ORF-Zentrum
ORF.at/Lukas Krummholz
Hearings und Abstimmung

Stiftungsrat wählt ORF-GD

Seit 10.00 Uhr wird am Dienstag im ORF-Stiftungsrat eine für Österreichs Medienlandschaft entscheidende Frage verhandelt: Wer wird neuer ORF-Chef oder neue ORF-Chefin? 14 Bewerbungen wurden eingereicht, vier Kandidaten und eine Kandidatin wurden zum nicht öffentlichen Hearing geladen, darunter Amtsinhaber Alexander Wrabetz. Als Favorit gilt Chefproducer und ORF.at-Geschäftsführer Roland Weißmann.

Zuerst standen am Vormittag die Hearings der Kandidatin und der vier Kandidaten im Stiftungsrat auf dem Programm. Alle fünf hatten jeweils 20 Minuten Zeit, ihre Konzepte vorzustellen, bevor sie sich einer offenen Fragerunde – dem „Grillen“ – stellten. Im Anschluss erfolgt dann die offen abgehaltene Wahl. Sollte dabei keine Mehrheit zustande kommen, ist ein zweiter Wahlgang in Form einer Stichwahl nötig. Der frisch gewählte neue Generaldirektor gibt im Anschluss eine Pressekonferenz.

Neben Wrabetz und Weißmann stehen ORF1-Channelmanagerin Lisa Totzauer, ORF-Technik-Vizedirektor Thomas Prantner und als einziger externer Kandidat Harald Thoma, Geschäftsführer der Pocketfilm Media Entertainment GmbH, zur Wahl. Sie wurden jeweils von zumindest einem Stiftungsrat nominiert.

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Alexander Wrabetz, Roland Weißmann, Lisa Totzauer, Thomas Prantner und Harald Thoma
Fotos: APA; ORF
Alexander Wrabetz, Roland Weißmann, Lisa Totzauer, Thomas Prantner und Harald Thoma stellten sich dem Hearing am Dienstag
Thomas Prantner
APA/Georg Hochmuth
Der Wiener Thomas Prantner startete seine ORF-Karriere 1984 als Volontär in der TV-Auslandsredaktion des Aktuellen Dienstes. Später war er in der ORF-Öffentlichkeitsarbeit tätig, ab 1994 Büroleiter von Generalintendant Gerhard Zeiler. 1995 bis 2002 war Prantner Pressesprecher des ORF und Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation, ab 2002 ORF-Marketingchef und Leiter der Hauptabteilung Zentrales Marketing. Seit April 2012 ist Prantner Leiter der Hauptabteilung Online und neue Medien und stellvertretender Direktor für Technik, Online und neue Medien.
Harald Thoma
APA/Herbert Neubauer
Harald Thoma ist der einzige externe Bewerber, der von einem Stiftungsrat zum Hearing eingeladen wurde. Der Sohn des früheren RTL-Chefs Helmut Thoma startete seine Karriere bei der „Kronen Zeitung“. Später war er unter anderem bei RTL2, den Universal Studios sowie Bertelsmann tätig. Derzeit ist Thoma Geschäftsführer der Pocketfilm Media Entertainment GmbH.
Lisa Totzauer
APA/Herbert Neubauer
Die Wienerin Lisa Totzauer begann ihre ORF-Karriere 1997 im Aktuellen Dienst des Landesstudios Niederösterreich. Ab 1999 war sie Mitglied der Zeit-im-Bild-Redaktion, zunächst als Redakteurin und Reporterin, später als Sendungsverantwortliche. 2013 wurde sie auf Vorschlag von Programmdirektorin Kathrin Zechner von Alexander Wrabetz zur Infochefin von ORF1 bestellt. Seit 2018 ist sie in ihrer derzeitigen Funktion als Channelmanagerin von ORF1 tätig.
Roland Weißmann
APA/Robert Jaeger
Der gebürtige Linzer Roland Weißmann startete seine ORF-Karriere 1995 im Landesstudio Niederösterreich. Nach Zwischenstopps als Chef vom Dienst bei Ö3 und als stellvertretender Chronikressortleiter in der ORF-Radioinformation war er von 2003 bis 2009 stellvertretender Chefredakteur im Landesstudio NÖ. Ab 2010 war Weißmann Büroleiter in der ORF-Finanzdirektion. Seit 2016 verwaltet er als Chefproducer das ORF-Programmbudget, 2020 wurde er zum ORF.at-Kogeschäftsführer bestellt.
Alexander Wrabetz
APA/Herbert Neubauer
Alexander Wrabetz, der gebürtige Wiener und promovierte Jurist, startete seine Karriere im Bankenbereich. 1998 wurde er Kaufmännischer Direktor des ORF, seit 2006 steht er dem Unternehmen als Generaldirektor vor. Wrabetz kann als Amtsinhaber finanziell auf eine solide ORF-Bilanz verweisen. Auch im vergangenen Pandemiejahr wurden keine Verluste eingefahren.

Sollte die Wahl abermals auf Wrabetz fallen, der seit 2007 Generaldirektor ist, würde er einen Rekord aufstellen: Noch nie amtierte jemand länger als Generaldirektor des öffentlich-rechtlichen Medienunternehmens. Dem Vernehmen nach dürfte eine Mehrheit für Weißmann aber fix sein. Er gilt als ÖVP-Wunschkandidat und dürfte neben der geschlossenen Unterstützung der bürgerlichen Vertreterinnen und Vertreter im Stiftungsrat auch jene der Grünen auf seiner Seite haben.

