Martine Moise
APA/AFP/Valerie Baeriswyl
Haiti

Witwe schildert Anschlag auf Präsidenten

In ihrem ersten Interview nach der Ermordung ihres Ehemanns hat die haitianische Präsidentenwitwe Martine Moise geschildert, wie sie schwer verletzt den Anschlag in ihrem Haus überlebte. Die Mörder „dachten, ich sei tot“, sagte Moise der „New York Times“. Sie sei blutend dagelegen, ihr Mann tot oder sterbend im selben Raum. Weil ihr Mund voller Blut gewesen sei, habe sie das Gefühl gehabt zu ersticken.

Am 7. Juli war ein Mordkommando in das Präsidentenhaus in der Hauptstadt Port-au-Prince eingedrungen und hatte das Staatsoberhaupt Jovenel Moise erschossen. Martine Moise überlebte schwer verletzt und wurde zur Notfallbehandlung in die USA gebracht.

Sie und ihr Mann hätten geschlafen, als sie durch Schüsse geweckt wurden, sagte die Präsidentenwitwe nun der „New York Times“. Ihr Mann habe den Sicherheitsdienst angerufen, doch dann seien schon die ersten Schüsse im Schlafzimmer gefallen. Sie sei an der Hand und am Ellbogen getroffen worden und daraufhin auf dem Boden liegen geblieben.

Täter sprachen Spanisch

Laut der Witwe hatten die Angreifer nach den Schüssen auf sie und ihren Mann noch das Haus durchsucht und waren offenbar auch fündig geworden. Sie wisse nicht, was die Mörder mitgenommen hätten, aber dass es aus einem Regal stammte, in dem ihr Mann seine Akten aufbewahrte. Die Mörder sprachen demnach nur Spanisch und kommunizierten während des Angriffs per Telefon mit jemandem.

Martine Moise
AP/Matias Delacroix
Martine Moise schilderte erstmals den Angriff des Mordkommandos

Die haitianische Polizei nahm später neben etwa 20 kolumbianischen Söldnern auch Moise’ Sicherheitschef fest. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Angriff von einer Gruppe von Haitianern mit ausländischen Verbindungen organisiert wurde.

Das Sicherheitsteam des Präsidenten geriet ebenfalls ins Visier der Ermittler. Keiner der für den Schutz des Präsidenten zuständigen Wachleute wurde getötet oder auch nur verwundet.

„Oligarchen und das System“ hinter Mordkomplott

Für die Präsidentenwitwe sind die derzeit in den Ermittlungen genannten Verdächtigen lediglich Vollstrecker. „Nur die Oligarchen und das System können ihn getötet haben“, sagte sie der „New York Times“.

Sie habe keine Angst vor den Mördern ihres Mannes, sagte sie weiter. Tatsächlich erwäge sie nun, selbst für die Präsidentschaft zu kandidieren, sobald sie wieder gesund sei. „Ich möchte, dass die Mörder gefasst werden, sonst werden sie jeden einzelnen Präsidenten töten, der an die Macht kommt“, sagte sie. „Sie haben es einmal getan. Sie werden es wieder tun.“

Arzt als Drahtzieher festgenommen

Als mutmaßlichen Drahtzieher nahm die Polizei vor circa zwei Wochen einen in den USA lebenden haitianischen Arzt fest. Der 63-jährige Christian Emmanuel Sanon sei Anfang Juni in einem Privatjet nach Haiti geflogen, begleitet von angeheuerten Sicherheitsleuten. Sanons Motiv sei „politisch“ gewesen, sagte Haitis Polizeichef Leon Charles. Sein Ziel sei gewesen, das Amt des Präsidenten zu übernehmen.

Der Arzt werde beschuldigt, die als Attentäter verdächtigten kolumbianischen Söldner über eine private venezolanische Sicherheitsfirma mit Sitz in Florida angeheuert zu haben. Er sei der Erste gewesen, den diese nach dem Attentat angerufen hätten. In seiner Wohnung seien Beweise gefunden worden. Der Mann habe mit zwei weiteren Hintermännern Kontakt gehabt.

Proteste bei Trauerfeier

Das Staatsbegräbnis von Moise war trotz starker Sicherheitsvorkehrungen von Gewalt überschattet worden. Bei der Zeremonie für den ermordeten 53-Jährigen fielen in der nördlichen Stadt Cap-Haitien Schüsse, die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein. In der Stadt wurden Barrikaden errichtet und Fahrzeuge in Brand gesetzt. Zu der Zeremonie im Freien auf dem Gelände von Moise’ Familienresidenz hatten sich Regierungsmitglieder, Vertreter ausländischer Regierungen und Diplomaten versammelt.