Platz der Auskunftsperson im Ibiza-Untersuchungsausschuss
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„Ibiza“-Bericht

Alle Fraktionen fühlen sich bestätigt

Dass der Berichtsentwurf des Verfahrensrichters im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss sehr viel zu lesen hergibt, erkennt man an den rund 870 Seiten, die am Freitag dem Parlament und den Fraktionen übermittelt wurden. Die Schlussfolgerungen der Parteien fallen äußerst unterschiedlich aus, aber bestätigt in ihren Sichtweisen fühlen sich alle.

Ein teils scharfes, in anderen Teilen wieder milderes Urteil gab Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl ab. Zwar sieht er vor allem die ÖVP in vielen Punkten entlastet, ortet aber doch Verstrickungen zwischen der einstigen ÖVP-FPÖ-Koalition und der Privatwirtschaft. So habe es ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen damaligen Bundesvertretern und dem Novomatic-Konzern gegeben.

Insbesondere die Vorstandsbestellungen von ÖVP-Mitglied und Ex-Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid und Peter Sidlo (FPÖ) nehmen sehr viel Platz im Bericht ein. Wie sie die Posten bei den Casinos Austria (Sidlo) und der Beteiligungsgesellschaft ÖBAG erhalten haben, wurde detailliert anhand der Befragungen und Akten beschrieben. Ein „Deal“ sei sehr wahrscheinlich. Die Qualifikation und eine objektive Ausschreibung für die wichtigen Staatsposten dürften somit nicht im Vordergrund gestanden sein.

Verfahrensrichter Pöschl ortet ein „gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis“, das zwischen ÖVP-FPÖ-Regierung und der Novomatic entstanden sei. Doch ein Deal (Stichwort Casinoslizenzen) konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Entlastet werden ÖVP und FPÖ bei der Causa rund um Spenden an parteinahe Vereine. Auch die Schredderaffäre hätte nichts mit der „Ibiza-Affäre“ zu tun, heißt es sinngemäß im Bericht. Als Empfehlung nennt Pöschl eine „Cooling-off-Phase“ für Beamte, die sich für leitende Funktionen in staatsnahen Unternehmen bewerben wollen – damit spielt er freilich auf Schmid an.

ÖVP: „Zu erwartendes Resultat“

Der „Ibiza“-U-Ausschuss war von den Themenlage sehr breit angelegt, gerade deshalb ist es auch möglich, dass sich die einzelnen Fraktionen in ihren Sichtweisen bestätigt fühlen. ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger befand, dass die Vorwürfe in Richtung seiner Partei völlig ungerechtfertigt gewesen seien. „Das ist ein gutes und auch zu erwartendes Resultat für uns und unsere Partei, aber auch ein fatales für den U-Ausschuss und das Agieren der Opposition.“

Andreas Hanger (ÖVP)
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Für Hanger ist der U-Ausschuss einer „des Skandalisierens“ gewesen

Ein weiteres Mal betonte Hanger, dass dieser U-Ausschuss einer „des Skandalisierens, der Vorverurteilungen und der falschen Behauptungen“ gewesen sei. „Auch der Verfahrensrichter kam in den wesentlichen Bereichen zum gleichen Schluss wie wir: Es gab keinen Beleg für die politische Einflussnahme auf die ‚Ibiza‘-Ermittlungen, für das Gewähren bzw. den Empfang ungebührender Vorteile durch politische Amtsträger der Volkspartei oder für einen Gesetzeskauf.“

ÖVP-Mitglied Schmid wird in der Aussendung allerdings nicht erwähnt. Er soll laut dem Berichtsentwurf als Generalsekretär im Finanzressort die ÖBAG-Ausschreibung auf seine Person angepasst haben. Ob Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) von der Art und Weise, wie die Stelle besetzt wurde, wusste, konnte nicht geklärt werden. Ihm dürfte aber schon „frühzeitig“ klar gewesen sein, dass Schmid zum ÖBAG-Alleinvorstand bestellt wird.

FPÖ: Handwerkliche Schwächen

„Der Bericht des Verfahrensrichters zum ‚Ibiza‘-Untersuchungsausschuss wurde offensichtlich mit türkis-schwarzer Brille geschrieben“, meinte FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker. Dieser sah sich weniger in der Sache bestätigt, sondern mehr darin, „dass es eben keine gute Idee ist, wenn die Bestellung des Verfahrensrichters vom Wohlwollen des Nationalratspräsidenten abhängig ist“.

Christian Hafenecker (FPÖ)
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Hafenecker übte Kritik an dem Bericht und fühlte sich damit bestätigt

In der Aussendung wird durchwegs Kritik an dem Bericht geübt. Es sei bemerkenswert, dass die „Message-Control“ der ÖVP auch im Bereich des U-Ausschusses „mittlerweile voll durchgeschlagen hat“. Der Bericht zeige neben der parteipolitischen Sichtweise auch handwerkliche Schwächen und Fehler, so Hafenecker. So sei etwa die Rolle der ÖVP in der Causa Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (PRIKRAF) in Richtung Uniqa-Tochter Premiqamed nicht näher beleuchtet worden.

