Die amerikanische Schauspielerin Olivia Rodrigo im Weißen Haus in Washington.
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Weißes Haus

Mit „Influencer-Armee“ gegen Impfskepsis

In den USA hat, angetrieben von wieder steigenden Coronavirus-Neuinfektionszahlen, die zuvor ins Stocken geratene Impfkampagne wieder an Fahrt gewonnen. Insbesondere bei der jungen Bevölkerung sieht sich die US-Regierung aber mit einer offenbar weit verbreiteten Impfskepsis konfrontiert. Die Rede ist von einer „Pandemie der Nichtgeimpften“ – und als Gegenmaßnahme wurde einem Medienbericht zufolge eine „Armee aus Influencern“ rekrutiert.

Mehr als 50 auf Twitch, YouTube, TikTok, Facebook, Instagram und anderen Social-Media-Kanälen aktive Influencer seien nach Angaben der „New York Times“ („NYT“) an der Regierungskampagne beteiligt. Die Zeitung verweist hier unter anderem auf die Mitte Juli im Weißen Haus von US-Präsident Joe Biden und dem US-Gesundheitsexperten Anthony Fauci empfangene Sängerin und Influencerin Olivia Rodrigo.

„Heute bin ich im Weißen Haus und treffe Präsident Biden und Dr. Fauci, weil es so wichtig ist, dass wir alle geimpft werden“, sagte die über TikTok bekannt gewordene 18-Jährige in einem unmittelbar nach dem Treffen vom Weißen Haus veröffentlichten Video.

Mit an Bord der vom Weißen Haus angetriebenen Influencer-Kampagne sei laut „NYT“ mit Ellie Zeiler ein weiterer Star der Szene. Die 17-Jährige sei über eine Agentur für Influencer-Marketing zur Impfkampagne des Weißen Hauses gestoßen. In der Folge erstellte Zeiler etwa Beiträge, in denen sie mit ihren mehr als zehn Millionen Followern unter anderem auch ihre eigenen Impferfahrungen teilt – und wie sie dazu gegenüber der „NYT“ sagte, werde sie damit nicht aufhören, „bis alle meine Follower sicher und geimpft sind“.

„Lokale Micro-Influencer“ in US-Bundesstaaten

Auf die Reichweite von Influencern setzt man den „NYT“-Angaben zufolge auch auf Ebene der US-Bundesstaaten. Die Rede ist von „lokalen Micro-Influencern“ und einem in diesem Zusammenhang beispielsweise im US-Bundesstaat Colorado bereits im Februar geschlossenen zweistelligen Millionenvertrag mit einer dort aktiven Marketingagentur.

Altersunabhängig sind in den USA bisher rund 50 Prozent der rund 328 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner geimpft. Mit Stand Montag haben nach Angaben der Gesundheitsbehörde CDC 70 Prozent aller Erwachsenen mindestens eine Impfdosis erhalten. US-Präsident Biden wollte diese Schwelle an sich bereits am Nationalfeiertag am 4. Juli überschreiten – angesichts der im Juni ins Stocken geratenen Impfkampagne wurde dieses Ziel nun um rund einen Monat verfehlt.

Angesichts wieder steigender Neuinfektionen haben sich in den USA zuletzt wieder deutlich mehr Menschen impfen lassen. Am Sonntag wurden nach Angaben aus dem Weißen Haus 816.000 Impfungen verabreicht, darunter 517.000 Erstimpfungen. Von den zuletzt verstärkt in den Fokus der US-Impfkampagne gerückten Jüngeren sind bei den 18- bis 39-Jährigen allerdings nach wie vor weniger als die Hälfte vollständig geimpft und unter den Zwölf- bis 17-Jährigen knapp 42 Prozent.

„Covid-19 noch nicht mit uns fertig“

CDC-Chefin Rochelle Walensky verweist dabei auch auf den jüngsten Anstieg bei den Neuinfektionen. Im Durchschnitt der vergangenen Tage verzeichneten die USA demnach rund 72.000 Neuinfektionen pro Tag. Das entspreche einem Anstieg von 44 Prozent gegenüber der Vorwoche und liege über dem Spitzenwert des vergangenen Sommers, so Walensky, der zufolge derzeit auch die Zahlen der CoV-bedingten Krankenhauseinweisungen und Todesfälle wieder steigen.

„Obwohl wir mit dieser Pandemie unbedingt fertig sein wollen, ist Covid-19 eindeutig noch nicht mit uns fertig“, so Walensky, die in diesem Zusammenhang auch von einer „Pandemie der Nichtgeimpften“ spricht. Die CDC-Chefin warnte die Menschen dabei insbesondere vor der Delta-Variante, die „hochgradig ansteckend“ sei. Deshalb sei es umso wichtiger, sich impfen zu lassen. Zwar könnten sich Menschen trotz Impfung anstecken. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie aber erkranken, sei durchaus geringer.

„Sie töten Menschen“

Das US-Gesundheitsministerium führte die geringe Impfbereitschaft bei bestimmten Personengruppen zuletzt direkt auf die als „Gefahr für die öffentliche Gesundheit“ bezeichneten in sozialen Netzwerken verbreiteten Falschinformationen zurück. Die Social-Media-Unternehmen hätten zu spät und bisher zu wenig gegen die auf ihren Kanälen verbreiteten Desinformationen unternommen, wie das Ministerium nach Angaben des Onlineportals The Conservation hier kritisierte.

Die Kritik erinnerte an die scharfen Worte, die Biden Mitte Juli an die Onlinenetzwerke adressierte. Diese seien als Kanäle für Falschinformationen zur Pandemie und den Impfungen für Todesfälle mitverantwortlich. „Sie töten Menschen“, wie der US-Präsident dazu anfügte. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, warf insbesondere Facebook vor, nicht energisch genug gegen Falschinformationen zur Pandemie und den Impfungen vorzugehen. Facebook wies die Kritik scharf zurück und entgegnete: „Die Fakten zeigen, dass Facebook dabei hilft, Leben zu retten. Punkt.“

Das „Desinformationsdutzend“ hinter den „Fake News“

Einer aktuellen Umfrage zufolge würden indes 63 Prozent der Befragte in den USA ein Gesetz unterstützen, das Internetplattformen wegen "Fake News2 über Covid-19-Impfstoffe und Notfälle im Bereich der öffentlichen Gesundheit belangen kann. Bei den Anhängern der Demokraten waren es 78 Prozent und bei denen der Republikaner 52 Prozent, wie aus der von Morning Consult durchgeführten Umfrage weiter hervorgeht.

Während 27 Prozent die größte Verantwortung für die Verbreitung von Falschinformationen bei Facebook, Twitter und Co. sehen, beschuldigen 34 Prozent hauptsächlich diejenigen, von denen die Postings stammen. Für Aufsehen sorgte in diesem Zusammenhang ein zuletzt vom Center for Countering Digital Hate (CCDH) veröffentlichter Bericht, wonach rund zwei Drittel der in sozialen Netzwerken kursierenden Anti-Impf-Inhalte auf zwölf, auch als „Desinformationsdutzend“ bereits einschlägig bekannte Impfgegner zurückzuführen sei.