Blick auf Marseille mit der Notre-Dame de la Garde Basilica
APA/AFP/Boris Horvat
Drogenkriminälität

Blutiger Bandenkrieg in Marseille

Die französische Hafenstadt Marseille wird ihren Ruf als Hotspot für Gewaltverbrechen nicht los. Derzeit scheinen Polizei und Politik im Kampf gegen einander bekriegende Drogenbanden machtlos – das zeigt sich an den vielen Toten: Binnen der letzten zwei Monate wurden zehn Menschen umgebracht. Der letzte Mord ereignete sich in der Nacht auf Donnerstag.

Ein Mann sei auf offener Straße mit gezielten Schüssen niedergestreckt, ein Begleiter lebensgefährlich verletzt worden, berichtete die örtliche Zeitung „La Provence“. Von den Tätern fehle derzeit jede Spur. Die Kriminalpolizei rechnet die Tat einer Serie von Abrechnungen zu, die sich seit dem Juli häuften. Erst am Montag waren 51 neue Polizisten in die Stadt beordert worden, wie die Präfektur mitteilte.

Bei dem Bandenkrieg gehe es um Gebietsansprüche von Drogenbanden sowie gegenseitige Abrechnungen, berichtete die Zeitung „Le Monde“ am Donnerstag. Kontrahenten im aktuellen Konflikt seien die Banden „La Paternelle“ und „Bassens“, die um das Drogengeschäft mit jährlichen Millioneneinnahmen buhlten, schilderten Ermittlerinnen und Ermittler.

Schüsse trafen auch Unbeteiligte

156 Orte, an denen in der zweitgrößten französischen Stadt mit Drogen gedealt wird, soll es geben. Die Opfer seien meist junge Männer, regelmäßig träfen verirrte Schüsse aber auch Unbeteiligte. So starb Anfang Juli eine 17-Jährige auf der Rückbank eines Autos nach drei Schüssen in den Kopf, der Kugelhagel galt aber wohl dem Beifahrer, der an der Schulter verletzt wurde.

In der seit vielen Jahren von blutigen Drogenkonflikten belasteten Stadt habe die Polizei nun zwei Einheiten der Bereitschaftspolizei CRS dauerhaft stationiert, um die Banden zu destabilisieren, schrieb „Le Monde“. Wie Polizeipräsidentin Frederique Camilleri der Zeitung sagte, gehen die Bandenkriege auch mit Entführungen, Folter und Erpressungsfällen einher.

Soziale Netzwerke treibender Faktor

Die Drogenkriminalität balle sich in den ärmsten Vierteln und Hochhaussiedlungen der Stadt, wo sich bereits soziale und wirtschaftliche Probleme häuften. Von „vergessenen Vierteln“, in denen ganze Familien vom Drogengeschäft lebten und die Dealer das Gesetz bestimmten, sprach ein Abgeordneter. Rekordverdächtig, was die Abrechnungen in Marseille angeht, ist das laufende Jahr nach Zahlen von „Le Monde“ trotz der rasch steigenden Totenzahl nicht.

2016 habe es 29 Tote gegeben, 2017 dann 14, 23 im Jahr 2018 und 28 im vergangenen Jahr, fast immer waren Drogengeschäfte der Auslöser. Die Zeitung „Le Point“ berichtete kürzlich unter Verweis auf Polizeikreise, die sozialen Netzwerke seien ein neuer, treibender Faktor für die Abrechnungen. Gegner würden bloßgestellt und zum Ziel erklärt und mit Snapchat-Bildern der Toten werde zur Rache aufgerufen.

Film zu Bandenkriegen in der Stadt läuft an

Und während die Ermittlerinnen und Ermittler in Marseille nach den Tätern der jüngsten Attacke suchen, kommt in der nächsten Woche ein mit großen Plakaten beworbener Film in die französischen Kinos, der die Bandenkriege und die Polizeiarbeit in der Hafenstadt zum Thema hat. „BAC Nord“ greift das Geschehen um die gleichnamige Drogeneinheit der Polizei auf, die 2012 von Erfolgsdruck getrieben bei den Ermittlungsmethoden zu weit ging und selber in den Fokus der Justiz geriet.