Tatsache ist, dass Pöschl die Spende der Uniqa-Tochter an die ÖVP sehr wohl thematisiert. Er kommt sogar zum Schluss, dass die Spenden im Jahr 2017 und 2018 zu je 25.000 Euro weniger mit einer Stärkung des Wirtschaftsstandortes, wie behauptet, zusammenhängen. Die Uniqa-Tocher wollte verhindern, dass sie weniger aus dem PRIKRAF-Topf erhält, wenn die Privatklinik Währing, für die sich Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache einsetzte, in den Fonds aufgenommen wird.

SPÖ: Bericht belastet ÖVP schwer

Für SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer belastet der Bericht sowohl die ehemaligen freiheitlichen Spitzenpolitiker Strache und Johann Gudenus als auch Bundeskanzler Kurz und dessen Partei, die ÖVP, schwer. Der Bericht stelle in der Angelegenheit der Privatkliniken klar ein Gesetz als Gegenleistung für eine Parteispende in den Raum, sowohl für die Strache-FPÖ als auch für die Kurz-ÖVP, so Krainer in einer Aussendung.

Kai Jan Krainer (SPÖ)
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Der Bericht belaste Strache, Gudenus und die ÖVP schwer, so Krainer

Die Erhöhung des PRIKRAF im Zuge der Aufnahme der Privatklinik Währing sei laut Bericht sachlich unbegründet. „Das heißt: Es gab keinen Grund, den Fonds für die Privatkliniken zu erhöhen, außer einer Gegenleistung für die Spenden“, so Krainer. Auch in der Frage der Finanzmarktaufsicht (FMA) zeige sich der Verfahrensrichter „alarmiert“,so Krainer. Andere Teile des „Sobotka-Berichts“ seien hingegen nicht nachvollziehbar.

Der Bericht entlastet die ÖVP in der Schredderaffäre. Das Verfahren habe keine Anhaltspunkte dafür geliefert, dass das Schreddern von insgesamt fünf Festplatten durch einen Mitarbeiter im Kanzleramt seinen Grund darin hatte, dass Beweismittel zur „Ibiza-Affäre“ vernichtet werden sollten, so Pöschl. Das Schreddern von Festplatten sei nicht ungewöhnlich.

NEOS sieht sich in Kritik bestätigt

Auch NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper sieht sich durch den Bericht in ihrer Kritik an der Kanzlerpartei zum Teil bestätigt, vor allem im Glücksspielbereich. „Hintergrunddeals und Postenschacher in Reinkultur; eine Gesetzesänderung bei den Privatkliniken“, so Krisper. „Wie die ÖVP all das als fatal für den U-Ausschuss und als Entlastung für die ÖVP lesen kann, ist mir ein Rätsel“, meinte sie. Dass Hanger abermals den Untersuchungsausschuss diskreditiere, zeige einmal mehr, „dass die Volkspartei unter Sebastian Kurz jedes Gefühl für Anstand und saubere Politik verloren hat“.

Stephanie Krisper (NEOS)
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„Hintergrunddeals und Postenschacher in Reinkultur“ ortet Krisper

Dass es „Spenden am Rechnungshof vorbei“ gab, hätte der U-Ausschuss zutage gebracht, so Krisper weiter in einer Aussendung. „Umso wichtiger und notwendiger wäre eine nochmalige Verlängerung des U-Ausschusses gewesen, um die Aufklärung zu einem guten Ende zu bringen. Aber hier hat die ÖVP mit Hilfe der Grünen nicht nur sich selbst, sondern auch ihren ehemaligen Regierungspartner geschützt.“

Grüne: „Umbau der Republik“

„Wir fühlen uns darin bestätigt, was wir immer gesagt haben, dass Türkis-Blau ein politisches System installieren wollte“, sagte Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli. Drehscheibe beim „Umbau der Republik“ sei das Finanzministerium gewesen. Auch darum befürworte man die Pläne, Teile der Glücksspielagenden dem Ressort zu entziehen.

Analyse zum Endbericht des U-Ausschusses

Claudia Dannhauser aus der ZIB-Innenpolitikredatkion analysiert den vorläufigen Bericht zum „Ibiza“-U-Ausschuss und die Reaktionen.

Pöschl hat seinen Bericht wie vorgesehen am Freitag, also zwei Wochen nach dem letzten Befragungstag, an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP), weitergeleitet. Dieser schickte das Dokument laut Angaben seines Büros unverändert – offiziell handelt es sich ja um den Bericht des Vorsitzenden – an die einzelnen Fraktionen. Zwei Wochen haben die Klubs nun Zeit, einen eigenen besonderen schriftlichen Bericht beim Vorsitzenden abzuliefern.