Screenshot von twitter.com mit einem Bild des belarussischen Aktivisten Witaly Schischow.
Screenshot twitter.com/Tadeusz Giczan
Seit Montag vermisst

Belarussischer Aktivist tot aufgefunden

Einen Tag nach seinem plötzlichen Verschwinden in Kiew ist der belarussische Aktivist Witaly Schischow erhängt in einem Park in der ukrainischen Hauptstadt aufgefunden worden. Sie habe Mordermittlungen aufgenommen, teilte die Polizei am Dienstag mit.

Schischow hatte von Kiew aus die Organisation „Belarussisches Haus der Ukraine“ im Messenger-Dienst Telegram geleitet und war nach einer Joggingrunde nicht zurückgekehrt. Die Gruppe kümmert sich um Unterbringung, Aufenthaltsgenehmigungen und Arbeitsplätze für aus Belarus geflohene Gegner von Präsident Alexander Lukaschenko.

Zuvor hatte er Medienberichten zufolge darüber geklagt, sich verfolgt zu fühlen. Die Polizei teilte mit, es seien persönliche Gegenstände und Schischows Mobiltelefon gefunden worden. Der ukrainische Polizeichef Igor Klimenko sagte, an Schischows Leiche seien Verletzungen an Nase, Knie und Brust festgestellt worden. Weitere Untersuchungen müssten zeigen, ob diese Verletzungen von Schlägen stammten.

Flucht in die Nachbarländer

Das österreichische Außenministerium ließ auf Twitter wissen: „Wir sind zutiefst erschüttert über die Nachricht vom Tod des belarussischen Aktivisten Vitaly #Shishov. Unsere Gedanken sind bei seinen Angehörigen. Österreich fordert eine gründliche und transparente Untersuchung der Umstände, die zu seinem Tod führten.“

Belarussischer Aktivist tot aufgefunden

Einen Tag nach seinem plötzlichen Verschwinden in Kiew ist der belarussische Aktivist Witaly Schischow erhängt in einem Park in der ukrainischen Hauptstadt aufgefunden worden.

Viele Belarussinnen und Belarussen fliehen angesichts von Repression in ihrem Heimatland in die benachbarte Ukraine, nach Polen oder Litauen. Der seit fast drei Jahrzehnten regierende Lukaschenko war vor einem Jahr trotz starker Betrugsvorwürfe zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt worden. Die Opposition geht von Wahlbetrug aus.

Regime ging brutal gegen Massenproteste vor

Monatelang anhaltende historische Massenproteste in Belarus wurden in der Folge mit einem starken Einsatz von Sicherheitskräften niedergeschlagen. Hunderte Menschen wurden verhaftet. Lukaschenko geht auch im Ausland gegen Oppositionelle vor.

Der Präsident ließ Ende Mai mit einem Kampfflugzeug eine Ryanair-Passagiermaschine beim Überflug von Athen nach Vilnius über Belarus abfangen und nach der erzwungenen Landung in Minsk einen bekannten Oppositionellen und dessen Freundin festnehmen. Westliche Staaten haben deshalb Sanktionen gegen die Regierung in Minsk erlassen.

Sprinterin erhielt Visum in Polen

Erst am Montag hatte die belarussische Sprinterin Kristina Timanowskaja nach kritischen Äußerungen über belarussische Sportfunktionäre bei den Olympischen Spielen in Tokio Schutz bei der Polizei gesucht. Timanowskaja sollte offenbar gegen ihren Willen von Vertretern des belarussischen Kaders außer Landes gebracht werden.

Mittlerweile hat die 24-Jährige in der polnischen Botschaft in Tokio einen Asylantrag gestellt. Sie habe von Polen ein humanitäres Visum erhalten, teilte der Staatssekretär im polnischen Außenministerium, Marcin Przydacz mit.

