Ex-ORF-Journalist und späterer „Kurier“-Chefredakteur Peter Rabl und der FPÖ-Chef und spätere Vizekanzler Norbert Steger beim ersten Sommergespräch 1981
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ORF-„Sommergespräche“

Vom Talk im Pool zur Politik auf dem Dach

Ein FPÖ-Chef zum Interview im Swimmingpool, ein ÖVP-Chef beim Tischtennisspielen: In der 40-jährigen Geschichte der ORF-„Sommergespräche“ finden sich einige TV-Momente, die heute undenkbar wären. Schnell wurden damit die ungewöhnlichen Interviews zum politischen Fixtermin. Am Montag (21.05 Uhr, ORF2) startet die nächste Runde, Lou Lorenz-Dittlbacher moderiert – diesmal auf dem Dach des Leopold Museums im Museumsquartier.

Zwei Männer in Badenhosen machten 1981 den Anfang bei den „Sommergesprächen“: der damalige ORF-Journalist und spätere „Kurier“-Chefredakteur Peter Rabl und der damalige FPÖ-Chef und spätere Vizekanzler Norbert Steger. Zu diesem Zeitpunkt war wohl noch nicht abzusehen, welche lange Tradition damit begründet wird – und wahrscheinlich auch nicht, dass das Bild vom in den Pool hüpfenden FPÖ-Chef Fernsehgeschichte machen wird.

Dabei war, wie Rabl in der Dokumentation „40 Jahre Sommergespräche – Gelsen, Glocken und Gedanken“ sagt, die Idee mit dem Pool mehr eine spontane Idee, weil es an diesem Tag im Sommer 1981 „brüllend heiß war“. Und: Der FPÖ-Chef „spielte mit“, was heute wohl eher keine Selbstverständlichkeit wäre.

„40 Jahre Sommergespräche – Gelsen, Glocken und Gedanken“

Mit ihrer Dokumentation geht Julia Ortner auf eine Zeitreise – durch die ORF-Fernsehgeschichte ebenso wie durch die österreichische Zeitgeschichte.

Gespräch mit „mehr Möglichkeiten“

Der Sprung in den Pool wurde jedenfalls über die Jahre zum Sinnbild der Sendung: Gespräche abseits des Tagesgeschehens, sowohl was den Ort als auch die Themen anbelangt. Wenn der damalige ÖVP-Chef Alois Mock beim Tischtennisspielen Sport und Politik vergleicht, dann ist das ein anderer Zugang als in einem zeitlich stark begrenzten Fernsehinterview. Man habe „mehr Zeit“ und dadurch „mehr Möglichkeiten“, sagt Moderatorin Lorenz-Dittlbacher.

Ex-ORF-Journalist und späterer „Kurier“-Chefredakteur Peter Rabl und der FPÖ-Chef und spätere Vizekanzler Norbert Steger beim ersten Sommergespräch 1981
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Mit Steger (im Pool links) und Rabl (im Pool rechts) starteten 1981 die Gespräche

Freilich gab es nicht nur kuriose Höhepunkte, die im Rückblick vielleicht zum Schmunzeln einladen – schließlich stand die Politik trotz sommerlicher stets im Mittelpunkt. So manche Aussage ist auch Jahrzehnte später noch in Erinnerung, wie jener Moment, in dem Jörg Haider 1988 von Österreich als „ideologischer Missgeburt“ sprach.

Die Angst vor der immer gleichen Antwort

Oft werden Politikerinnen und Politiker aus der Reserve gelockt: Dann etwa, wenn Armin Wolf Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf eine Besprechung seines Lieblingsbuchs anspricht, die sich wortgleich auf einer rechtsextremen Website findet, oder wenn die bis dahin unbekannte „Wut-Oma“ Frieda Nagl aus dem Publikum heraus bei Fragen zur Steuerpolitik an Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner nicht locker lässt. Der damalige SPÖ-Kanzler Werner Faymann wurde unterdessen zur später eingestellten Inseratenaffäre befragt, für seinen Parteikollegen Josef Cap sei das Gespräch „schon fast wie ein Untersuchungsausschuss“ gewesen.

Lou Lorenz-Dittlbacher
ORF/Roman Zach-Kiesling
Lou Lorenz-Dittlbacher moderiert die heurigen „Sommergespräche“

Ein Blick zurück zeigt aber auch, wie sehr sich Inszenierung und politische Gesprächskultur in den vergangenen vierzig Jahren verändert haben. „Vorgefertigte Antworten“ sind heute große Sorge des Publikums und der Moderatorinnen und Moderatoren zugleich, wie auch Lorenz-Dittlbacher sagt. Dabei „sind die Politiker den Menschen auch schuldig“, richtige Antworten zu geben, so die ZIB2-Moderatorin.

ORF-„Sommergespräche“

  • 9. August: Beate Meinl-Reisinger (NEOS)
  • 16. August: Werner Kogler (Grüne)
  • 23. August: Herbert Kickl (FPÖ)
  • 30. August: Pamela Rendi-Wagner (SPÖ)
  • 6. September: Sebastian Kurz (ÖVP)

Die Gespräche werden live in ORF2 und in der TVthek gezeigt und in der ZIB2 analysiert. ORF.at berichtet über die Gespräche im Anschluss an die Sendung.

Kulisse, die sich einmischt

Vom Swimmingpool in St. Veit an der Glan (Kärnten) angefangen hatte das Sommergespräch über die Jahre viele Kulissen, oft mit einem gewissen Eigenleben. 2002 wurde Wolfgang Schüssel (ÖVP) am Neusiedler See Opfer der Gelsen, 18 Jahre später der jetzige ÖVP-Chef Sebastian Kurz. BZÖ-Obmann Josef Bucher wurde 2009 vom Salzburger Dom übertönt. 2019 war im Hintergrund des Gesprächs in Wien mit SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner Elefantentröten zu hören, das sich später als Werbeaktion herausstellte.

Mit neuer Moderatorin wechselt auch einmal mehr der Ort: Heuer dient die „Libelle“ auf dem Dach des Leopold Museums im Museumsquartier als Kulisse. Den Anfang macht NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Auch dieses Jahr wird anders werden als die Jahre davor – sicher ist wohl nur eines: Eine Rückkehr ins kalte Nass ist so bald wohl nicht mehr zu erwarten.