. Auch der republikanische Kongressabgeordnete Steve Scalise aus Louisiana – wo rund 37 Prozent der Bevölkerung vollimmunisiert ist – ließ sich nach langem Zögern impfen. Gerade wegen der Delta-Variante sei es ein „guter Zeitpunkt gewesen“. Ins Spital kämen nämlich hauptsächlich Ungeimpfte, so Scalise. „Das ist ein weiteres Zeichen, dass die Impfung wirkt.“

Floridas Gouverneur Ron DeSantis
Reuters/Tom Brenner
Floridas Gouverneur Ron DeSantis zählt zu jenen führenden Republikanern, die sich jüngst für die Impfung aussprachen

Überraschende Bekenntnisse

„Diese Spritzen müssen so schnell wie möglich in den Arm eines jeden“, sagte jüngst auch der Minderheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell. Ex-Präsident Donald Trumps frühere Sprecherin Sarah Sanders, die Gouverneurin von Arkansas werden will, schrieb ihren Unterstützern gar eine Mail mit dem Titel „Warum ich mich impfen ließ“.

Für Aufsehen sorgte in konservativen Kreisen überdies eine Äußerung des berühmten konservativen Moderators Sean Hannity – auf Sendung sagte er, dass er an die Wissenschaft des Impfens glaube. Als Impfappell wollte er das aber nicht verstanden wissen, wie er später klarstellte. Generell nahmen Beobachterinnen und Beobachter einen Kurswechsel beim konservativen TV-Sender Fox News wahr.

Impfschlusslichter in Republikanerhand

Eine einheitliche Linie in puncto Impfen gibt es im republikanischen Lager aber nicht. Immerhin sind mit Impfappellen für republikanische Politiker kaum Stimmen zu gewinnen: Einer Studie der Kaiser Family Foundation zufolge ist die Impfquote in den Bezirken, in denen bei der Präsidentenwahl viele für den Demokraten Joe Biden stimmten, deutlich höher als dort, wo der damalige Präsident Trump viele Stimmen erhielt.

War der Unterschied zu Beginn der Impfkampagne noch gar nicht so groß, ist die Kluft in den letzten Monaten stark gewachsen. Eine Umfrage der „Washington Post“ und des Senders ABC News kommt zu dem Ergebnis, dass deutlich mehr Anhänger der Demokraten als der Republikaner sich bisher haben impfen lassen. Zum gleichen Ergebnis kommt eine AP-NORC-Umfrage: So hätten Republikaner deutlich öfter als Demokraten angegeben, dass sie entweder noch nicht geimpft sind oder sich definitiv oder wahrscheinlich nicht impfen lassen werden – und zwar zu 43 gegen zehn Prozent.

Auch ein Blick auf die Impfdaten der Gesundheitsbehörde CDC macht das deutlich. Impfschlusslichter mit einer Vollimmunisierungsrate von teils deutlich unter 40 Prozent bilden neun Bundesstaaten, von denen acht bei der US-Wahl 2020 an Trump, der das Coronavirus lange Zeit verharmloste, gingen. Zum Vergleich: Die impffreudigsten Bundesstaaten mit einer Vollimmunisierungsrate von über 60 Prozent sind in Demokratenhand. US-weit sind rund 49 Prozent der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft. Die US-Impfkampagne verlor jüngst an Fahrt, die Zahl der Neuinfektionen nahm dagegen stark zu.

Impfung im Rose E. McCoy Auditorium in Jackson, USA
AP/Rogelio V. Solis
Der US-Impffortschritt geht in den letzte Wochen nur schleppend voran

Meinungsforscher: Anreize erfolglos

Grundsätzlich zeigen Umfragen, dass republikanische Anhänger sich in puncto Impfung eher von republikanischen als von demokratischen Eliten beeinflussen lassen. Dennoch gebe es einen beträchtlichen Teil in der Bevölkerung, der sich auch von einem Republikaner nicht umstimmen lassen würde, „egal ob es eine Chance auf den Gewinn von einer Millionen US-Dollar oder ein Gewehr oder Studiengeld oder Fischereilizenzen“ gebe, schreibt der „Guardian“ mit Verweis auf Interviews mit Meinungsforschern.

„Die Menschen vertrauen Politikern einfach nicht“, wird der republikanische Meinungsforscher Brent Buchanan im „Guardian“ zitiert. „Dein bester Botschafter ist dein eigener Arzt“, sagte Jim McLaughlin, ein weiterer Meinungsforscher und ehemaliger Trump-Berater. „Wir haben all dieses Zeug mit den Leuten probiert, und nichts bewegt sie. Ein Millionär sein? Nicht interessant“, sagte der Meinungsforscher Greg Strimple, der Fokusgruppen mit Impfgegnerinnen und -gegnern organisierte.

Pandemie befeuert Kurswechsel

Klar ist den Meinungsforschern zufolge jedenfalls, dass der Kurswechsel vieler republikanischer Politiker vor allem mit der bedrohlichen Coronavirus-Lage zusammenhängt. „Die Delta-Variante breitet sich vor allem in republikanischen Staaten stark aus und insbesondere in ländlichen, republikanischen Bezirken, und es sind diese Daten, die republikanische Politiker dazu gebracht haben, sich stärker dafür (die Impfungen, Anm.) auszusprechen“, so der Meinungsforscher Whit Ayres zum „Guardian“.

Politiker seien nun aber dennoch nicht mehr in der Lage, den Schaden, den Falschinformationen zu den Impfungen verursacht haben, zu beseitigen, sagte Buchanan auch. „Es gibt Impfgegner, weil Informationskanäle – konservative Kabelsender und eine riesige Menge an Desinformation auf Facebook und anderen Social-Media-Plattformen – Millionen von Menschen überzeugt haben, dass Impfungen entweder nicht notwendig oder schlichtweg gefährlich sind“, so der Forscher.

Biden will Impfpatriotismus

Die US-Regierung bemüht sich bereits seit Wochen darum, mehr Menschen zum Impfen zu bewegen. Am Donnerstag forderte Präsident Biden einen 100-US-Dollar Bonus für Geimpfte. Außerdem kündigte er neue Regeln an, mit denen Millionen Angestellte der Regierung zu einer Impfung gegen das Coronavirus bewegt werden sollen. Mitarbeiter, die keinen Impfnachweis vorlegen können, sollen künftig stets eine Maske tragen müssen und ein- bis zweimal pro Woche auf eine mögliche CoV-Infektion getestet werden. Sich impfen zu lassen sei das „Patriotischste“, was die Bürger jetzt tun könnten, sagte Biden.

Die Themen Impfung und Masketragen dürften nicht zu einer politischen Frage werden, so Biden. „Es geht nicht um rote Staaten oder blaue Staaten“, sagte er mit Verweis auf die Parteifarben der US-Demokraten und der -Republikaner. „Es geht um Leben oder Tod.“

Delta-Variante auf dem Vormarsch

Zuletzt stieg die Zahl der täglichen Neuinfektionen wegen der Delta-Variante im Schnitt wieder auf rund 60.000 pro Tag. Mehr als 83 Prozent aller erfassten Infektionen im Land sind nach CDC-Schätzungen auf die besonders ansteckende Delta-Variante zurückzuführen.

In einigen Spitälern wird es unterdessen wieder enger. Landesweit bewegt sich die Zahl der Hospitalisierungen zwar auf relativ niedrigem Niveau – aber dort, wo wenige Menschen geimpft sind, steigt sie deutlich schneller wieder an. Alarmiert zeigten sich deshalb in den letzten Tagen etwa Florida, Arkansas, Mississippi und auch Louisiana.