Die weißrussische Leichtathletin Krystsina Tsimanouskaya mit Polizisten auf dem Flughafen in Tokio
Reuters/Issei Kato
Timanowskaja auf dem Flughafen Tokio: Die Athletin erhielt von Polen ein humanitäres Visum

Der Ehemann der Sportlerin, Arseni Schdanewitsch, verließ unterdessen Belarus und reiste in die Ukraine. Nach Angaben des belarussischen Oppositionspolitiker Pavel Latuscka will er weiter nach Polen, um dort seine Frau zu treffen. AFP-Angaben zufolge befindet sich Schdanewitsch ebenfalls auf der Flucht. Wegen des Konflikts seiner Frau mit den Behörden seien sie in Belarus „nicht sicher“, wie er laut AFP dazu sagte.

Schallenberg: Österreich hätte Sprinterin aufgenommen

Timanowskaja hätte nach Berichten über eine versuchte Zwangsrückführung in ihre Heimat in Österreich Asyl erhalten, wie es in einem Bericht der „Presse“ (Montag-Ausgabe) heißt.

So erklärte ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg gegenüber der „Presse“, dass Österreich sehr wohl bereit gewesen wäre, Timanowskaja aufzunehmen. Doch sie habe sich nicht gemeldet und sich dann für Polen entschieden.

„Wir haben sie erwartet. Es liegt an ihr, wofür sie sich entscheidet“, so Schallenberg. In einer Stellungnahme des Außenministeriums gegenüber der ZIB2 hieß es zuerst, dass es keine Kontaktaufnahme der Sportlerin gegeben habe.

Hunderte politische Gefangene

Erst am Montag listete die Menschenrechtsorganisation Wjasna 605 politische Gefangene im Land, am vergangenen Montag waren es noch 583 gewesen. Die renommierte NGO steht unter Druck: Neben ihrem Leiter Ales Bjaljazki, seinem Stellvertreter Walentin Stefanowitsch und Wjasna-Anwalt Wladimir Labkowitsch, befanden sich zuletzt auch weitere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Untersuchungshaft.

Kritik kam auch von Amnesty International: Sportlerinnen und Sportler mussten ihre Karriere und ihre Freiheit aufgeben, weil sie sich gegen die Menschenrechtsverletzungen in ihrem Land aussprachen, geht aus einem neuen Amnesty-Bericht hervor. Nach Angaben der Organisation BSSF, die politisch verfolgte Sportlerinnen und Sportler unterstützt, wurden bisher 95 Athletinnen und Athleten wegen der Teilnahme an friedlichen Protesten inhaftiert.

EU kritisiert Belarus

Die EU-Kommission übte am Dienstag scharfe Kritik an der belarussischen Führung. Der Versuch der „gewaltsamen Repatriierung“ von Timanowskaja sei „ein weiteres Beispiel der Brutalität des Lukaschenko-Regimes, das alle Teile der Gesellschaft trifft und den Olympischen Frieden nicht respektiert“, sagte eine Kommissionssprecherin.

Die EU-Kommission bekunde ihre „volle Solidarität“ mit Timanowskaja und würdige alle Mitgliedsstaaten, die ihr Unterstützung angeboten hätten, sagte die Sprecherin weiter. Sie hob diesbezüglich auch hervor, dass die Sportlerin bereits ein humanitäres Visum von Polen erhalten habe.

Zurückhaltender äußerte sich die Sprecherin zum mysteriösen Tod des belarussischen Oppositionellen Schischow und verwies auf die Untersuchungen der ukrainischen Behörden. Man hoffe, dass man dann „den Grund für diesen sehr unglücklichen Tod erfahren“ werde, sagte die Sprecherin.

Tichanowskaja fordert mehr Unterstützung

Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja forderte indes ein härteres internationales Vorgehen gegen die Regierung in Minsk. Tichanowskaja zeigte sich am Dienstag in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters schockiert über die Nachricht zu Schischow. Dabei lehnte sie es ab, über die Hintergründe zu spekulieren.

Auf etwaige weitere Sanktionen gegen Lukaschenko angesprochen sagte sie: „Wir wollen mehr Unterstützung, mehr Druck, mehr Hilfe, eine größere Solidarität.“ Auch Tichanowskaja lebt im Exil. Die 38-Jährige gewann nach Darstellung der Opposition die Präsidentenwahl im August 2020, die jedoch nach offiziellen Angaben Lukaschenko für sich entschied. Tichanowskaja floh nach Litauen angesichts eines harten Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten nach der Wahl.