Stiftungsratsmitglieder vorab zurückhaltend

Auf dem Weg zum Hearing im Stiftungsrat waren zuvor mehrere „Freundeskreisleiter“ vor die wartenden Journalisten getreten. „Das Original ist besser als die Kopie“, warb SPÖ-„Freundeskreisleiter“ Heinz Lederer für den amtierenden Generaldirektor Wrabetz. Er hofft, noch unabhängige Stiftungsräte für Wrabetz gewinnen zu können. Den Ausgang der Wahl sah er als „offen“ an, „auch wenn die Auguren sagen, dass es in die eine Richtung geht“. Er dankte den Bewerbern für die vielen Einzelgespräche und Präsentationen in der Öffentlichkeit. Dafür müsse man ihnen Lob zollen.

Auch Lothar Lockl, der für die Grünen-nahen Stiftungsräte spricht, zeigte sich kurz. Es gebe tolle Konzepte, und man warte nun die Sitzung ab, meinte Lockl. Zu einem türkis-grünen Deal wollte sich Lockl nicht äußern. Thomas Zach, Leiter des bürgerlichen „Freundeskreises“, zeigte sich abwartend und verwies auf die im Gesetz vorgeschriebenen Prozesse.

Stiftungsrat Thomas Zach und Medienvertreter
ORF.at/Christian Öser
Das Medieninteresse am Wahltag ist groß

Konzepte in Diskussionsrunden und Interviews präsentiert

Für ihre Bewerbung hatten alle fünf umfangreiche Konzepte eingereicht, die sie in den vergangenen Tagen auch vor dem ORF-Zentralbetriebsrat sowie in Interviews mit nahezu allen größeren heimischen Medien vorstellten. Am Vorabend der Wahl skizzierten sie in ORF III die Eckpunkte ihrer Vorhaben.

ORF-GD-Wahl 2021 – Präsentationen der Konzepte

Am Dienstag, den 10. August 2021, bestellt der ORF-Stiftungsrat eine neue Generaldirektorin oder einen neuen Generaldirektor. Vor der Wahl präsentieren durch den Stiftungsrat nominierte Bewerber und Bewerberinnen ihre Konzepte für die Weiterentwicklung des Österreichischen Rundfunks.

„Freundeskreise“ im Stiftungsrat

Für eine Mehrheit braucht der oder die künftige GD 18 Stimmen des Stiftungsrats. Dieser wird von Regierung, Parteien, Bundesländern, ORF-Publikumsrat und Betriebsrat beschickt. Sie dürfen keine aktiven Politikerinnen und Politiker sein und dürfen auch sonst nicht für eine Partei tätig sein – abgesehen von wenigen Ausnahmen sind sie jedoch den Parteien zuordenbar und in parteipolitischen „Freundeskreisen“ organisiert.

Die ÖVP kann derzeit auf 16 ihr nahestehende Vertreter zählen, mit weiteren zwei, drei ÖVP-nahen unabhängigen Räten kommt sie auf eine Mehrheit im obersten Gremium. Die SPÖ ist mit fünf, die FPÖ mit vier und die Grünen mit drei Gremienmitgliedern vertreten. NEOS stellt eine Rätin. Der einst von den Freiheitlichen bestellte und später von der SPÖ-geführten Landesregierung verlängerte Kärntner Stiftungsrat Siggi Neuschitzer gehört keinem „Freundeskreis“ an.

Komplettiert wird die Runde durch fünf Unabhängige, bestehend aus drei Betriebsräten und zwei von der türkis-grünen Regierung gemeinsam nominierten Personen.

Grafik zum ORF-Stiftungsrat
Grafik: APA/ORF.at

Das Prozedere

Bei der GD-Wahl erhält jedes Stiftungsratsmitglied einen Stimmzettel, der einzeln in einer Wahlzelle ausgefüllt und in eine Wahlurne eingeworfen wird. Danach wird das Ergebnis ausgezählt, protokolliert, und das Gremium wird über das Wahlverhalten der einzelnen Stiftungsräte informiert. Diese Form der offenen Auszählung gibt es seit 2001. Schwarz-Blau schaffte damals die geheime Wahl ab.

Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden – das ist aktuell Norbert Steger, der von der FPÖ entsandt wurde. Als stellvertretender Vorsitzender fungiert der Bürgerliche Franz Medwenitsch.

ORF wirtschaftlich betrachtet

Der Umsatz des ORF betrug im Vorjahr 1.016,8 Millionen Euro. 644,9 Millionen Euro erlöste der Sender aus den Programmentgelten der Rundfunkgebühren, 200,4 Millionen aus Werbung, sonstige Umsatzerlöse lagen bei 171,5 Millionen Euro.

Der ORF agiert auf Basis des ORF-Gesetzes. 2001 und 2010 wurde das frühere Rundfunkgesetz, mit dem 1967 die Ära des modernen öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich eingeläutet wurde, grundlegend geändert. Oberstes Aufsichtsgremium ist seit 2001 der Stiftungsrat (früher Kuratorium), die Hörer- und Sehervertretung wird vom Publikumsrat wahrgenommen. Die Funktionsperiode dieser Gremien dauert vier Jahre, jene des Generaldirektors sowie des übrigen Direktoriums fünf Jahre.