Zwei junge Männer zahlen beim El Zonte Beach in Chiltiupan mit Bitcoins
Reuters/Jose Cabezas
„Unvernünftig“

IWF warnt vor El Salvadors Bitcoin-Plan

Ab 7. September soll die Kryptowährung Bitcoin in El Salvador als offizielles Zahlungsmittel gelten. Der Schritt sorgte für gespaltene Reaktionen: Bitcoin-Fans sehen das Land als neues „Paradies“, Fachleute warnen vor den Folgen. Wenige Wochen vor Einführung meldete sich erneut der Internationale Währungsfonds (IWF) zu Wort – ohne das Land beim Namen zu nennen. Kryptogeld zur Währung zu machen sei eine „unvernünftige Abkürzung“.

„Als nationale Währung ist Kryptowährung – inklusive Bitcoin – mit einem erheblichen Risiko für die makrofinanzielle Stabilität, die finanzielle Integrität, den Konsumentenschutz und die Umwelt verbunden“, heißt es in einem Blogeintrag des IWF. Das Potenzial für billigere Finanzdienstleistungen dürfe zwar nicht übersehen werden, doch Regierungen müssten diese „neuen digitalen Formen von Geld“ unter Wahrung von „Stabilität, Effizienz, Gleichheit und Nachhaltigkeit“ einsetzen.

Auch wenn El Salvador nicht direkt angesprochen wird, dürfte die Warnung an das Land in Mittelamerika gerichtet sein. Nicht zuletzt steht es mit dem Vorhaben, Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel zu akzeptieren, weltweit alleine da. Es ist auch nicht das erste Mal, dass der IWF Bedenken äußert: Schon nach Beschluss des Gesetzes im Juni warnte man vor den Folgen dieses Schrittes.

Bitcoin-Umstieg als Hindernis für Beziehungen

Für El Salvador und dessen Präsidenten Nayib Bukele könnte der Bitcoin-Plan jedenfalls das Verhältnis mit internationalen Geldgebern deutlich erschweren. Momentan verhandelt man mit dem IWF über einen Kredit in Höhe von einer Milliarde US-Dollar (rund 840 Mio. Euro), doch es gibt offenbar nicht unbedeutende Bedenken.

Schild in einem Strandcafe in Punta Roca Beach weist auf die Zahlungsmöglichkeit mit Bitcoins hin
Reuters/Jose Cabezas
Schon ab 7. September soll Bitcoin in El Salvador als offizielles Zahlungsmittel gelten

Auch die Weltbank weigerte sich bereits im Juni, dem Staat bei der Umstellung auf Bitcoin zu helfen. „Ich glaube nicht, dass sie alle Auswirkungen durchdacht haben“, so Ricardo Castaneda, Wirtschaftswissenschaftler und El-Salvador-Experte bei ICEFI, einem mittelamerikanischen Thinktank, gegenüber der „Financial Times“ („FT“). „Es ist ein Experiment. Es wird interessant sein, zu sehen, ob es funktioniert oder nicht, aber wenn nicht, sind die Folgen sehr ernst.“

„Kryptostrand“ als Pilotprojekt

Bukeles Plan baut auf einem Pilotprojekt auf, das es schon seit 2019 gibt: Dem „Bitcoin Beach“, ein Surfer-Resort in El Salvador, bei dem die Angestellten aus der Region per Bitcoin bezahlt werden – und damit auch selbst zahlen können. Auf die Beine gestellt wurde es laut „FT“ von einem anonymen US-Bitcoin-Spender.

Der 40-jährige Präsident sieht in der Kryptowährung jedenfalls eine Hoffnung für sein Land: 70 Prozent der Bevölkerung habe momentan keinen Zugriff auf Finanzdienstleistungen, diese sollen durch die digitale Währung zugänglich werden. Auch Reserven der Zentralbank könnten in Kryptowährung angelegt werden, schreibt die „FT“. Seit 2001 gilt der US-Dollar als Zahlungsmittel – die ursprüngliche Währung, der Colon, ist schon seit geraumer Zeit nicht mehr im Umlauf.

Die Kryptowährung könnte aber auch aus einem anderen Grund einen Vorteil für das Land mit sich bringen: Die Menschen in El Salvador sind oft auf Geldüberweisungen aus dem Ausland angewiesen. Zahlungen von Familienmitgliedern aus den USA machen fast ein Fünftel des BIP aus. Bitcoin könnte die Kosten dafür senken, so Juan Pablo Thieriot, Geschäftsführer von Uphold, eines Krypto-Finanzdienstleisters in der „FT“.

