Impfpass mit eingetragenen Coronaimpfungen von Jänner und Februar 2021
Reuters/Lisi Niesner
Wer, wann, wieso

Die Pläne für die dritte Impfung

Noch fällt der Startschuss für die CoV-Auffrischungsstiche nicht, das zuständige Nationale Impfgremium will „zu gegebener Zeit“ einen dritten Stich empfehlen. Im Gesundheitsministerium laufen aber schon die konkreten Planungen. Der „Booster Shot“ wird ab Mitte Oktober Thema sein, so das Ministerium zu ORF.at. Ob für alle oder nur für Risikogruppen, ist noch nicht gewiss. Eine größere Rolle soll jedenfalls die niedergelassene Ärzteschaft spielen.

In anderen Ländern sind die Auffrischungsimpfungen für bestimmte Gruppen schon im Gange. In Israel wird bereits die Generation 60 plus erneut geimpft, und zwar jene Menschen, deren zweite Impfdosis vor mindestens fünf Monate zurückliegt. Zuvor hatte das israelische Gesundheitsministerium Daten vorgelegt, nach denen die Effektivität der in Israel verwendeten Impfung von Biontech und Pfizer inzwischen nachgelassen hat.

Deutschland kündigte bereits Auffrischungsimpfungen für Risikogruppen (Ältere, Pflegebedürftige und Menschen mit schwachem Immunsystem) ab September an. Die Weltgesundheitsorganisation kritisiert die Auffrischungen und forderte am Mittwoch einen Stopp, solange noch viele ärmere Länder auf Impfdosen warten, hieß es. Doch die Vorbereitungen in weiteren Ländern laufen längst.

Bedarfsklärung in Österreich

Auch in Österreich mehrten sich zuletzt aus den Ländern die Rufe nach Vorbereitungen auf den Herbst. Tirols und Oberösterreichs Landeshauptleute Günther Platter und Thomas Stelzer (beide ÖVP) drängten auf „Klarheit aus dem Gesundheitsministerium, wie das mit der dritten Impfung ist“. Der Hinweis kommt nicht von ungefähr, für die Umsetzung der Impfungen sind schließlich die Länder zuständig, während die Verteilung über den Bund läuft.

Das soll auch bei der Drittimpfung im Herbst so bleiben, wie das Gesundheitsministerium gegenüber ORF.at bestätigte. Die Klärung des Bedarfs und Vorbereitungen seien im Laufen. Je nach Bundesland und Möglichkeit würden die Menschen ein Erinnerungsschreiben zur Auffrischungsimpfung erhalten.

Daten für Zielgruppen stehen noch aus

Derzeit geht man davon aus, dass ein dritter Stich rund neun Monate nach dem zweiten erfolgen soll – bzw. ein zweiter Stich nach der Einmaldosis des Herstellers Johnson & Johnson. In der entsprechenden Verordnung enden nach neun Monaten auch die automatischen Freiheiten für Vollimmunisierte. Daher will das Ministerium ab Mitte Oktober mit den „Booster Shots“ beginnen, vorerst wieder mit den Risikogruppen, die zu Beginn des Jahres, erstmals am 17. Jänner, zweitgeimpft wurden.

Debatte über Sinnhaftigkeit der „Booster Shots“

Günther Mayr (ORF) spricht über Zweck und Sinn der Auffrischungen und legt den aktuellen Wissensstand dar.

„Ob wirklich für alle Personen eine Auffrischungsimpfung schon nach neun Monaten notwendig sein wird, ist aufgrund der aktuellen Studienlage noch nicht abschließend beurteilbar“, so das Ministerium. Das Nationale Impfgremium werde die Entwicklungen beobachten.

Für Menschen, die schon eine CoV-Infektion durchmachten und genesen sowie anschließend einmal geimpft wurden, gilt das Gleiche wie für doppelt Geimpfte. Hochrisikopatientinnen und -patienten wiederum können in bestimmten Fällen schon jetzt eine dritte Impfdosis erhalten, sollte keine ausreichende Immunantwort vorhanden sein.

