Buch mit LGBTQ-Inhalten, das in Ungarn eingeschränkt werden soll
APA/AFP/Attila Kisbenedek
LGBTQ-Gesetz

Ungarn schränkt Buchverkauf ein

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat mit einer Verordnung den Verkauf von Kinderbüchern eingeschränkt, die von der heterosexuellen Norm abweichende Inhalte darstellen oder thematisieren. Die neue Rechtsregel erschien am Freitagabend im Ungarischen Amtsblatt.

Sie regelt die Durchführung eines umstrittenen Gesetzes, das es untersagt, Menschen unter 18 Jahren Informationen über Homosexualität, Transsexualität und Geschlechtsumwandlungen zukommen zu lassen. Das von Orbans rechtsnationaler FIDESZ-Partei dominierte Parlament hatte das Gesetz im Juni gebilligt.

Der neuen Verordnung zufolge dürfen Kinderbücher, die „die Abweichung von der bei der Geburt empfangenen geschlechtlichen Identität oder Geschlechtsumwandlungen oder selbstzweckhafte Sexualität abbilden sowie Homosexualität darstellen oder popularisieren“, nicht in den Auslagen gezeigt oder in den Geschäften für alle sichtbar sein.

Palette voller Bücher, die in Ungarn eingeschränkt werden sollen
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Bücher, die vom LGBTQ-Gesetz umfasst sind, dürfen künftig in Ungarn nicht mehr offen verkauft werden

Buchbann rund um Schulen

Derartige „anstößige“ Bücher dürfen außerdem nicht im Umkreis von 200 Metern von Schulen oder Kirchen verkauft werden. Außerdem müssen sie in Verpackungen angeboten werden, durch die der Umschlag nicht erkennbar ist. Die 200-Meter-Regel erinnert an die ungarische Prostitutionsgesetzgebung. Sexarbeiterinnen ist es verboten, ihre Dienste im Umkreis von 200 Metern von Schulen und Kirchen anzubieten.

Die Verordnung tritt in 30 Tagen in Kraft. Das zugrunde liegende Gesetz sieht unter anderem ein Verbot von Büchern, Filmen und anderen Inhaltsträgern vor, die Kindern und Jugendlichen zugänglich sind und in denen Sexualität dargestellt wird, die von der heterosexuellen abweicht. Darüber hinaus wird Werbung verboten, in der Homosexuelle oder Transsexuelle als Teil einer Normalität erscheinen.

EU leitete Vertragsverletzungsverfahren ein

Das Gesetz wurde im In- und Ausland heftig kritisiert. Aktivisten sprechen von einem Schlag gegen die LGBTQ-Gemeinde. Gegen das Inkrafttreten des Gesetzes hatte es vorab zahlreiche Proteste von Menschenrechtsaktivisten und Vertretern der LGBTQ-Gemeinschaft gegeben – jedoch ohne Erfolg. Die EU hatte als Reaktion auf das Gesetz in der vergangenen Woche ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Budapest eingeleitet.

Europa werde es niemals zulassen, dass „Teile unserer Gesellschaft stigmatisiert werden: Sei es wegen der Person, die sie lieben, wegen ihres Alters, ihrer politischen Meinung oder aufgrund ihres religiösen Glaubens“, erklärte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen damals. Sie nannte das Gesetz „schändlich“. Die EU-Kommissarin für Gleichstellung, Helena Dalli, verwies in einem Interview der Thomson Reuters Foundation auf die Möglichkeit, dem Land die EU-Gelder zu kürzen.

Die ungarische Regierung verurteilte die „Angriffe“ Brüssels auf das Gesetz daraufhin als „politisch motiviert“. „Brüssel hat Ungarn wegen des Gesetzes in den vergangenen Wochen klar attackiert“, sagte Orban. Er erließ Ende Juli eine Verordnung, in der dem ungarischen Staat verboten wird, EU-CoV-Hilfen anzunehmen, falls Brüssel deren Bewilligung von der Abschaffung des als LGBTQ-feindlich geltenden Gesetzes abhängig macht. Dem Land könnten dadurch 7,2 Milliarden Euro aus dem EU-Aufbaufonds entgehen. Orban kündigte zudem ein Referendum an, bei dem die Ungarn über den Inhalt des LGBTQ-Gesetzes abstimmen sollen.