Fußgänger in der Via Giosue Carducci in Triest (Italien)
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Kein „G“ für Geimpfte

Die Krux mit Italiens CoV-Vakzin

Ohne „Grünen Pass“ kein Zutritt: Was in der laufenden Coronavirus-Pandemie auch in Österreich in vielen Bereichen gelebte Praxis ist, wird angesichts steigender Infektionszahlen nun in Italien weiter verschärft. Damit einher geht eine Debatte über die hier maßgebenden drei „Gs“ (genesen, geimpft, getestet) – bei denen das Gesundheitsministerium in Rom nun den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einer Testreihe für einen in Italien entwickelten, bisher aber noch nicht zugelassenen Impfstoff als „Sonderfälle“ eine Ausnahmeregel zugesichert hat.

Ungeachtet erfolgter Immunreaktion ist für die Betroffenen der Erhalt des als „Grüner Pass“ bekannten Covid-Zertifikats der EU an sich nur über einen negativen CoV-Test möglich. Dahinter steht die an sich klare Vorgabe, wonach man nur nach der Impfung mit einem von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zugelassenen Vakzin als geimpft für den „Grünen Pass“ freigeschaltet werden kann.

Eine baldige Zulassung des vom Biotech-Unternehmen Reithera bereits durch zwei Testphasen geführten Vakzins zeichnet sich derzeit allerdings nicht ab. Vielmehr kassierte der Rechnungshof die von der Regierung zugesprochenen Fördergelder mit der Begründung, diese seien von dem in Castel Romano (Provinz Rom) sitzenden Unternehmen womöglich nicht ausschließlich zur Entwicklung eines Covid-19-Impfstoffs, sondern für den allgemeinen Ausbau des Unternehmens zweckentfremdet worden.

Fläschen mit Impfstoff gegen Codid-19 von ReiThera experimental aufgenommen in Vercelli (Italien)
APA/AFP/Marco Bertorello
Rund 900 Freiwilligen wurde im April der von Reithera entwickelte Impfstoff verabreicht

„Absolut notwendig“

Es bleibt somit offen, ob und wann Reithera die notwendigen Geldmittel für die für eine Zulassung entscheidende Testphase aufbringen kann. Wie italienische Medien zuletzt berichteten, gibt es gleichzeitig Hinweise auf eine hohe Wirksamkeit. Der in Italien entwickelte Vektorviren-Impfstoff habe drei Wochen nach der ersten Dosis bei über 93 Prozent der Probanden eine Antikörperreaktion gegen das Spike-Protein gezeigt, wie die Nachrichtenagentur ANSA im Juli mit Verweis auf die vom Unternehmen veröffentlichten Erkenntnisse zur zweiten Testreihe berichtete. Und nach der zweiten Dosis waren es diesen Angaben zufolge dann 99 Prozent.

Aus diesem Grund kündigte das italienische Gesundheitsministerium zunächst eine Prüfung an, inwieweit Freiwillige der Testreihe doch noch im „Grünen Pass“ als geimpft freigeschaltet werden könnten – und nach Angaben der Nachrichtenagentur Adnkronos gibt es auch schon eine, wenn nur temporäre Lösung.

Alle Beteiligten können eine, wenn auch befristete „Befreiung von der Impfung gegen Covid-19 in Papier- oder Digitalformat“ ausstellen lassen. Diese Bescheinigung sei den Angaben zufolge bis zum 30. September gültig und werde von jenem Arzt ausgestellt, der für das Testzentrum zuständig ist, in dem die Impfung durchgeführt wurde.

Verweis auf Impftouristen

Eine Lösung sei, auch mit Blick auf künftige Impfstofftestreihen, absolut notwendig und müsse zusammen mit den Experten des Nationalen Gesundheitsinstituts (CTS) schnellstmöglich erörtert werden, sagte zuvor der im Gesundheitsministerium tätige Staatssekretär Pierpaolo Sileri. Neben all jenen, die „großzügig an der Reithera-Erprobung teilgenommen haben“, gebe es noch eine Reihe weiterer „Sonderfälle“, die ebenfalls auf eine Antwort auf die Frage warten, ob und wann sie ihre Impfung anerkennen lassen können.

Sileri verwies hier auch auf Personen, die im Ausland mit einem ebenfalls von der EMA bisher nicht zugelassenen Impfstoff geimpft wurde. Nachdem die vom Gesundheitsministerium bekanntgegebene Kompromisslösung allein auf die Reithera-Testpersonen zielt, bleibt etwa bei einer Impfung mit dem russischen „Sputnik V“ die Frage nach dem „Grünen Pass“ weiter offen.

