EU-Botschafter in Kabul: Afghanistan-Abschiebungen aussetzen

Die EU-Botschafter in Afghanistan empfehlen, Abschiebungen in das Krisenland vorerst auszusetzen. Angesichts des sich verschärfenden Konflikts, der prekären Sicherheits- und Menschenrechtslage sowie des Mangels an sicheren Räumen im Land werde empfohlen, eine vorübergehende Aussetzung von Zwangsrückführungen aus EU-Mitgliedsstaaten nach Afghanistan zu erwägen, heißt es in einem heute an die Mitgliedsstaaten versendeten Bericht der EU-Missionschefs in Kabul.

Abschiebungen nach Afghanistan sind wegen der sich stark verschlechternden Sicherheitslage umstritten. Zuletzt hatte das afghanische Flüchtlingsministerium EU- und andere europäische Länder dazu aufgerufen, ab Juli für drei Monate die Abschiebungen einzustellen. Die militant-islamistischen Taliban kontrollieren mittlerweile knapp mehr als die Hälfte der Bezirke des Landes.

EU warnt vor Bürgerkrieg

Den Mitgliedsstaaten wird in dem Brief, der der dpa in Auszügen vorliegt, zudem empfohlen, die Unterstützung und den Einsatz der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und des UNO-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) in Pakistan, dem Iran und der Türkei fortzusetzen und zu verstärken, da diese Länder den größten Zustrom von Flüchtlingen aus Afghanistan aufnehmen dürften.

Die Europäische Union warnte vor einem weiteren Vormarsch der Taliban. Die Extremisten kontrollierten bereits 65 Prozent der Landesfläche, sagte ein hochrangiger EU-Vertreter. Es gelte, einen Bürgerkrieg in dem Land zu verhindern. Ein solcher könnte auch dazu führen, dass es zu einem „massiven Migrationsfluss“ komme oder in Afghanistan noch mehr Drogen produziert würden, sagte der EU-Vertreter.

Im Vorjahr 1.120 Abschiebungen aus EU-Staaten

Laut vom EU-Statistikamt Eurostat veröffentlichten Zahlen wurden im Vorjahr 1.120 Afghanen und Afghaninnen aus der EU abgeschoben. Durchgeführt haben die Abschiebungen aber nur zwölf von 27 Mitgliedsstaaten.

Darunter befinden sich neben Österreich auch Länder, deren Botschafter in Kabul nun einen Abschiebestopp gefordert haben: Deutschland, die Niederlande, Finnland und Frankreich. Afghanistan selbst drängt angesichts des eskalierenden Bürgerkriegs auf eine Aussetzung der Abschiebungen.