Bild zeigt die beiden Rettungshunde Chase und Sky.
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„Paw Patrol“

Eine Hassliebe erobert das Kino

Sie lachen von Joghurtbechern und Wasserbällen, okkupieren ganze Spielwarenabteilungen und sind die Darlings des Fernsehnachmittags. Nach der Eroberung des Kinderzimmers startet die „Paw Patrol“ nun erstmals im Kino durch. Die Begeisterung von Vorschulkindern ist programmiert – und für die Erwachsenen gibt es zumindest Gelegenheit, das merkwürdige Faszinationsobjekt ihrer Liebsten genauer unter die Lupe zu nehmen.

Wer Kinder unter sieben Jahren hat, dem muss „Paw Patrol“ mit ziemlicher Sicherheit nicht erklärt werden: Die 2013 gestartete Kinderserie des kanadischen Unterhaltungsunternehmens Spin Master ist so erfolgreich, dass ein Vorbeikommen wohl fast unmöglich erscheint. „Der heißeste Kleinkinderscheiß seit mindestens Feuerwehrmann Sam, Eiskönigin und Janoschs Tigerente zusammen“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ einmal über die Serie der früheren „Bob der Baumeister“-Macher.

Und neben der Gewissheit über den positiven Ausgang der Folgen – die fröhlichen Hunde retten in den 13-minütigen Einsätzen Tiere, Menschen wie auch Abseitigeres wie Atlantis-Hundewelpenbewohner – ist dabei nicht zuletzt eines fix: die vernichtende Kritik, wenn über „Paw Patrol“ geschrieben wird. Während die einen das Höllentempo und den Hang zur Wiederholung stupider Slogans („Die Helfer auf vier Pfoten legen los!“) monieren, sprechen die anderen gar von „autoritärer neoliberaler Propaganda“ („The Guardian“), die die Jüngsten zu Komplizen eines „globalen kapitalistischen Systems, das Ungleichheiten produziert“, macht (so der kanadische Kriminologieprofessor Liam Kennedy).

Bild zeigt eine Szene aus dem Film „Paw Patrol“.
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Herzige Hündchen auf Weltrettungsmission: Seit 2013 ist „Paw Patrol“ der große Kinderzimmerrenner

Coole Hightech-Gadgets

All das lässt sich jedenfalls im schlicht mit „Paw Patrol: Der Kinofilm“ betitelten Abenteuer überprüfen: Im Zentrum der Geschichte steht natürlich die sechsköpfige Welpentruppe, unter anderem bestehend aus einem Polizei- und einem Feuerwehrhund, einem Baggerfahrer sowie einer Hubschrauberpilotin. Als Anführer der „Pfotenpatrouille“ fungiert ein zehnjähriger Tech-Nerd und Bescheidwisser namens Ryder, der sich vor allem dadurch auszeichnet, dass er sonst über kaum Charakteristika und oder so etwas wie Leben verfügt.

Aus unerklärlichen Gründen besitzt dieser Ryder einen Big-Brother-artigen Turm (die „Zentrale“), von dem aus die Paw-Patrol-Einsätze geplant werden. Wesentlich dabei: ein scheinbar endloser Vorrat an coolen Hightech-Gadgets, der James Bond wohl vor Neid erblassen lassen würde.

Private Bürgerwehr im Gewand süßer Welpen

So weit, so harmlos, könnte man meinen. Was vielen zunächst nicht auffallen dürfte, im Film aber offensichtlich ist, ist, dass es sich bei der Paw Patrol letztlich um eine private Bürgerwehr handelt – wenn auch im Gewand süß-fröhlicher Hündchen. In der Region Abenteuerbucht sind Polizei und Staat offenkundig gescheitert, die einzige Anlaufstation ist die Paw Patrol, die im Fall des Films sogar eine neue Filiale eröffnet.

In der benachbarten Abenteuerstadt hat nämlich der üble und ziemlich patscherte Bürgermeister Besserwisser die Macht übernommen. Mit einer Reihe an unüberlegten Aktionen will er nun die Stadt wieder „abenteuerlicher“ machen – und hat zudem als eindeutiger Katzenfan ein Hundeverbot erteilt. Gewisse Ähnlichkeiten mit Donald Trump sind vermutlich beabsichtigt: Social-Media-affin, beratungsresistent und wissenschaftsfern errichtet Besserwisser nicht nur eine wackelige Hochschaubahn-U-Bahnstrecke, sondern etwa auch einen riesigen Turm.

