Riesige Wolke nach einer Explosion in Leverkusen
APA/AFP/Roberto Pfeil
Keine giftige Wolke

Erste Entwarnung nach Unfall in Leverkusen

In den Rußpartikeln, die nach dem Chemieunglück von Leverkusen mit mindestens fünf Toten über dem Stadtgebiet niedergingen, sind einer ersten Analyse zufolge keine Rückstände von Dioxin oder dioxinähnlichen Stoffen gefunden worden. Das bestätigte das nordrhein-westfälische Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) am Freitag.

„Im Gegensatz zu den Befürchtungen sind keine kritischen Werte an Dioxin und PCB gefunden worden“, sagte Ulrich Quaß vom LANUV. Zuvor war „die große Sorge vor der Wolke“, wie Schlagzeilen in deutschen Medien lauteten, groß. Doch der Wert des Dioxins sei unter der Messgrenze geblieben, so Quaß. Bei den Polychlorierten Biphenylen (PCB) und den Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) seien sehr geringe Werte gemessen worden, die die Bewertungsgrenzen unterschritten. Die Schadstoffbelastung der Proben sei nur gering.

Laut LANUV deuteten die Ergebnisse darauf hin, dass die Stoffe, die bei dem Brand freigesetzt wurden, „nur ein geringes Dioxinbildungspotenzial“ hatten. Offenbar seien die Reaktionsbedingungen in der Verbrennung nicht geeignet gewesen, die Bildung von Dioxin oder PCB zu unterstützen. Sie könnte sogar gehemmt worden sein. Luftmessungen am Dienstag hätten auch bei anderen brandüblichen Stoffen keine Auffälligkeiten ergeben.

Weitere Tests ausständig

Die Behörde kündigte an, weitere Tests vorzunehmen, um herauszufinden, ob und welche weiteren bisher unbekannten Stoffe in die Umgebung getragen wurden. Bis zu einer vollständigen Klärung, ob und welche Stoffe durch die Rauchwolke transportiert wurden, riet das LANUV zur weiteren Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen im Stadtgebiet sowie in Leichlingen und Opladen.

Riesige Wolke nach einer Explosion in Leverkusen
Reuters/Anna Fross
Ein erster Bericht bestätigt, dass keine Rückstände von Dioxin oder dioxinähnlichen Stoffen gefunden wurden

Rußpartikel sollten nicht in Wohnräume getragen werden. Das Amt empfahl, Schuhe vor der Haustür abzustellen. Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten solle vorsichtshalber nicht gegessen werden. Verunreinigte Flächen sollten zudem nicht angefasst oder selbst gereinigt werden.

Anrainerinnen und Anrainer beschäftigt also weiterhin die Frage, ob das Unglück mögliche gefährliche Spätfolgen hinterlassen könnte. Die Explosion samt Brand und riesiger Rauchwolke war vom deutschen Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) zuvor als „extreme Gefahr“ eingestuft worden, die Bevölkerung wurde unmittelbar nach der Explosion angewiesen, die Fenster und Türen geschlossen zu halten. In der Umgebung wurden Autobahnen vorübergehend gesperrt.

Frage Sicherheitsabstand in „Chemiestadt“

Der WDR stellte am Donnerstag die Frage, ob der Sicherheitsabstand zwischen dem Leverkusener Chempark, jenem Gelände mit Chemieunternehmen, wo sich der Unfall ereignet hatte, und Wohnsiedlungen nicht zu klein und daher ein zusätzliches Risiko sei. Immerhin stünden etwa die ersten Häuser von Leverkusen-Bürrig nur rund 800 Meter östlich vom Explosionsort, der Kölner Stadtteil Merkenich liege westlich in etwa 1,5 Kilometer Entfernung.

Das LANUV und der Verband der Chemischen Industrie (VCI) betonten, es gebe keine einheitlichen Regelungen bezüglich eines „Sicherheitsabstands“. Der hänge, grob gesagt, davon ab, was auf einem Gelände verarbeitet wird. Leverkusen gilt seit langer Zeit (früher mit der Bayer AG) als die deutsche „Chemiestadt“ schlechthin, große Werksgelände wurden gebaut, ebenso Personalwohnungen in der Nähe, man spreche also, hieß es vom VCI, „hier über eine historisch gewachsene Gemengelage“.

Einsatzkräfte nach einer Explosion in Leverkusen
Reuters/Leon Kuegeler
Immer noch wird nach zwei Vermissten gesucht, doch gibt es kaum noch Hoffnung, sie lebend zu finden

Mehrere Tote und Verletzte

Nach den zwei Vermissten wird unterdessen weiterhin gesucht, machten bei der Pressekonferenz der Leverkusener Oberbürgermeister Uwe Richrath und Hans Gennen von der Geschäftsführung des Chempark-Betreibers Currenta deutlich. Mindestens fünf Menschen kamen am Dienstagvormittag bei der Explosion mit anschließendem Großbrand in Leverkusen ums Leben.

31 weitere wurden verletzt, davon einer schwer. Laut Werksleitung ereignete sich die Explosion im Tanklager der Sondermüllverbrennungsanlage des Chemieparks, in der Produktionsrückstände der dort ansässigen Firmen gesammelt und entsorgt werden.

Ursache noch nicht bekannt

Drei Tanks mit organischen Lösungsmitteln gerieten im Chempark in Brand. Darin befanden sich nach ersten Schätzungen der Betreiber 600.000 bis 900.000 Liter Lösungsmittel. Die Betreiber des Chemieparks erklärten, dass sie keine Hoffnung mehr haben, die Vermissten lebend zu finden.

Die Ursache der Explosion ist noch nicht bekannt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung und fahrlässiges Herbeiführen einer Explosion gegen unbekannt. Sie will herausfinden, ob menschliche Fehler zur Katastrophe führten.