Lebensmittel in Einkaufswagen
ORF.at/Roland Winkler
Rekordwerte

Großhandelspreise schüren Inflationsangst

Strom, Gas, Treibstoff, Grundnahrungsmittel: Dinge des täglichen Bedarfs, aber etwa auch Baustoffe und Industriegüter sind zuletzt teurer geworden. Die Teuerungsrate liegt deutlich über dem Vorjahresniveau, die Großhandelspreise steigen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Dass sie erst stark gefallen waren, ist nur eine Erklärung – und es stellt sich die Frage, wie es mit der Inflation weitergeht.

Erst kürzlich meldete die Statistik Austria für Juli einen Anstieg der Großhandelspreise um 12,1 Prozent im Jahresabstand, im Juni hatte die Differenz über elf Prozent betragen. Einen derartigen Sprung habe es zuletzt im März 2011 gegeben, hieß es dazu in einer Presseaussendung. Die Kosten etwa für die Errichtung eines Hauses liegen laut Zahlen vom Freitag (wiederum mit Stand Juli) aktuell 13,6 Prozent über dem Vorjahresniveau.

Für Deutschland meldete das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Freitag mit 11,2 Prozent den größten Sprung bei den Großhandelspreisen seit der ersten Erdölkrise in den 1970er Jahren. Dahinter stünden Preissteigerungen etwa bei Metallen und Holz von knapp 60 und bei Treibstoffen von über 30 Prozent, hieß es. In Österreich lagen die Großhandelspreise für Eisen und Stahl zuletzt um 88 Prozent über dem Niveau vom Juli 2020, Holz kostete um rund ein Drittel, Diesel und Benzin um ein Viertel mehr als im Vorjahr. Auch Futter- und Düngemittel wurden deutlich teurer.

Basiseffekt: Von weit unten schnell zurück nach oben

Eine wesentliche Erklärung dafür ist, dass die Großhandelspreise als Folge der Coronavirus-Pandemie zuvor stark gefallen waren. Im Jahresdurchschnitt lagen sie in Österreich im Vorjahr knapp über vier Prozent unter dem Niveau von 2019. Treibstoffe etwa waren im letzten Jahr, für die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher spürbar, deutlich günstiger.

„Die hohen Steigerungsraten begründen sich zum Teil durch einen Basiseffekt“ – vereinfacht gesagt einen hohen Anstieg von einem niedrigen Niveau aus – „infolge des sehr niedrigen Preisniveaus der Vorjahresmonate“ zusammen mit der Pandemie und aktuell höheren Rohstoffpreisen, hieß es dazu am Freitag vom deutschen Statistischen Bundesamt.

Gegenüber dem Vorjahr stark gestiegen ist auch die Inflationsrate, in Deutschland, wo sie sich in Richtung vier Prozent bewegt, noch deutlicher als in Österreich. Hier lag sie laut letzter Schnellschätzung der Statistik Austria im Juli bei 2,7 Prozent, im Mai und Juni waren es 2,8 gewesen. In Deutschland betrug der Wert für Juli 3,8 Prozent – und lag damit auf dem höchsten Niveau seit Jahrzehnten. Eine höhere Teuerungsrate hatte es laut Statistischem Bundesamt zuletzt mit 4,3 Prozent im Dezember 1993 gegeben.

Stahlkabel
Reuters/Maxim Shemetov
Astronomische Preissprünge bei Industrierohstoffen nach dem Absturz im Vorjahr

Konjunktur zieht wieder deutlich an

Auch hinter dem Sprung bei der Inflation stünden „Sondereffekte“, die im Juli 2021 erstmals zum Tragen gekommen seien, hieß es dazu: etwa die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer (im Juli 2020 hatte die Teuerungsrate in Deutschland minus 0,1 Prozent betragen) wegen der Pandemie, die viele Verbrauchsgüter deutlich billiger hatte werden lassen. Entsprechend stark stiegen die Preise danach.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) kommt in einer Publikation zur Konjunkturentwicklung in Österreich von letzter Woche ähnlich zu dem Schluss, dass der Sprung bei den Energiepreisen „auf das besonders niedrige Preisniveau des Vorjahres“ zurückzuführen sei. Allerdings: Nicht alles ist dem derzeit viel zitierten Basiseffekt geschuldet. Zu ihm kommen zumindest noch nachfragebedingte Preissteigerungen bei Rohstoffen wegen der wieder anziehenden Konjunktur und Lieferengpässe immer noch als Folge der Pandemie.

Lagerhaus
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Nach einem Einbruch durch die Coronavirus-Pandemie und Lockdowns zieht die Konjunktur rasch an

Wann schlagen Preissteigerungen durch?

Außerdem greifen die Dinge ineinander: Höhere Kosten für Eisen und Holz bedeuten höhere Baukosten, Ernteausfälle führen zu höheren Großhandelspreisen bei landwirtschaftlichen Produkten, die wiederum zu höheren Lebensmittelpreisen, steigende Treibstoffpreise machen den Transport von Gütern teurer – und irgendwann kommen diese Preissteigerungen über eine steigende Teuerungsrate auch beim Endverbraucher und der Endverbraucherin an. Müssen diese aktuell Angst vor einer rasant steigenden Inflation haben?

Inflationsrate soll nicht dramatisch steigen

Eine Antwort auf diese Frage gibt eine Einschätzung der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) in ihrer periodischen Inflationsanalyse für Österreich („Inflation aktuell“) vom Juli. Laut dieser wird der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI), der die Preisentwicklung in den Ländern der EU untereinander vergleichbar macht, in diesem Jahr bei 2,2 Prozent liegen. 2022 und 2023 soll er dann auf 2,0 bzw. 1,8 Prozent sinken.

In ihrer Einschätzung geht die OeNB außerdem davon aus, dass auch die hohen Preise für Rohstoffe, die für den Sprung bei der Inflationsrate mit Mai (von 1,9 im April auf 2,8 Prozent laut Verbraucherpreisindex, VPI, bzw. 3,0 Prozent laut HVPI) verantwortlich waren, wieder sinken werden. Das Institut für Höhere Studien (IHS) rechnet in einer Konjunkturprognose vom Juli damit, dass sich die Teuerung bis 2025 zwischen 2,0 und 2,25 Prozent bewegen wird.

Strom, Gas, Treibstoffe aktuell viel teurer als im Vorjahr

Hinter dem Anstieg des VPI in den letzten Monaten standen laut OeNB zu 75 Prozent die im Vergleich zum Vorjahr viel höheren Preise für Energie. Strom wird im September im Großhandel um fast 40 Prozent teurer sein als im September 2020, zeigt der aktuelle Strompreisindex (ÖSPI) der Österreichischen Energieagentur. Im August sind es 30 Prozent. Der gleichfalls von ihr berechnete Österreichische Gaspreisindex (ÖGPI) liegt für August um 382 Prozent über dem Niveau vom Juli des Vorjahres. Allein von Juli auf August stiegen die Großhandelspreise bei Erdgas um fast 20 Prozent.

Ein weiteres Beispiel näher am Konsumenten: Der Liter Benzin bzw. Diesel kosteten im Mai 2020 weniger als 90 bzw. 85 Cent, im Juli 2020 kosteten beide circa einen Euro je Liter. Im Vormonat waren es laut der monatlichen Spritpreisanalyse des Autofahrerclubs ÖAMTC im Schnitt 1,31 bzw. 1,24 Cent – eine Preissteigerung von jeweils über 40 Prozent oder über 20 Euro für eine durchschnittliche Tankfüllung innerhalb von 14 Monaten.