Bild zeigt eine Szene aus dem Film „Paw Patrol“.
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Der böse Bürgermeister Besserwisser mit seinen Chaoskätzchen will die Abenteuerstadt „abenteuerlicher“ machen

Film als „wahr gewordene Unternehmensfantasie“

Einen neuen (nicht ganz so riesigen) Turm gibt es aber auch für die Paw Patrol: In der Abenteuerstadt erwartet die Neuankömmlinge („Keine Stadt zu groß, keine Pfote zu klein“) eine noch schneidigere Zentrale samt neuem Leckerli-Spendeautomaten, spektakulärer Rutschenrampe und natürlich einer schnittigen neuen Fahrzeugflotte. Wer das alles bezahlt hat? Die Antwort ist – unfreiwillig ironisch? – ein aufgelegter Lacher für alle erwachsenen Zuseher: Nichts anderes als lizensiertes Paw-Patrol-Merchandising hat Ryder reich werden lassen, berichtet dieser seinen „Fellfreunden“.

Die Luxuskarossen lassen jedenfalls alle Welpenheldenherzen höherschlagen, und bald sausen die Freunde mit haarsträubend-lustvollem Motorgeheul die Rampe hinunter, als wäre die Klimakrise eine Storyline aus einem anderen Zeichentrickuniversum. Keine Überraschung, dass die Materialschlacht im neuen Design nun auch zu satten Preisen im Spielzeughandel zu finden ist. „Paw Patrol: Der Kinofilm“ sei „eine wahr gewordene Unternehmensfantasie“, schrieb dazu die kanadische Tageszeitung "The Globe and Mail“.

Bild zeigt eine Szene aus dem Film „Paw Patrol“.
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Mit Liberty ist endliche eine „coole Hündin“ mit von der Partie (hier zu sehen vor Bürgermeister Besserwissers Wahlsiegesfeier)

Straßenhündin Liberty als coole Frauenfigur

Was im Vergleich zur Serie jedenfalls durch und durch erfreulich ist, ist, dass mit der Straßenhündin Liberty eine coole Frauenfigur Einzug ins Paw-Patrol-Universum gefunden hat: In Sachen weibliche Helden gab es bisher nur die langwimprige und bis zur Pupille rosa eingefärbte Hubschrauberpilotin Skye (den Nebencharakter Everest bei den Schneeeinsätzen einmal ausgenommen).

Mit Liberty, unterwegs mit einem Rumpelwagen, ist nun eine echte Draufgängerin am Start, die die Ortsunkundigen durch den Wolkenkratzer-Großstadtdschungel lotst und ohne viel technischen Schnickschnack ihren Platz behauptet. Aber als sie gegen Ende ihre hellrote Ausrüstung bekommt, da ist es auch um sie geschehen: Konsum schlägt Straßencredibility.

„Fellfreunde“ ohne Kontur

Ansonsten zeichnet sich das harmlose Abenteuer dadurch aus, dass sich die Macher konsequent gegen eine tiefere Figurenentwicklung entschieden haben: Die Story rund um die Chaosregentschaft von Bürgermeister Besserwisser wartet vorrangig mit einer Reihe an Zwischenfällen auf, die die Paw Patrol mit einigen Pointen und viel Lust an der Materialschlacht bewältigt (Marshalls Feuerwehrauto schießt etwa superpotente Wasserkanonenkugeln). Ryder bleibt dabei blutleer wie eh und je. Und auch die „Fellfreunde“ gewinnen kaum an Kontur, was sich am stärksten an dem Nebenplot rund um Polizeihund Chase zeigt.

Chase muss sich, angekommen in der Abenteuerstadt, einer so schematisch gezeichneten „Vergangenheit“ stellen, dass es selbst abgehärteten erwachsenen Seherinnen und Sehern wehtut. Was als Einziges dabei rausschaut: natürlich die hollywoodkompatible und vorhersehbare Botschaft „Helden können Angst haben, aber sie trauen sich, über ihren Schatten zu springen“. Für Paw-Patrol-Hasserinnen und -Hasser bietet der Film also genug Stoff für leidenschaftlichen „Rant“. Kindern dürften die Einwände dagegen herzlich egal sein. Der Erfolg auf der großen Leinwand scheint programmiert.