R. Kelly
Reuters/Kamil Krzaczynski
R Kelly vor Gericht

Jahrzehntelanges Schweigen bis zum Prozess

Vom Musikolymp ins Gefängnis: Der Absturz des dreifachen Grammy-Gewinners R Kelly hätte kaum drastischer sein können. Am Montag beginnt nun der lang aufgeschobene Prozess gegen Kelly, unter anderem wegen Erpressung und sexueller Ausbeutung Minderjähriger. Das Verfahren wirft auch die Frage auf, wieso so lange weggeschaut wurde.

Rund 25 Jahre lang kamen wiederholt schwere Vorwürfe gegen den Musiker und Produzenten, der mit bürgerlichem Namen Robert Sylvester Kelly heißt, auf. Doch erst eine TV-Doku im Jahr 2019 brachte das Fass offenbar endgültig zum Überlaufen. „Surviving R Kelly“ fasste schockierende Berichte von Opfern und Augenzeuginnen und -zeugen zusammen und brachte den Stein für Kellys Verhaftung ins Rollen.

Die Vorwürfe gegen Kelly wiegen schwer. Im Prozess im New Yorker Stadtteil Brooklyn geht es um die Anzeigen von sechs Frauen, Kinderpornografie, Entführung, Menschenhandel und mehr. Die Anklageschrift geht von einem Netzwerk rund um Kelly aus, einem „kriminellen Unternehmen“, aus Managern, Bodyguards und anderen Angestellten. Sie sollen dem Musiker Frauen und Mädchen zugeführt haben und Vorwürfe vertuscht haben. Kurz vor Prozessbeginn kamen noch neue Vorwürfe dazu. Erstmals wurde vor wenigen Wochen auch ein Fall mit einem 17-Jährigen genannt, wie US-Medien berichteten.

R. Kelly vor Gericht
AP/Chicago Tribune/Antonio Perez
Kelly 2019 nach seiner Verhaftung vor Gericht. Er selbst beteuert seine Unschuld.

Ehe mit 15-Jähriger

Der heute 54-jährige Kelly, der sich seit seiner Festnahme vor zwei Jahren in Haft befindet, beteuerte stets seine Unschuld und sprach von einer Rufmordkampagne. Kelly hat bereits mehrere Gerichtsverfahren wegen Geschlechtsverkehrs mit Minderjährigen außergerichtlich abwenden können. In einem weiteren Prozess wegen des Besitzes von Abbildungen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs wurde er freigesprochen.

Aaliyah am 20. März 2000
APA/AFP/Vince Bucci
Sängerin Aaliyah starb 2001

In den Anhörungen vor Prozessbeginn legte Richterin Ann Donnelly auch fest, dass im Verfahren über Kellys Kurzzeitehe mit der damals 15-jährigen Sängerin Aaliyah gesprochen werden dürfe. Laut Staatsanwaltschaft heiratete Kelly das Mädchen im Jahr 1994 heimlich, als er selbst 27 Jahre alt war. Laut USA Today bestach er einen Beamten, damit dieser Aaliyah einen Ausweis fälschte.

Das Mädchen, das 2001 durch einen Flugzeugabsturz starb, werde in den Gerichtsakten nicht mit Namen genannt, sondern als „Jane Doe #1“ bezeichnet, so der Bericht. Kelly habe Aaliyah für schwanger gehalten und sie heiraten wollen, um etwaigen rechtlichen Folgen zu entgehen. Eine Ehefrau muss vor Gericht nicht gegen ihren Mann aussagen. Die Ehe wurde bald annulliert, beide dementierten später die Heirat.

Weitere Verfahren warten

Weitere Vorwürfe kamen in den vergangenen Jahren auf. Kellys zweite Ehefrau Andrea, mit der er zwischen 1996 und 2009 verheiratet war, sagte aus, Kelly habe sie emotional, körperlich und sexuell missbraucht, sie habe in der Ehe um ihr Leben gefürchtet. 2019 wurde schließlich die sechsstündige Doku „Surviving R Kelly“ im Sender Lifetime ausgestrahlt. Darin beschuldigen mehrere Frauen den Sänger, sexuelle Beziehungen mit Mädchen unter 16 Jahren gehabt zu haben. Zeugen versicherten, der Sänger habe sich mit Frauen umgeben, um sie von sich abhängig zu machen und sie von ihren Familien fernzuhalten.

Karriere

Kelly gehörte seit den 1990er Jahren zu den Popsuperstars der US-Musikszene. Er schrieb, komponierte und arbeitete auch als Produzent. Sein größter Hit „I Believe I Can Fly“ brachte ihm zahlreiche Auszeichnungen ein, darunter drei Grammys. Sein letztes Album erschien 2016.

Der Prozess beginnt am Montag nun mit der Auswahl der Geschworenen. Am 18. August sollen die Auftaktplädoyers folgen. Der Musiker hatte wegen der Pandemie mehrfach um vorzeitige Haftentlassung auf Kaution gebeten, war aber jedes Mal gescheitert. Weil es wiederholt zu Einschüchterungsversuchen kam, werden die Jurymitglieder anonym bleiben.

Wegen der Pandemie werden zudem im Gerichtssaal nur die Geschworenen und Teilnehmer der beiden Prozessparteien anwesend sein. Alle anderen Teilnehmenden sollen das Verfahren per Liveübertragung verfolgen. Der Prozess soll mehrere Wochen dauern. Bei einer Verurteilung könnte Kelly eine jahrzehntelange Haftstrafe drohen – außerdem liegen auch noch in Chicago und Minnesota ähnlich lange Anklageschriften gegen ihn vor, die nach dem New Yorker Prozess abgearbeitet werden sollen.