„Paradox“

Als grundsätzlichen Lösungsansatz stellte der Staatssekretär den Nachweis von Antikörpern als zusätzliches Kriterium in den Raum – und dieser sei Medienberichten zufolge etwa bei den Reithera-Probanden nahezu durchgehend vorhanden. Für die mittlerweile erfolgreich abgeschlossene Phase II hatten sich im April italienweit 900 Freiwillige gemeldet – darunter auch der ehemalige Bürgermeister von Triest und Ex-Regionalpräsident von Friaul-Julisch Venetien, Riccardo Illy.

Er habe sich im März aus Überzeugung entschlossen, an der in Triest durchgeführten und im Juni beendeten Studie für Italiens ersten CoV-Impfstoff teilzunehmen, wie der auch für den familieneigenen Kaffeekonzern Illy tätige Unternehmer gegenüber dem „Corriere della Sera“ sagte. „Diejenigen, die Covid hatten oder mit einem offiziellen Impfstoff geimpft wurden, erhalten den ‚Grünen Pass‘, während wir, die wir die Antikörper ohnehin haben, ihn nicht erhalten“, das sei paradox. Sollte es zu keiner Lösung kommen, werde er sich ungeachtet von nachgewiesenen Antikörpern und etwaigen gesundheitlichen Risiken wohl auch mit einem von der EMA zugelassen Vakzin impfen lassen, so Illy, der hier nachlegt: „Ich kann so nicht arbeiten.“

Angesichts des ab Freitag in vielen Bereichen als Eintrittskarte vorgeschriebenen „Grünen Passes“ kamen zuletzt in italienischen Medien auch weitere Freiwillige der Reithera-Testreihe zu Wort. Darunter der Schriftsteller Gianrico Carofiglio, der ebenfalls scharfe Kritik an der Vorgangsweise übte. Der Parlamentsabgeordnete Paolo Thiramani zeigte sich gegenüber „La Repubblica“ unterdessen optimistisch, dass es die vonseiten des Gesundheitsministeriums in Aussicht gestellte schnelle Lösung bald auch gibt.

Eintrittskarte für Restaurants und Museen

Bis dahin bekommen die Reithera-Freiwilligen nur mit einem negativen CoV-Test Zugang zu geschlossenen Räumen wie Bars und Restaurants, aber auch Schwimmbädern, Sporthallen, Museen, Kinos und Theatern. Dahinter stehen die in Italien mit Freitag in Kraft tretenden neuen CoV-Maßnahmen, in derem Zentrum der Gesundheitspass und damit die „3-G-Regeln“ stehen.

Für Ministerpräsident Mario Draghi handelt es sich um „ein Instrument, das es den Italienern ermöglicht, ihren Aktivitäten nachzugehen und dabei sicherzustellen, dass sie sich nicht in der Nähe von ansteckenden Menschen befinden“. Die zuletzt bei Demos in etlichen italienischen Städten scharf kritisierte erweitere Nutzung des „Grünen Passes“ sei dem italienischen Regierungschef zufolge kein willkürlicher Akt, sondern eine Bedingung für Öffnungen.

Italien verschärft CoV-Regeln

Für den Besuch im Lokal oder im Museum muss man nachweisen, dass man entweder einmal geimpft, genesen oder getestet ist. Diese Regelungen gelten dann auch für Kultur- und Sportveranstaltungen im Freien.

Weitere Verschärfung ab 1. September

Ab 1. September wird ein Impfnachweis, ein 48 Stunden lang gültiger negativer Coronavirus-Test oder ein Genesungsnachweis dann auch an Bord von Flugzeugen, Hochgeschwindigkeitszügen, Fernbussen und Fähren notwendig sein. Auch Schulen und Universitäten sind von den am Donnerstag von der Regierung bekanntgegebenen nächsten Verschärfungsschritten betroffen. Der „Grüne Pass“ soll im Herbst auch von Lehrerpersonal und Studenten verlangt werden.

Wer in der Schule den „Grünen Pass“ nicht vorweist, wird vom Dienst suspendiert, beschloss die Regierung, die ab September Präsenzunterricht garantieren will. Die Plätze an Bord von öffentlichen Verkehrsmitteln sollen aufgestockt werden. Schnelltests sollen für Kinder zwischen zwölf und 18 Jahren maximal acht Euro kosten, für Erwachsene werden sie 15 Euro kosten.