Züge der deutschen Bahn am Münchener Bahnhof
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Deutschland

Lokführerstreik lähmt Bahnverkehr

Die Lokführer der Deutschen Bahn (DB) streiken wieder: Bahnreisende, darunter Hunderttausende Pendlerinnen, Pendler, Urlauber und Urlauberinnen, sehen sich deutschlandweit mit Zugsausfällen und Verspätungen konfrontiert. Ein Bahnchaos mitten in der Ferienzeit wird befürchtet. Davon ist zum Teil der Zugsverkehr in Österreich betroffen. Erinnerungen an den großen, langanhaltenden Lokführerstreik 2015/16 werden wach.

Wie die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) in der Früh mitteilte, wirkt sich der Streik „stark auf den Zugverkehr aus“. Der Ersatzfahrplan sei jedoch „stabil angelaufen“. GDL-Chef Claus Weselsky wies indes Vorwürfe zurück, den Arbeitskampf zu spät angekündigt zu haben. Die Maßnahmen hatte er am Dienstagvormittag in Frankfurt am Main bekanntgegeben.

Im Tarifstreit mit der DB hatte die GDL am Dienstag zu Streiks aufgerufen. Die erste Arbeitskampfmaßnahme begann im Güterverkehr am Dienstagum 19.00 Uhr, am Mittwoch um 2.00 Uhr Streiks im gesamten Personenverkehr und in der Infrastruktur.

Die DB reagierte mit Ersatzfahrplänen. Im Fernverkehr geht die DB von nur rund 25 Prozent Kapazität aus, auch im Nahverkehr müsse mit Einschränkungen gerechnet werden, sagte die Bahn am Dienstag. Priorität haben nach DB-Angaben die besonders stark genutzten Verbindungen wie zwischen Berlin und dem Rhein-Ruhr-Gebiet, zwischen Hamburg und Frankfurt sowie die Anbindung wichtiger Bahnhöfe und Flughäfen. Ziel sei während des Streiks ein zweistündliches Angebot mit besonders langen Zügen auf den Hauptachsen.

Ein Güterzug bei München
APA/AFP/Christof Stache
Auch im Güterverkehr heißt es „bitte warten“

Ausfälle betreffen auch Österreich

Die ÖBB erwarten auch Ausfälle im internationalen Zugsverkehr von und nach Deutschland in Österreich, wie es am Dienstag auf Anfrage der APA hieß. „Wegen des Lokführerstreiks kann die Deutsche Bahn internationale Züge ab den Grenzbahnhöfen nicht übernehmen“, sagte ein ÖBB-Sprecher. Betroffen davon seien sowohl Tages- als auch Nachtverbindungen in Österreich von und nach Deutschland.

Wichtig für heimische West-Ost- bzw. Ost-West-Pendler: Der innerösterreichische Tagverkehr von Salzburg nach Tirol über den DB-Korridor ist von den Einschränkungen nicht betroffen. Ebenfalls sollen die Railjet-Verkehre Wien/Klagenfurt nach München, sowie die Eurocity-Verkehre von Italien über Innsbruck weiter nach München planmäßig geführt werden – mehr dazu in tirol.ORF.at, salzburg.ORF.at und ooe.ORF.at.

Im Nachtreiseverkehr können bis 12. August allerdings Verbindungen nach Brüssel, Hamburg und Berlin nicht geführt werden. Konkret sind die Züge NJ 490/491 (Wien-Hamburg/Amsterdam/Brüssel), NJ 20/421 (Innsbruck-Amsterdam/Hamburg), NJ 470/471 (Zürich-Berlin/Hamburg) und NJ 456/457 (Wien-Berlin) betroffen. Weitere Tagesverbindungen nach Deutschland können seit Mittwoch bis voraussichtlich 12. August nur im österreichischen Abschnitt geführt werden. Die ÖBB bitten die Fahrgäste vor Abfahrt den aktuellen Status ihrer Verbindung zu überprüfen: scotty.oebb.at oder unter Tel.: 05/1717.

Streik soll bis Freitag 2.00 Uhr dauern

Trotz des Ersatzfahrplans könne man nicht garantieren, dass alle Reisenden wie gewünscht an ihr Ziel kommen, hieß es von der DB am Dienstag weiter. Man bitte daher Fahrgäste, die nicht zwingend fahren müssen, ihre Reise möglichst zu verschieben. Einen weitgehend störungsfreien Verkehr erwartet die Deutsche Bahn erst wieder für den Freitag, wie das Unternehmen am Dienstag in Berlin mitteilte. Dauern sollen die Arbeitskampfmaßnahmen bis Freitagfrüh um 2.00 Uhr.