Mehr Stiche in den Praxen

Genug Impfdosen seien in jedem Fall vorhanden, wurde betont. „Der exakte Zeitpunkt für den Start der dritten Teilimpfung sollte jedoch erst festgelegt werden, wenn ausreichend wissenschaftliche Grundlagen vorliegen und die europäische Zulassungsbehörde EMA ihre entsprechende Empfehlung abgibt.“

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) hatte bereits zuvor angekündigt, dass er die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte stärker einbinden wolle. Damit will man zögerliche Impfkandidaten und -kandidatinnen überzeugen. Bisher übernehmen gerade in Großstädten wie Wien Impfstraßen den Gutteil der Verabreichungen, in den Arztpraxen wird im Vergleich dazu nur wenig gegen CoV geimpft.

Zweifel an Auffrischung für alle

Der Hauptgrund, wieso eine Auffrischung nötig sein könnte, ist die grassierende Delta-Variante. Expertinnen und Experten empfehlen den dritten Stich für Ältere und jene mit beeinträchtigtem Immunsystem, so etwa der Innsbrucker Infektiologe Günter Weiss gegenüber der „Tiroler Tageszeitung“. Er empfahl eine Auffrischung für über 70-Jährige und Risikopatientinnen und -patienten. Die Wiener Virologin Christina Nicolodi hielt im „Standard“ allerdings wenig davon, der breiten Masse eine dritte Impfung zu verabreichen, das sei „nicht notwendig“, so Nicolodi. Das habe auch Auswirkungen auf die Bildung von Antikörpern.

So sah es auch die Chefin der EMA, Emer Cooke, im Gespräch mit dem Onlinemagazin Politico. Die Delta-Variante sei besorgniserregend, aber die in der EU zugelassenen Vakzine seien effektiv. Es gebe eine Reduktion der Wirksamkeit, „aber keine signifikante“, so Cooke. Im Moment gebe es nicht genügend Daten, die auf die Notwendigkeit einer Auffrischung für alle hinweisen würden. „Bei einigen Bevölkerungsgruppen wird man möglicherweise den Bedarf erkennen, was nicht bedeutet, dass ein universeller Bedarf in der gesamten Bevölkerung besteht“, sagte Cooke.

EU deckt sich ein

Die EU-Kommission stellte sich dennoch auf umfassenden Bedarf ein. Brüssel sicherte sich 200 Millionen Dosen des noch nicht zugelassenen Impfstoffs von Novavax. Kommissionschefin Ursula von der Leyen bestätigte zudem am Mittwoch, dass bei Biontech bis zum Jahr 2023 1,8 Milliarden Dosen bestellt wurden. „Das ist der größte Anschlussauftrag weltweit und reicht für mögliche Auffrischungsimpfungen in der EU und Anpassungen an mögliche neue Virusvarianten.“

Für genaue Anweisungen wird man auf die Empfehlung des Nationalen Impfgremiums warten müssen. Im Gesundheitsministerium ging man am Dienstag davon aus, „dass bis dahin auch weitere Daten zu den Impfstoffen zur Verfügung stehen werden“. So könne man gegebenenfalls auch auf die Virusvarianten reagieren. Derzeit sei das Wichtigste, dass „so viele Menschen wie möglich ihren Impfschutz vervollständigen – nur so sind sie bestmöglich vor Delta geschützt“.

Ruf nach mehr Informationen

Kritik an der Organisation der Auffrischungen kam am Donnerstag von NEOS. Der E-Impfpass sei derzeit die einzige umfassende Datenquelle, die Aufschluss über den richtigen Zeitpunkt für eine etwaige dritte Impfung geben könne. Die Bundesländer hätten darauf keinen Zugriff. Wie die Länder diese Information erhalten sollen, dazu habe man eine parlamentarische Anfrage an Mückstein gestellt.

Auch der SPÖ-Pensionistenverband forderte vom Ministerium mehr Informationen, sowohl für Ärzteschaft, Bundesländer und Gemeinden, „um eine zügige Abwicklung zu gewährleisten“. Es müsse auch „klare Botschaften an eine Generation, die von Corona stark betroffen war und die, wie die Impfquoten zeigen, vorbildlich mithilft, schwere Covid-19-Krankheitsverläufe zu verhindern“ geben, so Verbandspräsident Peter Kostelka.