Außenansicht von Polens Obersten Gerichtshof in Warschau
AP/Czarek Sokolowski
Streit um Justizreform

Polen gibt EU-Druck teilweise nach

Polen lenkt im Streit mit Brüssel über seine umstrittene Justizreform teilweise ein. „Wir werden die Disziplinarkammer des Obersten Gerichtshofs in ihrer jetzigen Form abschaffen – und damit wird auch der Gegenstand des Streits mit der EU verschwinden“, sagte der Chef der konservativen Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, am Samstag der Nachrichtenagentur PAP.

Die rechtsnationalistische PiS hatte die Disziplinarkammer 2018 eingerichtet; diese sorgte für heftige Kontroversen mit Brüssel. Die Kammer ist für Disziplinarverfahren gegen Richter zuständig und kann diese auch suspendieren. Die PiS gibt vor, so gegen Korruption und anderes Fehlverhalten sowie gegen das „Erbe des Kommunismus“ im Justizsystem vorzugehen.

Kritiker, darunter auch die EU-Kommission, werfen der Regierung in Warschau dagegen vor, die Unabhängigkeit der Justiz und die Gewaltenteilung zu untergraben.

Disziplinarkammer „wäre ohnehin abgeschafft worden“

Im Gespräch mit PAP verteidigte Kaczynski die Justizreform zunächst und erklärte, er erkenne „solche Urteile“ nicht an. Der EU-Gerichtshof überschreite seine Kompetenzen, indem er sich in nationale Hoheitsrechte einmische. Er räumte dann jedoch ein, die Disziplinarkammer sollte nach den weiteren Plänen des polnischen Justizministeriums ohnehin aufgelöst werden. Das habe man schon vor dem EuGH-Urteil diskutiert, erklärte Kaczynski.

Zuvor hatte bereits die Präsidentin des obersten Gerichts in Polen, Malgorzata Manowska, die Disziplinarkammer von einigen Aufgaben entbunden. Der Kammer sollten demzufolge keine neuen Disziplinarverfahren von Richtern oder Staatsanwälten mehr übertragen werden, wie PAP am Freitag meldete.

EuGH bemängelten fehlende Unabhängigkeit

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hatte Mitte Juli geurteilt, dass die Disziplinarkammer gegen EU-Recht verstößt. Die Luxemburger Richter bemängelten die fehlende politische Unabhängigkeit der Disziplinarkammer. Problematisch sei zudem, dass rein inhaltliche Gerichtsentscheidungen als Disziplinarvergehen eingestuft und geahndet werden können. Das ermögliche „politische Kontrolle von Gerichtsentscheidungen“ und die „Ausübung von Druck auf Richter“.

Die EU-Kommission hatte Warschau bis Mitte August Zeit gegeben, um darzulegen, wie die Regierung den EU-gerichtlichen Entscheidungen zur Disziplinarkammer nachzukommen gedenke. Andernfalls drohe Polen eine Geldstrafe. Kaczynski zufolge sollen die ersten Änderungsvorschläge zur Justizreform nun im September vorgelegt werden.

Streit mit EU als Belastungsprobe für Koalition

Der Streit mit der EU-Kommission hatte für zunehmende Spannungen im polnischen Regierungsbündnis gesorgt. Der moderatere Flügel rief zu einem Kompromiss mit Brüssel auf. Juniorpartner Vereintes Polen dagegen bestand darauf, dass die Justizreform notwendig sei, da manche Richter davon ausgingen, über dem Gesetz zu stehen. Aus den Reihen eines kleineren Koalitionspartners wurden erst am Freitag Zweifel an der EU-Mitgliedschaft laut.

Justizminister Zbigniew Ziobro von der ultrakonservativen Partei Vereintes Polen sagte der Zeitung „Rzeczpospolita“, sein Land solle zwar in der Europäischen Union sein, aber nicht um jeden Preis: „Die Annahme, dass die EU ein guter Onkel ist und uns Geld gibt und dass wir ihre Forderungen allesamt und um jedem Preis akzeptieren sollten, ist Propaganda und falsch.“