Mit diesem Zeitfenster versucht die Lokführer-Gewerkschaft nach eigenen Angaben, den Ferien- und Wochenendverkehr nicht zu stark zu beeinträchtigen. Weitere Streiks über den Freitag hinaus will die Gewerkschaft nun vom Verhalten der Arbeitgeberseite abhängig machen. Bereits gebuchte Fahrkarten für betroffene Strecken behalten laut DB ihre Gültigkeit bis zum 20. August, die Zugbindung entfällt. Auch eine kostenfreie Erstattung der Tickets ist möglich.

Passagiere auf dem Hauptbahnhof in Berlin
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Ein Blick auf das Geschehen auf dem Hauptbahnhof in Berlin vor dem Streik

Verhärtete Fronten

Laut Gewerkschaftschef Weselsky hatten in einer Urabstimmung der GDL 95 Prozent der Teilnehmenden für die Maßnahmen gestimmt. „Das ist mehr, als wir erwartet haben“, sagte er. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 70 Prozent. Weselsky wertete das Abstimmungsergebnis als Zeichen der Unzufriedenheit in der Belegschaft der DB. Das zuletzt von der Arbeitgeberseite vorgelegte Angebot sei „nicht verhandelbar“. Nun werde die GDL „dazu gezwungen, in Arbeitskampfmaßnahmen einzutreten“, um ein verbessertes Angebot zu bekommen. Der GDL-Chef gab dem Management der Deutschen Bahn die Schuld für die Eskalation mitten in der Ferienzeit. Es gebe „keinen günstigen Zeitpunkt“ für einen Streik, „nicht mal nachts“.

Die Bahn kritisierte die Ankündigung der GDL scharf und sprach von einer „unnötigen Eskalation auf dem Rücken der Bahnkunden“. „Die GDL-Spitze eskaliert zur Unzeit“, erklärte DB-Personalvorstand Martin Seiler. „Gerade in einem systemrelevanten Bereich wie der Mobilität gilt es jetzt, sich an den Verhandlungstisch zu setzen und nicht unsere Kunden zu belasten.“ Kritik gab es auch an der Kurzfristigkeit der angekündigten Maßnahmen.

Minister fordert Rückkehr an Verhandlungstisch

Der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bezeichnete die Eskalation am Dienstag als „bedauerlich“. Alle Beteiligten müssten ein Interesse daran haben, das Vertrauen in die Bahn als zuverlässiges Verkehrsmittel aufrechtzuerhalten. „Deshalb sollten beide Seiten schnellstmöglich an den Verhandlungstisch zurückkehren, denn nur hier kann eine Lösung gefunden werden“, so Scheuer.

Der deutsche Städte- und Gemeindebund rief die GDL auf, bei ihrem Arbeitskampf die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Die Reisenden dürften nicht die Leidtragenden des Streiks sein. Die Bahn hält eine Einigung über die „materiellen Forderungen für möglich“ und rief die GDL zurück an den Verhandlungstisch.

Die GDL hatte die monatelangen Tarifgespräche bereits Anfang Juni für gescheitert erklärt. Die unter anderem durch die CoV-Krise und die Flutkatastrophe angeschlagene Deutsche Bahn hatte der GDL zuletzt Lohnerhöhungen in zwei Schritten angeboten: 1,5 Prozent per 1. Jänner 2022 und 1,7 Prozent per 1. März 2023, bei einer Laufzeit bis Ende Juni 2024. Der GDL reicht das nicht aus. Sie kritisiert zudem den bereits mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) geschlossenen Tarifvertrag als völlig unzureichend.

Gewerkschaften im Machtkampf

Neben dem Streit über Einkommenszuwächse tobt im Konzern ein Machtkampf zwischen der GDL und der EVG. Für die GDL sind hohe Tarifabschlüsse für möglichst viele Berufsgruppen und Beschäftigte eine Frage des Überlebens und der künftigen Wachstumsmöglichkeiten. Denn die Bahn muss das Tarifeinheitsgesetz umsetzen. In den Betrieben des Unternehmens soll danach nur noch der Tarifvertrag der jeweils größeren Gewerkschaft zur Anwendung kommen. Meist ist das die EVG. Die GDL hat deshalb angekündigt, der Konkurrenz Mitglieder abjagen zu wollen. Laut Bahn hat die GDL nur in 16 der rund 3.000 Einzelbetriebe des Konzerns die Mehrheit.

Es ist der erste Streik bei der Bahn seit Dezember 2018, als die EVG ihre Mitglieder zum Arbeitskampf aufrief. Weitaus härter verlief der GDL-Streik 2014 und 2015. In acht sich steigernden Wellen legten die Lokführer unter Weselskys Führung die Arbeit nieder und weite Teile des Streckennetzes lahm. Die EVG hatte schon im vergangenen Herbst einen Tarifabschluss mit der Bahn unterschrieben. Heuer gab es eine Nullrunde. Anfang 2022 erhalten die Beschäftigten 1,5 Prozent mehr Geld. Betriebsbedingte Kündigungen sind ausgeschlossen.