Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki
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PiS-Minderheitsregierung möglich

Koalition in Polen durch Streit geplatzt

Nach der Entlassung des polnischen Vizeministerpräsidenten Jaroslaw Gowin ist das nationalkonservative Regierungsbündnis zerbrochen. Der Vorstand von Gowins konservativer Gruppierung Porozumenie (Verständigung) beschloss am Mittwoch, das Listenbündnis und die gemeinsame Fraktion mit der Regierungspartei PiS zu verlassen.

Man wolle fortan als eigenständige Parlamentariergruppe agieren, teilte Sprecher Jan Strzezek auf Twitter mit. Mit dem Ausscheiden verliert die PiS (Recht und Gerechtigkeit) ihre absolute Mehrheit im Parlament, nun läuft alles auf eine Minderheitsregierung hinaus. Das sei ein „reales Szenario“, sagte PiS-Sprecher Radoslaw Fogiel dem Portal Wirtualna Polska.

„Das Regieren in so einer Situation ist schwierig und unbequem, aber nicht unmöglich.“ Am Dienstag hatte Regierungschef Mateusz Morawiecki (PiS) den Vizeministerpräsidenten und Entwicklungsminister Gowin entlassen. Daraufhin hatte Gowin die Zusammenarbeit seiner Gruppierung mit der PiS von sich aus aufgekündigt.

Streit über Rundfunknovelle

Porozumenie bildete mit der PiS und der weiteren Kleinpartei Solidarna Polska bisher ein Listenbündnis unter dem Namen „Vereinte Rechte“. Porozumenie stellte im Parlament zwölf von 232 Abgeordneten des Regierungslagers. Als Begründung für Gowins Entlassung hieß es offiziell, seine Gruppierung habe nicht im ausreichenden Tempo an Reformen der PiS mitgearbeitet.

Jaroslaw Gowin
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Jaroslaw Gowin war Vizeministerpräsident in der polnischen Regierung

Hintergrund sind allerdings regierungsinterne Konflikte über ein Konjunkturprogramm und ein neues Rundfunkgesetz. Über die Novelle des Rundfunkgesetzes, die die Vergabe von Lizenzen erschweren würde, soll das Parlament am Mittwochabend abstimmen. Es ist unklar, ob die PiS dafür noch die nötige Mehrheit zusammenbekommt.

Mateusz Morawiecki, lJaroslaw Kaczynski, Jaroslaw Gowin und Zbigniew Ziobro
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Morawiecki, PiS-Vorsitzender Jaroslaw Kaczynski, Gowin und Solidarna-Polska-Chef Zbigniew Ziobro bei der Vorstellung der Koalition Ende September 2020 (v. l. n. r.)

Auf Privatsender abgezielt

Die von der PiS im Juli eingebrachten Pläne sehen vor, dass Rundfunklizenzen nur noch dann an Ausländer vergeben werden können, wenn diese „ihre Zentrale oder ihren Wohnsitz im Bereich des Europäischen Wirtschaftsraums haben“. Zusätzlich gilt die Bedingung, dass der Lizenznehmer nicht abhängig sein darf von jemandem, der Zentrale oder Wohnsitz außerhalb hat.

Demonstration für Medienfreiheit in Warschau
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Tausende Menschen protestierten gegen die geplante Novelle des Rundfunkgesetzes

Nach Ansicht von Kritikern zielt das Gesetz auf den Privatsender TVN, der über eine in den Niederlanden registrierte Holding Teil des US-Konzerns Discovery ist. Besonders der Nachrichtensender TVN24 vertritt eine PiS-kritische Linie. Am Dienstag waren mehrere tausend Menschen gegen das Gesetz auf die Straße gegangen. Gowin hatte die Novelle kritisiert.

PiS auf Stimmenfang

Mit dem Ausscheiden von Porozumenie aus dem Regierungsbündnis verliert die PiS ihre absolute Mehrheit im Parlament. Ihr Sprecher Fogiel betonte dennoch, das sei nicht das Ende des Bündnisses. Er zeigte sich optimistisch, dass man für die Verabschiedung des neuen Rundfunkgesetzes die nötigen Stimmen zusammenbekommen werde. „Wenn es um die Mehrheit im Sejm geht, bin ich beruhigt.“

Koalition in Polen geplatzt

In Polen ist das rechte Regierungsbündnis geplatzt. Der Ministerpräsident der nationalkonservativen PiS-Partei hat seinen Stellvertreter entlassen, weshalb dessen Partei die Zusammenarbeit aufkündigte. Hintergrund ist ein Streit über eine Änderung des Rundfunkgesetzes.

Polnische Medien schlossen in ersten Einschätzungen nicht aus, dass die PiS versuchen wird, sich für das Rundfunkgesetz die Unterstützung mehrerer Abtrünniger aus Gowins Lager sowie die Stimmen der Anti-System-Partei Kukiz und einiger fraktionsloser Abgeordneter zu sichern.