Hilfskräfte bei Sucheinsatz in Les Cayes, Haiti
Reuters/Ralph Tedy
Nach Erdbeben

Haiti wegen Sturm „Grace“ alarmiert

Während Haiti noch mit den verheerenden Folgen des Erdbebens am Wochenende zu kämpfen hat, steht nun womöglich die nächste Gefahr vor der Tür. Der Tropensturm „Grace“ nähert sich dem Karibik-Staat und könnte heftigen Regen und Windböen bringen. In Haiti, das nach dem Beben bisher mehr als 1.400 Tote und Tausende Verletzte zählt, wird weiterhin nach Überlebenden gesucht.

„Grace“ zog am Montag laut US-Hurrikanzentrum mit anhaltenden Windgeschwindigkeiten von bis zu 55 Kilometern pro Stunde südlich an der Insel Hispaniola entlang – die sich Haiti mit der Dominikanischen Republik teilt. Für die Rettungskräfte, die ohnehin mit schwierigen Bedingungen zu kämpfen haben, ist es ein Rennen gegen die Zeit: Das US-Hurrikanzentrum in Miami stufte Tropensturm „Grace“, der sich Haiti näherte, zwar herab.

Es sagte aber heftigen Regen für die Dominikanische Republik und Haiti vorher, was die Rettungsarbeiten weiter beeinträchtigen könnte. Überflutungen, Starkregen und Schlammlawinen werden befürchtet. Schon Vorgänger „Fred“ hatte am 11. August in der Dominikanischen Republik und in Haiti für Überflutungen gesorgt.

Menschen durchsuchen Trümmer in Camp-Perrin, Les Cayes, Haiti
AP/Joseph Odelyn
Die Bergungsarbeiten in Haiti sind angelaufen

„Ich bin besorgt, dass der herannahende Sturm die Situation für uns erschweren könnte“, sagte Jerry Chandler, Leiter der Zivilschutzagentur von Haiti. „Wir brauchen viel Unterstützung, um der Bevölkerung zu helfen, vor allem den Verletzten“, sagte Haitis Interimspremierminister Ariel Henry auf Twitter.

Grafik zeigt Tropenstürme „Grace“ und „Fred“
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: NOAA

Bergungsarbeiten angelaufen

Die Opferzahl stieg am Montag weiter, nach jüngsten Angaben kamen über 1.400 Menschen ums Leben. Befürchtet wird eine noch höhere Zahl, weil Tausende Gebäude zerstört wurden. Menschen wurden unter eingestürzten Wohnhäusern, Hotels, Schulen, Kirchen begraben. Bergungsarbeiten und Hilfsmaßnahmen laufen. Rund 13.700 Häuser wurden laut dem Bericht zerstört und ebenso viele beschädigt. Mehr als 30.000 Familien seien betroffen.

Katastrophenschutzteams seien landesweit und verstärkt in den schwer betroffenen Gebieten im Einsatz. Dazu zählten die Departements Sud, Grand’Anse und Nippes. Fotos, die von der Behörde und von Interimspremier Henry auf Twitter veröffentlicht wurden, zeigten, wie sich Helfer und Bagger durch Berge von Trümmern kämpften.

Krankenhäuser überlastet

Das Beben, dessen Stärke die US-Behörde USGS mit 7,2 angab, hatte sich am Samstag rund zwölf Kilometer von der Gemeinde Saint-Louis-du-Sud in einer Tiefe von rund zehn Kilometern ereignet. Bei vielen teils starken Nachbeben verbrachten zahlreiche Menschen nach Berichten in sozialen Netzwerken die Nacht auf Sonntag im Freien.

Krankenhäuser waren überlastet. Im Innenhof eines Spitals in Jeremie, einer der am meisten betroffenen Städte, warteten Verletzte in Zelten auf ihre Behandlung, wie in einem Video in sozialen Netzwerken zu sehen war. Straßen waren nach Erdrutschen versperrt.

Hilfe aus USA eingetroffen

„Tausende von Menschen sind noch immer auf den Straßen, um nach ihren Angehörigen zu suchen oder um ein paar ihrer Habseligkeiten unter den Trümmern zu bergen“, sagte Marcelo Viscarra, Landesdirektor der Kinderhilfsorganisation World Vision in Haiti. Nach Angaben von Caritas International werden vor allem Nahrung, Trinkwasser, Zelte und medizinische Erstversorgung benötigt. Die Lage sei weiterhin chaotisch, das Ausmaß der Katastrophe noch nicht absehbar, teilte die Organisation weiter mit.

Frau durchsucht die Trümmer ihres zerstörten Hauses in Camp-Perrin
AP/Joseph Odelyn
Menschen wurden unter eingestürzten Wohnhäusern, Hotels, Schulen, Kirchen begraben

Aus dem Ausland trifft derweil Hilfe ein: Die US-Hilfsorganisation USAID entsandte ein 65-köpfiges Such- und Rettungsteam mit Spezialgerät, Ausrüstung und Medikamenten. Die US-Armee stellte nach eigenen Angaben ein Team zur Luftaufklärung in den betroffenen Gebieten sowie vier Hubschrauber für Hilfslieferungen bereit. Haitis Nachbarland, die Dominikanische Republik, kündigte eine Lieferung von 10.000 Nahrungsrationen und medizinischer Ausrüstung an. Auch Kuba und Ecuador entsandten Ärzte- und Rettungsteams.

Das Österreichische Rote Kreuz erwartet indes, dass die Opferzahlen wohl noch nach oben korrigiert werden müssen, es gebe vorerst keine abschließende Beurteilung der Lage, hieß es. „Die Hilfsteams des Roten Kreuzes versorgen die Menschen derzeit mit Nahrung, Trinkwasser und leisten Erste Hilfe“, schilderte ÖRK-Generalsekretär Michael Opriesnig. „Im zweiten Schritt wird es um Notunterkünfte und psychosoziale Unterstützung gehen.“

Erinnerungen an schweres Erdbeben 2010

Teile des armen Landes waren bereits im Jahr 2010 von einem schweren Erdbeben verwüstet worden. Im Zentrum des Bebens lag damals Haitis dicht besiedelte Hauptstadt Port-au-Prince. 222.000 Menschen starben, mehr als 300.000 wurden verletzt. Mehr als eine Million Menschen verloren ihr Zuhause. Auch politisch ist die Lage äußerst angespannt – erst Anfang Juli war Staatspräsident Jovenel Moise in seiner Residenz ermordet worden.