Umfragen: Menschen befürchten Verschlechterung

Dennoch: Die Zweifel der Salvadorianerinnen und Salvadorianer sind groß. Eine Umfrage der Wirtschaftskammer in El Salvador ergab, dass 90 Prozent nicht dazu verpflichtet werden wollen, Bitcoin als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Drei Viertel wollen weiterhin mit dem Dollar zahlen, zitiert die „FT“ aus der Umfrage. Auch eine Umfrage der Universität Francisco Gavidia in der Hauptstadt San Salvador ergab, dass 44 Prozent der Befragten befürchten, dass sich die Wirtschaftslage weiter verschlechtere.

El Salvadors Präsident Nayib Bukele
Reuters/Jose Cabezas
El Salvadors Präsident Bukele setzt auf die digitale Währung

Denn schon jetzt ist das Land in einer Krise: Die Ratingagentur Fitch attestiert dem Land eine „kritische“ Situation und beließ die Bewertung bei „B-“, der Trend gehe eher bergab. Das Land ist mit 89 Prozent des BIP verschuldet, hatte ein Haushaltsdefizit von 10,1 Prozent des BIP im Jahr 2020 – und heuer stehen Schuldenrückzahlungen in Höhe von zwei Milliarden Dollar an, zitiert „FT“ Castaneda.

Bitcoin-Experte: Digitale Währung sicherer als Alternativen

Krypto-Fachleute sehen dennoch eine Chance in dem Schritt El Salvadors: Lateinamerika sei gezeichnet von finanziellen Problemen sowie extremer Inflation, und Menschen würden nach einem Weg suchen, sich vor derartigen Ereignissen zu schützen, schreibt die „FT“. Dabei verweist man auf Länder wie Argentinien, das mit enormen Schulden kämpft, und Venezuelas Wirtschaft, die deutlich geschrumpft ist.

„Den Menschen in Lateinamerika wurden ihre Farmen weggenommen, und sie sahen, wie Banken über Nacht zusammenbrachen, also ist Bitcoin in gewisser Weise sicherer als andere Vermögenswerte“, zitiert das Blatt Mauricio Di Bartolomeo, Geschäftsführer von Ledn, einem kanadischen Finanzdienstleister für digitale Währungen.

Doch welche Achterbahnfahrt der Bitcoin-Kurs durchmachen kann, zeigt allein dieses Jahr: Im April kostete ein Bitcoin knapp 65.000 US-Dollar und erreichte damit einen absoluten Rekordwert. Schon im Mai stürzte der Kurs jedoch rasant ab und lag mit rund 32.000 Dollar nur noch bei der Hälfte des Vormonatswerts. Momentan zahlt man für einen Bitcoin rund 38.000 Dollar.

Vulkan als Kryptokraftwerk?

Bukeles Kurs setzt dennoch voll auf die Kryptowährung. Nicht zuletzt schwingt hier wohl auch die Hoffnung mit, die Gunst von Bitcoin-Verfechtern zu gewinnen. Man versucht sich als Paradies für Kryptowährungen zu positionieren: So soll etwa auf den Tausch von Bitcoins keine Kapitalertragssteuer erhoben werden.

Der Präsident kündigte auch eine digitale Geldbörse namens „Chivo“ an – inklusive 30-Dollar-Startbonus, freilich in Bitcoin, um die Nutzung anzukurbeln. Und: Energie aus einem Vulkan soll zur Berechnung neuer Bitcoins, dem „Schürfen“, dienen. Ein entsprechender Plan zur Nutzung geothermischer Energie wurde von Bukele in Auftrag gegeben. Doch es mangelt an Infrastruktur, sagt Alex Brammer vom Schürfunternehmen Luxor gegenüber „Wired“. Das könne „Jahre dauern“. Bis jetzt gebe es nur „offenbar einen Überschuss an geothermischer Energie und, zumindest vorläufig, freundliche Gesetzgebung“.

Alle Augen der Region auf El Salvador

Trotz aller Warnungen dürfte die Richtung El Salvadors fixiert sein und im September Bitcoin als offizielle Währung gelten. Damit werden wohl auch die Augen anderer Länder der Region auf El Salvador gerichtet sein – und bei einem Erfolg könnte das Land gar zum Modell werden. Andere Länder, die stark auf Überweisungen aus dem Ausland setzen, wie etwa Mexiko, würden „sehr interessiert zuschauen“, sagte ein Experte der Finanzwebsite DailyFX im Juni gegenüber der „FT“.