Touristen vor einem Souvenierladen in Havanna
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Wendepunkt

Kuba lässt private Kleinunternehmen zu

In einem beispiellosen Schritt hat die kubanische Staatsführung ein Gesetz verabschiedet, das die Gründung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) zulässt. Grünes Licht wurde am Freitag auf einer Sitzung des Staatsrats gegeben, an der Präsident Miguel Diaz-Canel per Videokonferenz teilnahm. Bisher sind im kommunistisch regierten Kuba staatliche Unternehmen die Norm.

„Der Staatsrat billigt das Dekret ‚Über Mikro-, Klein- und Mittelunternehmen‘, das deren Eingliederung in die Wirtschaft ermöglicht, um Teil der produktiven Transformation des Landes zu sein“, hieß es in einer Mitteilung auf der Website der Nationalversammlung. Die Änderung erfolgt rund einen Monat, nachdem Tausende Kubanerinnen und Kubaner auf die Straße gegangen waren, um gegen die Regierung zu protestieren.

Sie brachten mit den Demos ihren Unmut über die schlimmste Wirtschaftskrise seit 30 Jahren und die damit einhergehende Strom- und Lebensmittelknappheit zum Ausdruck. Seit dem Beginn der CoV-Pandemie kam es zudem zu einem kritischen Medikamentenmangel in Kuba.

Demonstranten in Havanna
Reuters/Alexandre Meneghini
Ungewöhnliche Bilder aus Kubas Haupstadt Havanna: Demonstrantinnen und Demonstranten zogen durch die Straßen

Wenn die Demonstrationen auch teils gewaltsam unterdrückt wurden, dürften sie nicht vergeblich gewesen sein. In den vergangenen Monaten hatte die Staatsspitze ihre Reformen beschleunigt, um die Modernisierung der Wirtschaft voranzutreiben und die Wirtschaftskrise einzudämmen. Im Februar beschloss die Regierung, einen Großteil der staatlich kontrollierten Wirtschaft für den Privatsektor zu öffnen – mit Ausnahme von Schlüsselbereichen wie Gesundheit, Medien und Bildung. Rund 2.000 Bereiche wurden für Selbstständige zugänglich gemacht.

„Großer Schritt für kubanische Wirtschaft“

Schätzungsweise 600.000 Kubanerinnen und Kubaner arbeiten zwar in der Privatwirtschaft – das sind etwa 13 Prozent der Erwerbstätigen –, doch sie forderten eine rechtliche Struktur, die ihre Unternehmen ausdrücklich zulässt. „Für die kubanische Wirtschaft ist das ein großer Schritt, der mittel- und langfristig Auswirkungen auf die Umstrukturierung der nationalen Wirtschaft haben wird“, analysierte Oniel Diaz, ein auf die Entwicklung der kubanischen Wirtschaft spezialisierter Berater. Das Gesetz stelle einen Wendepunkt dar, den viele Kubanerinnen und Kubaner seit Jahren sehnsüchtig erwartet hätten.

Nach dem Druck durch Proteste machte die Regierung zuletzt bereits erste Zugeständnisse an die Demonstrierenden. So dürfen Reisende Lebensmittel, Medikamente und Hygieneartikel nun zollfrei einführen, wie Ministerpräsident Manuel Marrero im Juli sagte. Auch bisher geltende Mengenbegrenzungen fallen weg. Die Regeln traten vor rund drei Wochen in Kraft und gelten zunächst bis Jahresende. Diaz-Canel kündigte damals bereits eine „kritische Analyse“ der Probleme in dem Karibik-Staat an. Marrero versprach auch, dass die Stromerzeugung verbessert und die Produktion von Medikamenten ausgebaut werden solle.

Kubas Präsident Miguel Diaz-Canel
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Diaz-Canel vollzog einen ungewöhnlichen Schritt in dem castroistischen Regime

Landesweite Demonstrationen sind für Kuba extrem ungewöhnlich. Die kubanische Regierung machte die USA für die Proteste verantwortlich. Erlaubt sind normalerweise nur Versammlungen und Veranstaltungen der regierenden Kommunistischen Partei. Der kubanische Außenminister Bruno Rodriguez warf der US-Regierung vor, die Demonstrationen „mit ihrer Politik der Sanktionen und einer Kampagne im Internet“ provoziert zu haben. Die Beziehungen zwischen Kuba und den USA befinden sich seit der Amtszeit des früheren US-Präsidenten Donald Trump auf einem neuen Tiefpunkt. Trump hatte das seit 1962 bestehende Embargo gegen Kuba verschärft.

IGFM: Hunderte Schnellverfahren gegen Demonstrierende

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) warf der kubanischen Führung unterdessen vor zu versuchen, durch „Schnellverfahren am laufenden Band“ das Regime zu stabilisieren. Noch immer seien auf Kuba Hunderte von Protestteilnehmerinnen und -teilnehmern inhaftiert und würden Tag für Tag von Schnellgerichten abgeurteilt, so die IGFM kürzlich in einer Aussendung.

Trotz einer seit Ausbruch der CoV-Pandemie angeordneten Gerichtspause fänden in großer Eile Hunderte Schnellverfahren gegen Protestteilnehmer statt. Die meisten der Verhafteten würden wegen „öffentlicher Unruhe, Anstiftung zu einem Verbrechen und Verachtung“ angeklagt. „Den Festgenommenen wird weder ein Verteidiger zugestanden, noch dürfen den Schnellgerichten Beweise vorgelegt werden“, kritisierte die IGFM.